Ehec-Epidemie:Verwirrung um die Trinkwasser-Sicherheit

Das Umweltbundesamt schließt eine Gefahr für das Trinkwasser durch den aggressiven Ehec-Keim aus und warnt vor Panikmache. Doch einige Experten empfehlen, dass zumindest kleine Wasserversorger häufiger auf die Bakterien testen sollten.

Markus C. Schulte von Drach

"Die Gefahr durch eine mikrobiologische Belastung des Trinkwassers wurde bisher absolut unterschätzt." Diese Feststellung, mit der der Spiegel Martin Exner, Direktor des Hygiene-Instituts der Uni-Klinik Bonn, im Zusammenhang mit der Ausbreitung gefährlicher Ehec-Bakterien zitiert hat, hat im Umweltbundesamt für Unmut gesorgt.

An overview shows the purification plant of Ober-Erlenbach where EHEC bacteria were found on the outskirts of Frankfurt

Die Kläranlage Ober-Erlenbach. Im Erlenbach bei Frankfurt wurden Ehec-Bakterien entdeckt.

(Foto: REUTERS)

"So mancher Experte wäre gut beraten, von unbedachten Katastrophenmeldungen abzusehen", kritisierte Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), die "unbegründete Panikmache". Schließlich habe die Trinkwasserkommission beim UBA bereits am 22. Juni festgestellt, dass von dem besonders aggressiven Ehec-Stamm keine Gefahr für das Trinkwasser ausgehe.

"Dazu müsste ein Brunnen in einer Gegend mit vielen Erkrankten direkt mit Abwasser in Kontakt stehen", heißt es beim UBA. Angesichts der abebbenden Erkrankungswelle sei dies nicht zu erwarten. Fazit des UBA: "Für Trinkwasser kann eine Gefahr durch den Ehec-Ausbruchsstamm ausgeschlossen werden."

Irritierend ist allerdings die Tatsache, dass Martin Exner ausgerechnet Vorsitzender genau jener Trinkwasserkommission ist, auf die Flasbarth sich bezieht. Und zusammen mit den Experten Helge Karch und Werner Mathys vom Institut für Hygiene der Uni-Klinik Münster hatte Exner bereits am 2. Juni eine Empfehlung für Behörden, Wasserversorger und -produzenten verfasst. Dort heißt es, "Wasser als Trinkwasser, Mineralwasser oder abgepacktes Wasser ist ebenso derzeit als Infektionsvehikel nicht völlig auszuschließen."

Aus der Vergangenheit sind den Fachleuten Ehec-Ausbrüche über Trink- und Badewasser gut bekannt. Zwar stellten sie Anfang Juni fest: "Trinkwasser als ursächliches Infektionsvehikel für den derzeitig in Deutschland sich ausbreitenden HUSEC041 (O104:H4)" ist bislang nicht evident und eher unwahrscheinlich; dennoch sollte, solange die verursachende Quelle nicht gefunden ist, auch Trinkwasser, insbesondere bei kleineren, nur in größeren Zeitabständen überwachten Wasserversorgungsanlagen, mit in die Überwachung einbezogen und engmaschig kontrolliert werden." Das gleiche empfehlen die Mediziner für Mineralwässer und abgepackte Wässer.

Panik allerdings hatte Exner genauso wenig verursachen wollen wie seine Kollegen in Münster. Schließlich gebe es gegenwärtig keinen einzigen Hinweis darauf, dass Trinkwasser mit Ehec-Bakterien belastet ist, wie Werner Mathys sueddeutsche.de erklärte. Ihnen gehe es vielmehr um Vorbeugung und die Schaffung eines Risikobewusstseins.

"Im Moment sollte man alles tun, um die Sicherheit zu erhöhen", so Mathys. Betroffen ist davon allerdings weniger die kommunale Trinkwasserversorgung. Dort ist die Sicherheit bereits sehr hoch, da das Wasser mehrmals täglich mikrobiologisch untersucht wird.

Anders sieht es allerdings bei den kleinen Versorgern aus, über die nur ein Dorf oder einige Familien Wasser beziehen, sowie bei privaten Brunnenbesitzern. Da werde das Wasser "nur bis zu vier Mal beziehungsweise bei privaten nur einmal pro Jahr" untersucht, erklärte Exner dem WDR.

Das hängt einerseits damit zusammen, dass für Versorger mit weniger als 5000 angeschlossenen Haushalten weniger strenge Regeln gelten. Davon sind der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge in Deutschland immerhin etwa 20 Prozent der Bevölkerung - ungefähr 16 Millionen Menschen - betroffen. Außerdem nutzen weitere 700.000 Deutsche private oder Dorfbrunnen. Angesichts der Unsicherheiten über die Quelle und Übertragungswege der aggressiven Ehec-Bakterien müssten die Sicherheitsstandards jetzt höher gelegt werden, schlagen die Experten vor.

Im Umweltbundesamt ist man sich zwar bewusst, dass "in sehr kleinen öffentlichen Wasserwerken und in bestimmten Gegenden mit Hausbrunnen in der Vergangenheit zeitweilig E.coli gefunden wurden". Allerdings handelte es sich dabei "oft um harmlose Darmbewohner". Im Trinkwasser, so erklärt die Behörde, zeigen sie immerhin an, "dass möglicherweise Krankheitserreger vorkommen. Deshalb ist eine Verbesserung der Überwachung in diesem Bereich mittelfristig notwendig."

Das aber genügt Exner, Mathys und Karch offenbar nicht. Gerade solange die ursprüngliche Infektionsquelle noch nicht gefunden ist, wären häufigere Kontrollen notwendig. Und "wo bislang unsichere Verhältnisse bestanden, sollte durch Aufbereitungsverfahren sichergestellt werden, dass immer ein einwandfreies Wasser vorhanden ist", forderte Exner im WDR.

Wer sich nun selbst Sorgen macht, kann sich bei seiner Gemeinde informieren, woher das Wasser stammt, das er konsumiert. Kommt es von einem der kleineren Versorger, so sollte man fragen, wie häufig auf die Krankheitserreger getestet wird, ob es Risikoanalysen des Wassereinzugsgebietes gibt. Und wo zu selten getestet wird, hilft vielleicht der öffentliche Druck.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sind seit Anfang Mai insgesamt 3801 Personen bundesweit an Ehec oder HUS erkrankt. 43 Personen sind gestorben. Die Zahl der Todesfälle ist seit Donnerstag nicht mehr gestiegen.

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