Einheimische Insekten:Stichproben für den Mückenatlas

Forscher arbeiten an einer Art Zensus der einheimischen Mücken. Die Bundesbürger sind aufgefordert, die Insekten schonend einzufangen, einzufrieren und den Wissenschaftlern zu schicken. Über den Sinn einer Aktion, die jedem Instinkt widerspricht.

Katrin Blawat

Die wichtigste Regel für Mückenfänger widerspricht der Intuition: Bloß nicht zuschlagen! Um den fragilen Insektenkörper nicht zu zerstören, berührt man ihn am besten überhaupt nicht, sondern fängt das Tier in einem kleinen Gefäß ein. Und friert es dann lebendig ein.

Stechmücke: Was hilft?

Jetzt bloß Ruhe bewahren: Wissenschafter möchten, dass man dieses Tier mit großer Sorgfalt behandelt - bevor man es dann doch umbringt.

(Foto: BNI)

Mehr als 350 derart konservierter Stechmücken sind in den vergangenen drei Monaten bei Doreen Werner im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung im brandenburgischen Müncheberg eingetroffen.

Die Insektenkundlerin arbeitet mit an einem deutschlandweiten Projekt, das vom Berliner Robert-Koch-Institut und dem Landwirtschaftsministerium finanziert wird. Erstmals wollen Forscher flächendeckend erfassen, welche Stechmücken-Arten wo und wie häufig in Deutschland leben. Bisherige Untersuchungen sind entweder veraltet oder beschränkten sich nur auf kleine Gebiete, vor allem in Baden-Württemberg.

"Bislang haben wir insgesamt rund 500 Einsendungen bekommen", sagt Werner. Darunter befanden sich allerdings in 150 Fällen Tiere, für die sich die Forscher im Moment nicht interessieren. Zuckmücken etwa, die den blutsaugenden Insekten zum Verwechseln ähneln - abgesehen vom fehlenden Rüssel. "Es ist normal, dass sich Laien schwertun, die Mücken zu unterscheiden", sagt Werner. Auch sie benötigt dafür außer ihrem geübten Auge ein Mikroskop - und für manche Arten die Projektpartner am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems. Wo ein Mikroskop nicht ausreicht, helfen deren molekularbiologische Untersuchungen.

Die Forscher dokumentieren jeden Fund auf www.mueckenatlas.de. Von 49 Stechmücken-Arten, die in Deutschland offiziell nachgewiesen sind, haben die Wissenschaftler unter den Einsendungen bislang 17 identifiziert. Am häufigsten vertreten ist Culex pipiens, die Gemeine Stechmücke. Sie hat sich in ganz Deutschland perfekt an ein Leben in der Nähe von Wohnhäusern angepasst.

Andere Stechmücken sind hingegen spezialisierter in der Wahl ihres Lebensraumes. Zum Beispiel brauchen die Larven mancher Spezies salzhaltiges Brackwasser und finden sich daher nur im Norden Deutschlands. Andere Arten fühlen sich ausschließlich in wärmeren Regionen im Süden des Landes wohl.

Um derartige Vorlieben im Detail zu untersuchen, setzen die Forscher außer auf die Hilfe von Laien auch auf Fallen. Sie enthalten einen Lockstoff sowie Kohlendioxid, das menschliche Atemluft simulieren soll. Folgen die Insekten dem Duft, hindert sie ein kleiner Ventilator in der Falle an der Flucht. Später endet auch das Leben dieser Insekten im Gefrierschrank.

Derzeit stehen 100 Fallen über Deutschland verteilt, weitere 80 sollen folgen. "Das ist noch nicht wirklich viel, aber immerhin ein Anfang", sagt der Forscher Helge Kampen vom FLI. Stichprobenartig sucht das Institut in den Stechmücken auch nach Krankheitserregern. Denn der Mückenatlas soll auch zeigen, wie und in welchen Regionen etwa Sindbis-, Batai- und Usutuviren verbreitet sind.

Für Mückenfänger bedeutet dies, dass sie noch mindestens zwei Jahre lang ihre Beute einschicken können. Um welche Art es sich dabei jeweils gehandelt hat, erfahren die Mückenfänger später persönlich von den Forschern.

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