Energiewende:Weg von der Kohle

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Deutschland liegt bei den selbst gesteckten Klimaschutzzielen noch zurück. Bis 2030 müsste der CO2-Ausstoß 55 Prozent niedriger liegen als 1990. Dafür wären jetzt radikale, aber realistische Maßnahmen nötig - vor allem im Straßenverkehr.

Von Marlene Weiss

Deutschland kann sein Klimaschutzziel für das Jahr 2030 erreichen - dafür müsste allerdings dringend das Energiesparen bei Strom, Wärme und Verkehr sowie der Kohleausstieg vorankommen. Das ist das Fazit einer großen Studie, welche die Denkfabrik Agora Energiewende an diesem Dienstag veröffentlicht.

Um 55 Prozent soll der Ausstoß von Treibhausgasen im Jahr 2030 unter dem Wert von 1990 liegen, das ist das offizielle Ziel der Bundesregierung. Allerdings war auch geplant, schon 2020 bei 40 Prozent Minderung zu sein. Dieses Ziel wird wohl deutlich verfehlt werden. Derzeit sind nur etwa 28 Prozent erreicht, etwa ein Drittel dürfte es noch werden, viel mehr aber auch nicht. Das Agora-Team hat untersucht, wie der Rückstand aufgeholt werden kann: "Wir haben auf das Jahr 2030 geblickt, weil die Weichen dafür in der kommenden Legislaturperiode gestellt werden, in welche Richtung auch immer", sagt Agora-Direktor Patrick Graichen.

Gebäude sind effizienter geworden, aber auf den Straßen steigt der Energieverbrauch

Herausgekommen ist eine Bestandsaufnahme der Energiewende, und ein Zehn-Punkte-Forderungskatalog. Zentral ist dabei das Energiesparen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Stromverbrauch in Deutschland um nur vier Prozent gesunken, der Wärmebedarf von Gebäuden um elf Prozent. Der Verkehr verschlingt allerdings sogar etwas mehr Energie als früher, die auch noch fast vollständig aus Erdöl stammt. Die "allgemein akzeptierte große Bedeutung der Energieeffizienz", heißt es in der Studie, habe bisher kaum politische Folgen. Um die Sache voranzubringen, schlagen die Autoren vor, Sparziele für Wärme, Strom und Verkehr gesetzlich festzuschreiben - und fünf Milliarden Euro pro Jahr in Steuervergünstigungen und Förderprogramme zu investieren.

Insgesamt soll der Energiekonsum in Deutschland bis 2030 um 30 Prozent sinken. Der Anteil Erneuerbarer am Gesamtverbrauch soll auf 30 Prozent verdoppelt und die Nutzung von Kohle sowie Erdöl halbiert werden. Hierzu braucht es einen Kohleausstieg und einen Mindestpreis für CO₂, wie er etwa in Großbritannien gilt. So ließe sich laut den Berechnungen das Klimaziel mit der Vorgabe vereinbaren, Stromausfälle zu vermeiden und die Energiekosten von Industrie und Verbrauchern unter zehn Prozent zu halten.

Freilich gäbe es auch andere Strategien: Man könnte mehr Strom regenerativen Quellen dazu nutzen, künstliche Heiz- und Kraftstoffe herzustellen. Das sei aber deutlich teurer, heißt es in der Studie. Oder: Man lässt alles beim Alten, und reißt auch das Klimaziel für 2030. Diese Variante sehen die Autoren indes kritisch. Das sei nicht vereinbar mit der Absicht Deutschlands, sich mit Frankreich als Verfechter des Paris-Abkommens und Gegengewicht zu Donald Trump zu positionieren, sagt Graichen.

Wirklich umstritten dürfte unter Experten kaum eine Empfehlung sein - die Frage ist nur, was davon sich politisch realisieren lässt. Sogar der Industrieverband BDI fordert inzwischen einen CO₂-Preis in den G-20-Staaten, aber nach einer raschen Umsetzung sieht es bislang nicht aus. Und Jan Burck von der Umweltorganisation Germanwatch bestätigt, dass sich im Verkehr dringend etwas tun muss: Noch immer haben private Autos und Motorräder einen Anteil von etwa 80 Prozent am Personenverkehr. "Das ist nicht nachhaltig, auch nicht mit Elektroautos", sagt Burck. "Im Verkehrssektor sind bisher die Emissionen noch gar nicht gesunken, da ist die Debatte in Deutschland ähnlich irrational wie die Diskussion um Waffengesetze in Amerika."

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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