Elektronische Personenortung:Von Satelliten verfolgt

Im Ausland werden manche Straftäter über eine elektronische Fußfessel kontrolliert. Doch kann man ähnliche Systeme auch bei Demenzkranken anwenden - oder ist das unmenschlich?

Martina Scheffler

Die Bewohnerin des Altenheims St. Josef in Oldenburg war vor dem Abendessen mit ihrem Elektroroller ausgebüxt. Doch im Wald kippte das Gefährt um, die hilflose, demente Frau konnte sich nicht mehr bewegen. Suchtrupps kamen zu spät, die Frau starb.

ddp

Auch eine Möglichkeit, um Demenzkranke zu orten? Im europäischen Ausland tragen Straftäter bisweilen Fußfesseln - und dürfen deshalb zu Hause ihre Strafe absitzen.

(Foto: Foto: ddp)

Für Heinz Wingbermühle, den Verwaltungsleiter des Heims, gab der Vorfall den Ausschlag: Er schaffte ein elektronisches Personenortungssystem an.

Immer mehr alte Menschen in Deutschland erkranken an Demenz, viele von ihnen haben eine sogenannte Weglauftendenz und sind in Sekundenschnelle verschwunden. Mit Elektronik und Satelliten ließen sie sich problemlos orten, vorausgesetzt sie tragen einen Sender bei sich, den man je nach Standpunkt als elektronische Leine oder Schutzengel bezeichnen kann.

Heimleiter Wingbermühle zumindest ist angetan: "Für demente Bewohner eines offenen, integrativen Heims ist so ein System sinnvoll. Das Ortungssystem ist gegenüber dem Einschließen die weichere Variante."

Zumindest die Technik ist ausgereift. Moderne Geräte strahlen regelmäßige GPS-Signale ab, die über ein Online-Portal übermittelt werden, so dass die Betreuer am Monitor den Standort etwa eines Heimbewohners auf fünf bis zehn Meter genau bestimmen können.

Auch virtuelle Zäune lassen sich errichten: Verlässt die Person den festgelegten Bereich, meldet sich ein Alarm. Zudem können verirrte Personen selbst über eine Taste Notrufe an eine zuvor festgelegte Nummer absetzen.

Angst vor dem gläsernen Menschen

Probleme gibt es noch am ehesten in Gebäuden, wo der GPS-Empfang schwierig wird. Experten wünschen sich daher eine Kombination mit dem Handystandard GSM, so dass die Ortung auch über Funkzellen erfolgen könnte.

Ansonsten seien seine Kunden mit der Technik weitgehend zufrieden, sagt Diplom-Ingenieur Guido Peters, der in Hamburg ein Geschäft für Navigationssysteme führt: "Das ist alles gut nachvollziehbar." Zwar fehle es noch an Nachfrage, "aber es kommt Bewegung in den Markt".

Schwieriger ist die Frage nach der ethischen Bewertung des elektronischen Ortungssystems. "Es gibt eine tiefsitzende Angst vor Big Brother, vor dem gläsernen Menschen, gerade in unserer Kultur.

Da ist die Furcht, die eigene Autonomie zu verlieren", sagt Hans-Werner Wahl vom Psychologischen Institut der Universität Heidelberg und Leiter der Abteilung für Psychologische Alternsforschung. Er untersucht unter anderem den Einsatz von Technik bei Alzheimererkrankungen und weiß: "Viele Pfleger denken, zur guten Pflege gehört doch keine elektronische Fußfessel."

Dennoch plädiert Hans-Werner Wahl für den Einsatz der Systeme, vorausgesetzt alle Beteiligten werden vernünftig einbezogen. "Das ist alles eine Sache der guten Vorbereitung mit Pflegern und Angehörigen." Wenn Betroffene erst einmal verschwunden seien, gehe es nun mal wesentlich um Schnelligkeit, und da seien die GPS-basierten Systeme effektiver als die Polizei.

Wahl glaubt außerdem an eine Förderung der Lebensqualität: Dank elektronischer Überwachung könnte man schon im Vorfeld bei Erkrankten vielleicht häufiger auf das Fixieren verzichten.

Gefühl der Freiheit

Hingegen plädiert Ulrike Knebel vom Vorstand der Deutschen Alzheimer Gesellschaft gegen den Einsatz von Personenortungssystemen. Dabei kennt die Pfarrerin aus Dortmund die verzweifelte Suche nach vermissten Angehörigen aus eigener Anschauung.

Knebel beruft sich darauf, dass viele Menschen, die nach dem Weglaufen von der Polizei wieder gefunden würden, von einer schönen Erfahrung berichten - manche hätten sogar ein Gefühl der Freiheit.

Personenortungssysteme, meint Knebel, dienten mehr der Beruhigung der Angehörigen, verstießen aber gegen die Menschenwürde. "Der Standort der Menschen muss dann ja auch regelmäßig überprüft werden", sagt Knebel. Und wenn einer seinen festgelegten Bereich verlassen habe, müsse der Pfleger hinterhergehen.

Das könne doch gar nicht kontinuierlich geleistet werden. Eine bessere Alternative für Knebel: "Man müsste Gärten eben so bauen, dass die Leute nicht rauskönnen." Und wenn sie doch entwischen? "Freiheit ist auch die Freiheit, weglaufen zu können", sagt die Pfarrerin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: