Energie aus Bioabfall:Briketts aus Laub und Küchenresten

Aus Biomüll kann Kohle hergestellt werden. Max-Planck-Forscher arbeiten nun daran, das Verfahren wirtschaftlich zu machen.

Lars Fischer

Markus Antonietti hält nichts von allzu hochtrabenden Plänen. "Wichtig ist zuerst, dass der Bürger auf kommunaler Ebene etwas davon hat." Nur so könne sich die Technik durchsetzen. "Er liefert seine Gartenabfälle ab und bekommt dafür Kohlepellets für seine Heizung.

Laub, dpa

Herbstlaub: Unter hohem Druck und bei circa 200 Grad Celsius wird aus Laub und Biomüll Kohle.

(Foto: Foto: dpa)

Das ist die Idee." Für den Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm bei Potsdam ist Biomüll der Rohstoff der Zukunft - man kippt ihn oben in eine Maschine, es rumpelt ein bisschen und heraus kommen Brennmaterialien, Dünger, Industrierohstoffe und Energie. Und nebenbei schützt man das Klima.

Der Schlüssel dazu ist ein Verfahren namens hydrothermale Carbonisierung (HTC), das Antonietti entwickelt hat. Dabei wird Biomasse zusammen mit einem Katalysator in eine Art Druckkochtopf gesteckt. Ob Laub oder Küchenabfall spielt keine Rolle - das Verfahren schluckt alles. Der Rohstoff wird bei hohem Druck auf Temperaturen zwischen 180 und 200 Grad Celsius erhitzt.

Unter diesen Bedingungen spaltet die organische Materie nach und nach alles ab, was nicht Kohlenstoff ist , also hauptsächlich Wasser. Bei dieser Spaltung wird so viel Energie frei, dass sich die Reaktion nach der Startphase selbst antreibt. Nach etwa sechs Stunden entsteht aus der Biomasse Torf, dann Braunkohle.

Am Ende der Reaktion, nach etwa 16 Stunden, bleibt nahezu reiner Kohlenstoff übrig. "Ich kann Kohle garantieren, die der Mensch in dieser Qualität im Boden nicht findet", sagt Antonietti stolz. Diese Kohle könne man als Brennmaterial verkaufen oder als Rohstoff für Pigmente. Auch der Torf sei von hoher Qualität und kommerziell interessant.

Weg vom Dampfkochtopf

So gut das Verfahren im Prinzip funktioniert - einer wirtschaftlichen Umsetzung im technischen Maßstab hat sich die hydrothermale Carbonisierung bislang widersetzt. Doch daran arbeiten inzwischen mehrere Gruppen. Das größte Hindernis: Der Reaktor muss jedes Mal auf 200 Grad aufgeheizt werden, um nach Abschluss der Reaktion abzukühlen, damit das Produkt entnommen und der Reaktor neu befüllt werden kann. Dieser Zyklus von anfahren und abschalten macht die Reaktion unwirtschaftlich.

"Wir müssen weg vom Prinzip Dampfkochtopf", sagt deshalb Volker Zwing, Geschäftsführer von Carbon Solutions Deutschland. Das Potsdamer Unternehmen hat sich von der Max-Planck-Gesellschaft Lizenzen für das Verfahren gesichert und ist einer von mehreren Wettbewerbern, die aus der Bio-Verkohlung ein Geschäft machen wollen.

Bei Carbon Solutions arbeitet auch Antoniettis ehemaliger Doktorand Arne Stark. Der Verfahrenstechniker ist für die großtechnische Umsetzung der Schnellverkohlung zuständig. Das Kernproblem der hydrothermalen Carbonisierung habe sein Unternehmen überwunden, erklärt er. "Wir haben eine Möglichkeit gefunden, den Prozess auch in kleinem Maßstab kontinuierlich ablaufen zu lassen."

Das sei die Grundvoraussetzung dafür, die hydrothermale Carbonisierung wirtschaftlich zu betreiben. Das Geheimnis, sagt Stark, stecke in der Anlagentechnik. Eine Pilotanlage befinde sich bereits in der Konstruktion und soll 2009 den Betrieb aufnehmen.

Neben der Bio-Kohle soll die Anlage ein weiteres Produkt erzeugen: Wärme. Etwa ein Drittel der in der Biomasse enthaltenen Energie wird bei der Verkohlung frei. Der Prozess läuft deshalb nicht nur ohne äußere Energiezufuhr, sondern gibt zusätzlich große Mengen Wärme ab. "Eigentlich ist die Anlage ein Kraftwerk. Man kann mit der entstehenden Wärme zum Beispiel Häuser in der Nähe heizen", sagt Stark.

Mit ihrem Konzept setzen die Potsdamer bewusst auf kleine Anlagen, die lokal anfallende Biomasse verwerten, sei es der Biomüll einer Kommune oder die Maischeabfälle einer Brauerei. Konkrete Zahlen gibt das Unternehmen nicht preis, nur dass die angepeilte Größenordnung etwa im Bereich der Bioabfälle einer kleinen Kommune liege.

Auf der nächsten Seite: Wie die Anlage zum Klimaschutz beitragen kann.

Briketts aus Laub und Küchenresten

Michael Menner vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung hingegen denkt in größeren Dimensionen. Er möchte den Druckreaktor für die Verkohlung unterirdisch konstruieren, um den hohen Druck und die freiwerdende Energie mittels der umgebenden Gesteinsmasse abzufangen. Der Aufwand lohne sich jedoch nur, wenn große Mengen Biomasse in der Nähe zur Verfügung stehen, sagt Menner.

Ob der Bioabfall einer Großstadt wie Berlin solch eine Anlage auslasten würde? "Dafür würde sogar eine eher kleine Anlage genügen." Nach seiner Einschätzung sind kleinere Anlagen, wie sie auch die Konkurrenten bei Carbon Solutions konstruieren wollen, kaum wirtschaftlich zu betreiben. In einem ist er sich mit den Potsdamern jedoch einig: "Ich bin überzeugt, dass das Verfahren nur wirtschaftlich sein und sich durchsetzen kann, wenn es kontinuierlich abläuft." Derzeit sucht das Fraunhofer-Team Investoren, um sein Konzept in einer Pilotanlage zu erproben.

Der Erfinder Markus Antonietti denkt derweil noch weiter in die Zukunft. Dass sich der Aufwand nicht nur ökonomisch lohnt, sondern auch ökologisch, davon ist er fest überzeugt. Er sieht in der Bio-Kohle eine große Chance für den Klimaschutz.

Eine Kläranlage für die Luft

Bei allen anderen Verfahren der Biomasseverwertung wie Kompostierung oder der Herstellung von Bioethanol gehe ein beträchtlicher Teil des Kohlenstoffes bei der Erzeugung wieder in die Luft. Bei der hydrothermalen Carbonisierung dagegen bleibe er vollständig gebunden, erklärt er.

"Eine derartige Anlage ist praktisch eine Kläranlage für die Luft." Entstehe die Biokohle aus Pflanzen, die vorher Kohlendioxid aufgenommen haben, "dann entfernt sie CO2 aus der Luft". Voraussetzung ist allerdings, dass die Kohle später nicht verbrannt, sondern anders verwendet oder eingelagert wird.

Antonietti denkt schon weiter. "Meine Vision ist, dass solche Anlagen in 20 Jahren neben jeder Kläranlage oder am Wertstoffhof stehen." Jede Gemeinde trüge dann dazu bei, die Treibhausgas-Menge in der Atmosphäre zu regulieren.

Die bei der hydrothermalen Carbonisierung entstehende Kohle sei zum Verbrennen sowieso viel zu schade. Wegen ihrer hohen Reinheit sei sie auch für High-Tech-Anwendungen geeignet. In seinem Institut forscht Antonietti derzeit zum Beispiel an Kohle-Elektroden für Lithium-Ionenakkus.

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