Energiewirtschaft:Wissenschaftler fordern Fracking-Projekte in Deutschland

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Um Fracking in Deutschland zu testen, sollen vier Pilotprojekte zur Gewinnung von Schiefergas und zur Nutzung der Geothermie durchgeführt werden. (Foto: Matthew Staver/Bloomberg)
  • Auch in Deutschland sollte man Fracking nicht generell verbieten, sagen Wissenschaftler der Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
  • Sie sprechen sich dafür aus, dass in Pilotprojekten unter strenger Aufsicht erprobt werden solle, ob Fracking in Deutschland umweltverträglich einsetzbar wäre.
  • Der Vorschlag richtet sich gegen ein strenges Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, das am Montag im Bundestag besprochen wird.

Von Christopher Schrader

Vier Pilotprojekte mit der umstrittenen Fracking-Technik solle es in Deutschland geben, schlägt die nationale Akademie für Technikwissenschaften, Acatech, vor. "Wissenschaftlich und technisch ist es nicht gerechtfertigt, ein generelles Verbot auszusprechen", schreibt eine Projektgruppe der Akademie in einem Positionspapier, das an diesem Montag in Berlin veröffentlicht werden soll; es liegt der SZ bereits vor. "Wenn man solche Vorhaben gut plant und genau überwacht, sind die Risiken beherrschbar", sagt der Leiter der Gruppe, Rolf Emmermann.

Die Akademie wirkt damit gezielt auf die aktuelle politische Debatte ein: Am Montag will der Umweltausschuss des Bundestags bei einer öffentlichen Anhörung Experten zu einem Gesetzesvorhaben der Regierung befragen. Sie will die Technik nur nach wissenschaftlicher Erprobung und dem Plazet eines Expertengremiums erlauben.

"Das ist ein Fracking-Verhinderungsgesetz, mindestens aber ein Fracking-Einschränkungsgesetz", hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gesagt. Umweltschützer sowie Landesregierungen in Kiel und Düsseldorf hatten den Entwurf als zu liberal kritisiert.

Anwohner müssen in Planung einbezogen werden

Der Acatech-Vorschlag zielt auf den Punkt "wissenschaftliche Erprobung". Die Experten schlagen je zwei Pilotprojekte zur Gewinnung von Schiefergas und zur Nutzung der Geothermie vor. In beiden Fällen sollen von tiefen Schächten aus horizontale Bohrungen durch das Gestein getrieben werden. An geeigneten Stellen würde ein Gemisch von Wasser, Sand und etwa einem Prozent chemischer Additive in den Fels gepresst, um Risse zu erzeugen.

"Bei der Planung sollte Vorerkundung größere Bedeutung haben als bisher, die Kombination mehrerer Verfahren muss ein detailliertes 3-D-Modell des Untergrunds liefern", sagt Emmermann. Zudem müssten die Anwohner von Anfang an in die Planung einbezogen werden; ihre Zustimmung sei erforderlich, besagt das Positionspapier.

Noch in der Planungsphase soll auch das Monitoring beginnen: Die Grundwasserqualität, ein Austritt von Methan und kleine Erdbeben werden dabei kontinuierlich erfasst, damit es für mögliche Veränderungen im späteren Betrieb eine Vergleichsgrundlage gibt.

Gegenden um Hannover, Karlsruhe und Greifswald kommen in Frage

Generell kämen für die Schiefergasprojekte zwei Streifen westlich und nordöstlich von Hannover in Frage, außerdem die Gegend von Greifswald sowie der Oberrhein bei Karlsruhe. Die gleiche Region soll zudem eines der Geothermie-Projekte beherbergen, das andere könnte im Raum Stuttgart oder wiederum bei Hannover angesiedelt werden, wo die Temperaturen im Untergrund besonders hoch sind.

Bei der Bohrung und im Betrieb soll die sogenannte Verrohrung lückenlos überwacht werden, fordert Acatech. Emmermann bringt dafür Glasfasertechnik in die Diskussion. Die Fasern würden zwischen Erdreich und der äußersten Betonschicht des Bohrschachts eingebaut, um ständig die Temperatur zu erfassen. Ein Wassereinbruch oder das Ausströmen von Methan im Bohrloch ließe sich so registrieren.

TÜV könnte die Projekte überwachen

Die sogenannten Fracking-Fluide sollen mit Transparenz behandelt werden. "Sie wurden früher oft als Gift-Cocktail wahrgenommen, auch weil ihre Zusammensetzung geheim gehalten wurde wie das Coca-Cola-Rezept", sagt Emmermann. Sein Team plädiert für komplette Offenheit. Es sollten nur wenige Substanzen als Additive verwendet werden, die höchstens die niedrigste Gefährdungsklasse 1 haben. Das entspreche der Einstufung von Gülle.

Mit diesen Vorschlägen will Acatech den verbreiteten Bedenken entgegentreten, die vor allem der Einsatz von Fracking in den USA ausgelöst hat. Dort hatten sich die Firmen nur an wenige Regeln halten müssen und manche davon auch noch gebrochen. All das wäre in Deutschland anders, bekräftigt das Projektteam. Zudem solle eine unabhängige Instanz die Pilotprojekte überwachen, zum Beispiel der TÜV.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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