Embryologie:Barcode fürs Erbgut

Ein neues System nutzt das Lieblingswerkzeug der Biomedizin, um das Schicksal von Zellen im Körper zu verfolgen. Mit der Crispr-Methode könnte auch die Entwicklung von Tumoren exakt untersucht werden.

Von Kathrin Zinkant

Es gibt Wunder, die wiederholen sich täglich. Trotzdem verlieren sie nie an Faszination. Die Entwicklung eines Lebewesens mit Haut, Herz und Augen ist so ein Wunder. Denn all das geht aus einer einzigen Zelle hervor, die durch die Befruchtung entsteht - und sich dann teilt. Und teilt. Und teilt. Woher wissen all die Zellen, die so entstehen und im Grunde identisch sind, was sie werden sollen und wo sie hinmüssen?

Um das herauszufinden, versuchen Entwicklungsbiologen, das Schicksal einzelner Zellen im Organismus mithilfe von Markierungen zu verfolgen und sogar aufzuzeichnen. In der aktuellen Ausgabe von Science stellen Forscher von der Harvard University in Cambridge und der University of Washington in Seattle jetzt eine Methode vor, die das sogenannte Gene Editing mit Crispr-Cas9 nutzt. Crispr ist in den vergangenen Jahren zum Synonym für sehr präzise Manipulationen im Erbgut von Zellen geworden. Die junge Methode wird inzwischen in fast allen molekularbiologischen Labors eingesetzt. Jay Shendure und sein Team haben die Genauigkeit von Crispr nun aber erstmals verwendet, um sogenannte Barcodes in Zellen eines Lebewesens zu erstellen. Dazu fügten die Forscher eine Art Blanko-Gen ins Erbgut von Zebrafischembryonen ein, das gezielt von Crispr angesteuert werden kann. Die Gen-Schere verändert diese Sequenz dann nach dem Zufallsprinzip, während sich die Zellen teilen. Mal wird etwas herausgeschnitten, mal etwas eingefügt. Jede Veränderung ergibt so einen Strich auf dem Barcode, die Summe der Striche ein individuelles Muster. Hat der Embryo eine gewisse Größe erreicht, lässt die Aktivität nach, die Barcodes werden nicht mehr verändert, aber weiter an die wachsenden Organe vererbt. Später lässt sich zeigen, aus welchen ursprünglichen markierten Zellen welche Gewebe hervorgegangen sind.

Die Forscher haben am Zebrafisch schon belegt, dass nur ein kleiner Bruchteil der Zellen im Embryo später fast alle Gewebe hervorbringt. Sie glauben, dass sich die Methode auch für die Krebsforschung eignet. So könnten die Barcodes klären, welche Zellen für das Wachstum des Tumors verantwortlich sind. "Die Arbeit zeigt sehr schön, dass das Prinzip funktioniert", sagt der Biomediziner Dirk Heckl von der Medizinischen Hochschule Hannover. "Mit Crispr kann man wunderbare Barcodes erstellen." Es gebe aber andere, etablierte Verfahren, die Ähnliches leisten. "Als Nächstes müssen die Forscher zeigen, worin der Vorteil des Systems mit Crispr gegenüber den bekannten Methoden liegt", sagt Heckl

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