Energiewende:Eine sehr kalte Lösung

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Ökostrom steht häufig nur sehr unregelmäßig zur Verfügung. Britische Forscher setzen nun auf eine mehr als hundert Jahre alte Technologie, um überschüssigen Strom zu speichern - in flüssiger Luft.

Andrea Hoferichter

Wenn Toby Peters über Stromspeicher für die Energiewende spricht, geht es ihm nicht um Batterien oder Pumpspeicherkraftwerke. Der Mitgründer des Londoner Unternehmens Highview Power Storage hat vielmehr Kaltes im Sinn, etwas sehr Kaltes.

Mal weht der Wind, mal lässt eine Flaute die Windräder innehalten. Um eine gleichmäßige Stromabgabe zu gewährleisten, sind Energiespeicher notwendig. (Foto: dapd)

Er arbeitet an einer Speichertechnik, die überschüssigen Ökostrom in flüssiger Luft bunkert; die Temperatur: fast minus 200 Grad Celsius. "In Slough bei London betreiben wir eine Pilotanlage, mit der wir Strom aus einer 100 Megawatt Biogasanlage zwischenspeichern", sagt Peters. "Die Kältespeicher sind praktisch überall einsetzbar und die Kapazität ist durch den Anbau von Tanks leicht zu erweitern."

Die britischen Forscher setzen auf eine mehr als hundert Jahre alte Technologie. Sie nutzen Strom, um Luft zu verflüssigen. Vereinfacht funktioniert das so: Kompressoren drücken die Luft kräftig zusammen. Eine Kühlung verhindert, dass sich das Gas dabei aufheizt. Wird die komprimierte Luft anschließend durch ein Ventil blitzschnell in einen großen Stahlkessel entlassen, kühlt sie sich ab wie Deo aus der Sprühdose.

Wiederholt man diese Abläufe mehrfach, sinkt die Temperatur, bis die Luft flüssig ist. Die flüssige Luft lässt sich so lange in gut isolierten, haushohen Tanks lagern, bis wieder Strom gebraucht wird. Komprimiert auf 70 bar und auf Umgebungstemperatur erwärmt, kann sie dann eine Gasturbine antreiben, die wiederum Strom produziert.

"Der Wirkungsgrad unseres Speichersystems liegt um 50 Prozent", sagt Peters. Das ist zwar besser als der Wirkungsgrad, den der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik VDE in Frankfurt etwa für die Wasserstoffspeicherung angibt, aber eigentlich doch eher bescheiden.

Zum Vergleich: Pumpspeicherkraftwerke arbeiten mit Wirkungsgraden bis 80 Prozent, bei Batterien liegen sie sogar um 90 Prozent. "Heizen wir aber die Luft vor der Gasturbine zum Beispiel durch die Abwärme benachbarter Industriebetriebe zusätzlich auf, können wir Wirkungsgrade von bis zu 70 Prozent erreichen", sagt der Unternehmer. Auf eine solche Effizienz muss auch eine neue Generation von Druckluftspeichern, auf die viele Energieexperten setzen, erst einmal kommen.

"Vom Wirkungsgrad werden die Kältespeicher keinen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen etablierten Technologien haben", sagt Dirk Uwe Sauer, der an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen an Stromspeichern forscht. Und am Wirkungsgrad hängt auch die Wirtschaftlichkeit der Methode. "Ohne eine Kopplung an eine kostenfreie Wärmequelle wird die Rechnung wohl nicht aufgehen", so der RWTH-Wissenschaftler.

Auch dazu wollen die britischen Kältespeicher-Pioniere bald belastbare Zahlen liefern und Ende nächsten Jahres mit dem Bau der nach eigenen Angaben weltweit ersten Kältespeicher-Anlage im industriellen Maßstab beginnen. Sie soll eine elektrische Leistung von dreieinhalb Megawatt und eine Kapazität zwischen 16 und 20 Megawattstunden haben; die baldige Erweiterung ist nicht ausgeschlossen.

© SZ vom 13.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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