Energie:Die ausgeknipste Sonne

Was würde eigentlich mit der Erde und der Zivilisation geschehen, wenn die Sonne kurz ausgeschaltet würde?

Von Alexander Stirn

Nur mal ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn jemand einen Schalter umlegen und einfach die Sonne ausknipsen würde, und sei es nur für kurze Zeit? Wenn es kein Licht mehr gäbe, stattdessen nur noch Dunkelheit. Es wäre keine gute Situation. Sie würde zeigen: Ganz verzichten auf das Helle kann man nicht.

Noch nicht mal die Hausbeleuchtung würde bei einem Ausfall der Sonne funktionieren. Schließlich hat bereits die teilweise Sonnenfinsternis im März 2015 den Stromversorgern Sorgen bereitet. Allein in Deutschland speisen Photovoltaikanlagen an einem durchschnittlichen wolkenlosen Sommertag mehr als 20 Gigawatt elektrischer Leistung ins Netz. Fällt dieser Beitrag schlagartig weg, haben die Stromanbieter ein Problem.

Eigentlich ist das Netz auf Schwankungen eingestellt. Pumpspeicher-Kraftwerke laufen in solchen Fällen an, die Kapazitäten konventioneller Kraftwerke werden gesteigert, Strom wird aus dem Ausland importiert. Wäre die Sonne ganz weg, ließe sich der Ausfall allerdings nicht mehr kompensieren: Nachbarländer hätten das gleiche Problem, allein Deutschland müsste Sonnenstrom ausgleichen, der der Leistung von etwa 20 Kernkraftwerken entspricht.

Auch der globale Energiehaushalt geriete beim Ausfall des Sonnenlichts durcheinander. Normalerweise feuert die Sonne eine Strahlungsleistung von 174 Millionen Gigawatt auf den blauen Planeten ab. Etwa die Hälfte davon kommt am Erdboden an, erwärmt Luft und Boden. Ohne diese Energie würde die durchschnittliche Lufttemperatur nicht bei 15 Grad Celsius liegen, sondern nach und nach auf minus 18 Grad absinken. Selbst bei einer normalen Sonnenfinsternis, bei der die Strahlung nur für einige Minuten ausbleibt, gehen die Temperaturen um bis zu sechs Grad Celsius zurück.

All das spüren auch die Tiere. Sie würden ein Verhalten zeigen, das Forscher auch bei Finsternissen beobachten konnten: Vögel hören schlagartig auf zu singen, Schmetterlinge falten ihre Flügel zusammen, Blumen schließen sich, Mücken und Fledermäuse starten zu ihren Feldzügen. Am härtesten trifft es aber Tiere, die sich am Stand des Zentralgestirns orientieren, zum Beispiel Bienen. Selbst wenn die Sonne nach einer Stunde ihren Warnstreik beenden würde, bliebe das Tierreich noch verwirrt. Und die Ingenieure in den Netzzentralen müssen sicherstellen, dass die plötzlich wieder zur Verfügung stehenden 20 Gigawatt an Photovoltaik-Leistung die ohnehin schon geschwächten Stromnetze nicht komplett ruinieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: