Energieverbrauch:Der Hunger des Molochs

Thick Fog Envelops Sydney

Sydney - hier in dickem Nebel zu sehen - schneidet aufgrund seiner ausufernden Bebauung schlecht beim Energieverbrauch ab.

(Foto: Getty Images)

Benzinpreis, Bevölkerungsdichte, Heizbedarf: Forscher erkunden, was den Energieverbrauch von Stadtbewohnern beeinflusst. Planer sollen davon lernen, wie Metropolen energieeffizienter werden.

Von Christopher Schrader

In Sydney dürfte man nicht glücklich sein über das Ergebnis. Die australische Metropole, in der sich viele etwas auf einen umweltbewussten Lebensstil einbilden, ist gerade in einem Vergleich des Energieverbrauchs in der untersten von acht Gruppen gelandet. Und dann haben auch noch die ewigen Konkurrenten in Melbourne deutlich besser abgeschnitten; dort kommen die Bürger mit etwas mehr als der Hälfte der Energie aus. Das schlimmste daran ist vielleicht: Die Stadtregierung Sydneys kann aus eigener Kraft wenig an der Einstufung ändern.

Städte aus aller Welt in ein Raster zu packen, war die Idee eines Forscherteams um Felix Creutzig vom Mercator-Institut in Berlin. Die Wissenschaftler haben gut 220 Städte aller Größenklassen analysiert - von Nestern wie Växjö in Schweden bis zu Metropolen wie São Paulo (PNAS, online). "Es ist der erste repräsentative, globale Vergleich von Klimaschutzmaßnahmen, die Städte auf lokaler Ebene einleiten können", sagt Creutzig. "Das Ziel ist, dass sich Städte in ihre Gruppe einordnen und feststellen, was sie vielleicht ändern könnten."

Bei der Einstufung gingen die Forscher dabei nicht einfach nach dem Energieverbrauch pro Bürger: Da ließe sich das reiche New York ohnehin kaum mit Bangalore in Indien vergleichen und das kühle, kleine Oslo nicht mit dem schwülen, ausufernden Bangkok. Stattdessen haben die Forscher ein Verfahren entwickelt, um die Städte zu sortieren. Zuerst teilten sie sie nach dem Pro-Kopf-Einkommen in zwei Gruppen ein. Bei den ärmeren Städten zeigte sich dann, dass sich die Bevölkerungsdichte als weiteres Sortierungs-Kriterium eignet, gefolgt von einer weiteren Einteilung nach Heizbedarf. So hat Bangalore deswegen einen niedrigen Energieverbrauch, weil es eine dicht bebaute Stadt in einem Schwellenland mit warmem Klima ist.

Die reichere Städtegruppe ließ sich hingegen am besten zuerst nach dem Benzinpreis weiter aufteilen. Erst danach wurde nach Bevölkerungsdichte und Heizbedarf sortiert. Insgesamt erhielten die Forscher so je vier arme und vier reiche Städtegruppen. "Die jeweilige Bedeutung eines Faktors ändert sich mit dem Typ von Stadt", haben Creutzig und seine Kollegen festgestellt. So unterscheiden sich das kompakte Melbourne und das ausufernde Sydney zum Beispiel vor allem in der Bevölkerungsdichte. Daran kann das etablierte Sydney aber kaum mehr ändern, als es die Preise an der Tankstelle beeinflussen kann. Melbourne wiederum wird von Hamburg und Berlin geschlagen, die in einem Land mit hohem Benzinkosten liegen, noch dichter bebaut sind und so sogar ihren deutlich höheren Bedarf an Heizwärme kompensieren.

"Die große Rolle, die der Benzinpreis spielt, ist ein wichtiges Ergebnis", sagt Creutzig. Die Einteilung in Gruppen enthalte Hinweise, wie wachsende Städte effizient bleiben oder effizienter werden. So könnten Länder Weichen stellen, indem sie Kraftstoff verteuern. "Das kann man grundsätzlich so sagen", bestätigt Stefan Lechtenböhmer vom Wuppertal-Institut. "Die USA sind ja das Musterbeispiel, wie Siedlungsstruktur und Benzinpreis zusammenhängen." Aber es müsse sich noch zeigen, ob sich Entwicklung so lenken lasse.

Auf lokaler Ebene könnten Stadtplaner beim Wachstum darauf achten, dass ihre Gemeinde kompakt bleibt. Ein solcher Hinweis ist ohnehin Stand der Diskussion, die in Metropolen wie London, Seattle oder Schanghai geführt wird. Doch gerade in ärmeren Staaten wachsen Städte oft ungelenkt. "Diese Empfehlung scheint mir sehr einseitig am Ziel der Reduzierung von Treibhausgasen ausgerichtet zu sein", sagt Stefan Schneider vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. "Sie vernachlässigen jedoch Wechselwirkungen wie wachsende soziale Probleme bei steigender Dichte." Als Diskussionsbeitrag sei die Kategorisierung aber sehr interessant.

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