Ehec in Hamburg: "Der Galgenhumor ist mir vergangen"

Jeden Tag infizieren sich Hamburger mit dem Ehec-Bakterium, die Krankenhäuser sind überlastet. Sieben Hamburger berichten über die Angst vor dem Erreger, wie sie sich schützen und wie Ehec den Alltag in der Stadt verändert hat.

Sophie, 21 Jahre, Jura-Studentin:

French farmers dump unsold cucumbers in Carquefou, western France

Massenhaft Gurken: Viele Hamburger verzichten derzeit auf Gemüse.

(Foto: REUTERS)

"In den Hamburger Supermärkten hängen überall Hinweistafeln zu Ehec aus: Da wird natürlich behauptet, das Obst und Gemüse sei nicht aus Norddeutschland und es bestehe keine Gefahr. Ich verzichte trotzdem fast komplett auf Gemüse, also vor allem auf Salat, Gurken und Tomaten. Auch bei Obst bin ich vorsichtig geworden, weil die Mutter einer Freundin meinte, dass das auch nicht ganz ungefährlich sei. Ich habe zwar noch Bananen zu Hause, werde die aber wegschmeißen. Ganz konsequent bin ich aber nicht: Am Wochenende habe ich zum Beispiel einen Cocktail getrunken. Und Auberginen habe ich mir auch gekauft: Die kann man im Backofen hoch erhitzen und überbacken.

In meinem direkten Freundeskreis hat sich noch niemand infiziert, aber trotzdem sind alle vorsichtig. Ein Freundin von mir trägt immer ein Desinfektionsspray mit sich herum und reinigt sich mehrmals am Tag damit die Hände. Ich denke, die Verunsicherung kommt auch daher, weil man so schlecht informiert wird. Was mache ich zum Beispiel, wenn ich mich angesteckt habe? An wen wende ich mich? Ist das mein Todesurteil?

Die Freundin eines Freundes hatte Ehec: Sie war zwar im Krankenhaus, ihr ging es aber nicht so schlecht wie anderen und sie durfte bald wieder nach Hause. Aber was ist bei denjenigen, die auf der Intensivstation liegen, anders? Darüber erfährt man nichts."

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Christina Plümpe, 27 Jahre, Doktorandin am Institut für Germanistik:

"Mein Alltag hat sich durch die Ehec-Krise nicht stark verändert. Ich esse keinen Salat mehr und Gemüse nur noch gekocht, aber ich habe mir kein Desinfektionsmittel zugelegt, wie manche meiner Bekannten. Ich habe es auch nicht vor. Allerdings muss ich derzeit mehr arbeiten, weil eine meiner Kolleginnen mit Ehec im Krankenhaus liegt. Im Büro ist die Anspannung schon spürbar. Das Thema ist ständig präsent, man redet darüber und fast jeder kennt jemanden, der betroffen ist. Im Supermarkt gibt es keinen abgepackten Salat mehr, oder die Salatköpfe sind preislich stark reduziert. Und in der Bäckerei nebenan gibt es keine Salat- oder Gurkengarnierungen mehr. Eine Schnitzelsemmel ist einfach eine Schnitzelsemmel. Manche meiner männlichen Kollegen freut das sehr."

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Nicola Gadow, 30 Jahre, Angestellte im Verlagswesen:

"Anfangs dachten wir: Es wird schon bald wieder vorbeigehen. Doch inzwischen befürchte ich, dass es vielleicht Monate dauern wird, bis man weiß, woher der Erreger kommt. Angst habe ich nicht, aber es ist schon ein komisches Gefühl. Ich esse kein Obst und keine Rohkost mehr. Bei dem Bäcker, bei dem ich mir mittags immer etwas zu Essen hole, sehen die Brötchen ganz traurig aus. Erst gab es keine Tomaten und Gurken mehr, dafür ganz viele Sprossen. Inzwischen liegen nur noch eine Essiggurke und ein bisschen Rucola drauf.

Der Stadt merkt man nichts an, doch wenn man mit den Leuten redet, gibt es kein anderes Thema. Persönlich kenne ich niemanden, der Ehec hat. Aber über ein paar Ecken hört man schon von Erkrankten: ein Kumpel meines Bruders oder die Mutter einer Kollegin zum Beispiel. Beide haben es allerdings gut überstanden. Und immer, wenn mir kurz nicht gut ist, denke ich: Oh Gott, jetzt geht es los."

"Mit der Zeit nervt es immer mehr"

Dominik Lechler, 21 Jahre, freier Journalist:

"Der Betriebsarzt schickt Rund-Mails, die zu Vorsicht mahnen, und um die Salatbar in der Kantine machen die meisten einen großen Bogen. Sämtliche Supermärkte versichern ihren Kunden mit großen Plakaten, dass Gurken aus Spanien aus dem Sortiment entfernt worden seien. Der Galgenhumor, den Familie und Freunde im Rest Deutschlands beim Thema Ehec vorschieben, ist mir inzwischen vergangen. Das Bakterium ist Gesprächsthema Nummer eins unter meinen Freunden und Arbeitskollegen und viele kennen jemanden, der in Behandlung war oder sogar im Krankenhaus liegt. Das einzig Erfreuliche: Endlich kann ich bedenkenlos ungesund essen, schließlich kann ich bei Currywurst mit Pommes nichts falsch machen."

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Lena, 23 Jahre, Schifffahrtskauffrau aus Hamburg:

"In meinem Freundeskreis ist bisher noch niemand so richtig in Panik geraten. Natürlich wird über Ehec diskutiert, schließlich ist es ein sehr aktuelles Thema, aber es geschieht in Maßen. Die täglichen Meldungen über neue Erkenntnisse, die wenige Stunden später schon wieder revidiert werden, nerven ein bisschen. Ich finde es wichtig, dass die Medien uns informieren, aber so langsam ist das alles sehr verwirrend.

Ich habe zwar nicht direkt Angst mich anzustecken, provozieren will ich es aber auch nicht. Daher vermeide ich es weitestgehend, Salat zu kaufen. Als ich neulich im Restaurant war, gab es einen Salat als Beilage - den habe ich auch gegessen. Im Sommer hat man eben auch einfach das Bedürfnis etwas Frisches zu essen und es stört mich schon sehr, dass ich mich jetzt so einschränken muss. Frisches Gemüse ist für mich Teil einer gesunden Ernährung, auf Dauer will ich darauf nicht verzichten.

Manchmal denke ich, es ist einfach Schicksal, ob man sich ansteckt oder nicht."

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Christian Schulz, 33 Jahre, Gitarrist:

"Ein Freund von mir hatte mit den Symptomen einer Ehec-Infektion zu kämpfen. Zum Glück nahm die Krankheit bei ihm keinen schweren Verlauf, es geht im mittlerweile wieder gut. Ich bin dadurch aber vorsichtig geworden und esse keine Rohkost mehr. Außerdem gehe ich ungern in Restaurants und koche lieber selbst. Mit der Zeit nervt es immer mehr. Ich würde gerne wieder zu meinem gewohnten Speiseplan zurückkehren."

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Julia Fischer, 29, Fotografin, schwanger im achten Monat:

"Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich niemanden, der von Ehec betroffen ist, aber natürlich macht man sich so seine Gedanken. Seit gestern hat die Salatbar in unserer Kantine geschlossen und die Kollegen bringen kein Obst mehr mit ins Büro. Auch im Supermarkt bleibt das Obst und Gemüse in diesen Tagen liegen. Ständig hört man neue Meldungen, dass ein Bauernhof in Niedersachen oder Sprossen aus Uelzen der Auslöser sein sollen, das macht einen schon nachdenklich, weil man spürt, dass das irgendwie hier aus der Region kommt."

Protokolle: Julia Berger, Johanna Bruckner, Daniel Hofer, Maria Holzmüller, Gina Metzler, Jasmin Off, Lisa Sonnabend

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