Eis-Rückgang am Nordpol:Warmes Wasser on the rocks

Das Eis der Arktis im Juli drastisch geschmolzen

Die Eisfläche der Arktis schrumpft in jedem Sommer unterschiedlich stark.

(Foto: Helfried Weyer/dpa)

Ist doch nicht die Erderwärmung schuld? Eine Studie führt den Eis-Rückgang am Nordpol hauptsächlich auf schwankende Strömungen zurück. Doch den Forscher sind womöglich schwere Fehler unterlaufen.

Von Christopher Schrader

Die Wissenschaft tut sich schwer nachzuvollziehen, welchen Mustern das Meereis in der Arktis folgt. Sowohl die langsame globale Erwärmung als auch starke natürliche Schwankungen des Regionalklimas bestimmen die Ausdehnung der von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Packeisfläche. Bisher galten beide als ähnlich wichtig. Eine neue Studie spricht nun der natürlichen Variation einen größeren, womöglich gar beherrschenden Einfluss zu. Dann wäre es kein Zeichen des Klimawandel, würde wieder einmal weniger Eis als je zuvor beobachtet. Die Studie ist indes umstritten.

Mitte September, am Ende der Schmelzsaison, erreicht die Eisfläche in der Arktis jeweils ihre geringste Ausdehnung. In den Jahren 2007 und 2012 wurden Negativrekorde gemeldet, aber dazwischen und danach registrierten die Satelliten deutlich mehr Eis. Durch die Jahre 2007 bis 2014 mit den beiden Rekorden könnte man deshalb eine fast flache Trendlinie legen, so, als habe sich in dieser Zeit eigentlich überhaupt nichts getan.

Über die langfristige Entwicklung sagt so etwas aber wenig aus. Im Januar warnten Forscher um Neil Swart von Kanadischen Zentrum für Klimamodellierung daher davor, Trends von kurzen Zeiträumen zu ernst zu nehmen. Aber sie zeigten auch, dass natürliche Variationen in der Arktis den Effekt der globalen Erwärmung maskieren oder verstärken können.

Studie: natürliche Prozesse sind für Eis-Rückgang verantwortlich

Eine solche Verstärkung ist nun das Thema der aktuellen Studie. Rong Zhang von der US-Behörde für Atmosphäre und Ozeane (Noaa) führt den negativen Trend über die vergangenen 35 Jahre zum Großteil auf drei natürliche Prozesse zurück: den Einstrom von warmem Wasser von der Pazifik- sowie der Atlantikseite ins Polarmeer und Luftdruckschwankungen zwischen der sibirischen und grönländischen Seite. Die Wärme vom Pazifik sei für 44 Prozent des Abschmelzens verantwortlich, so die Autorin, die beiden anderen zusammen für 49 Prozent. Diese Anteile lassen sich nicht einfach addieren, weil die Prozesse sich gegenseitig beeinflussen, aber ihr gemeinsamer Einfluss dürfte weit über der Hälfte liegen (PNAS, online).

Zhangs Zahlen werden allerdings stark kritisiert. Erstens hat sie sich nur auf ein Klimamodell gestützt, um die Zusammenhänge zwischen den drei Prozessen und der Ausdehnung des Eises über lange Zeiträume zu verstehen. Die Simulations-Software aus ihrem Institut habe die Vorgänge in der Arktis nicht richtig im Griff, sagt Frank Kauker vom Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung in Bremerhaven.

Zweitens setzt Zhang voraus, dass aus dem Nordatlantik immer mehr warmes Wasser ins Polarmeer fließt. Nach anderen Daten aber hat die warme Strömung keineswegs stets zugenommen, sondern sich von 1975 bis 1990 stark abgeschwächt, ist danach angeschwollen und zeigt seit zehn Jahren keinen Trend. "Das passt nicht", sagt Kauker. Weil es auch bei anderen Zahlen und Prozessen Fragezeichen gibt, schließt er: "Ich kann mir gar nicht erklären, wie das Paper so durch den Review-Prozess gegangen ist."

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