Ebola:Die Heimsuchung aus dem Busch

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Im Westen Ugandas wütet das tödliche Ebola-Fieber - nun hat es auch in der Hauptstadt Kampala ein Opfer gegeben.

Arne Perras

Mulago Hospital, im Herzen Kampalas: An gewöhnlichen Tagen drängen sich hier die Patienten auf allen Gängen, aber an diesem Mittwochvormittag sind nur wenige Menschen zu sehen. Sogar die jungen Ärzte sind davongelaufen, als sie erfuhren, dass hier am Wochenende ein Mann aus dem Distrikt Bundibugyo eingeliefert worden war. Seine Diagnose lautete Ebola.

Nicht, dass die tödliche Viruserkrankung schon auf Menschen in der Hauptstadt übergesprungen wäre. Eine solches Szenario mögen sich die Mediziner in Kampala gar nicht erst vorstellen. Der Patient kam aus dem Westen Ugandas, nicht weit von der kongolesischen Grenze. Dort wütet das tödliche Virus nun schon seit Ende August.

Dass es sich bei der Krankheit um Ebola handelt, wissen die Ugander aber erst seit einigen Tagen. So lange dauerte es offenbar, bis ein amerikanisches Labor in Atlanta das Virus zweifelsfrei identifizierte. 22 Menschen sind bislang gestorben, 101 Infizierte haben die Behörden registriert. Und es sieht so aus, als würde sich die Krankheit weiter ausbreiten.

Neben dem Hauptgebäude der Klinik in Kampala stehen einige weiße Zelte, davor sitzen Pfleger mit Gummistiefeln und Schutzkleidung auf den Bänken. Das ist die Isolierstation, und dort versorgten sie bis vor kurzem den erkranken Arzt Yonah Kule, der zuvor im Ebola-Gebiet gearbeitet hatte.

Viel konnten sie für ihren Kollegen nicht mehr tun, es gibt keine Medikamente, um die Krankheit zu stoppen. Und das Risiko, daran zu sterben, liegt zwischen 50 und 90 Prozent - je nachdem, um welche Variante es sich handelt. In der Nacht zum Mittwoch starb der Mann an inneren Blutungen und Nierenversagen. Dass die jungen Ärzte aus Mulago alle fortliefen, lag daran, dass sie keine Schutzkleidung hatten.

Doktor Kule hatte im Westen Ugandas Ebola-Patienten versorgt, bevor er sich auf den Weg nach Kampala machte. Als er die Reise antrat, wusste er vermutlich nicht, dass er sich infiziert hatte.

Infektion durch dreckiges Geld?

Jürgen Freers, Professor für innere Medizin an der Makarere Universität, macht sich Sorgen. Was passiert, wenn ein Virus wie Ebola irgendwann die Slums erreicht? Manche Mediziner halten dies für unwahrscheinlich, aber kann man es ausschließen? "Wenn es so käme, wäre das vermutlich eine Katastrophe", sagt der deutsche Mediziner, der seit mehr als 20 Jahren in Uganda arbeitet und forscht. In den Elendsvierteln leben die Menschen dicht gedrängt, Hütte an Hütte. Und die hygienischen Bedingungen sind miserabel.

Ebola ist ein Killer, der einen menschlichen Körper in kürzester Zeit zerstören kann. Er zählt, wie Lassa und Marburg, zu den hämorrhagischen Fiebern. Die Patienten kämpfen mit schweren inneren Blutungen und viele sterben schließlich an multiplem Organversagen. Eine Therapie gibt es nicht, und auch keine Impfung.

Das Virus aus dem Busch gibt viele Rätsel auf: "Zum Beispiel weiß man noch gar nicht, wie die Ansteckung genau verläuft", sagt Freers. Sicherlich, wer Körperflüssigkeiten austauscht, hat ein hohes Infektionsrisiko, auch direkter Körperkontakt reicht offenbar schon aus. Ansonsten würden sich nicht so häufig Angehörige und Schwestern infizieren, die Tote waschen oder für die Beerdigung zurechtmachen.

"Aber wie ist das etwa mit Geld, das von Hand zu Hand weitergereicht wird?", fragt sich Freers. Wie schmierig muss ein Geldschein sein, um das Virus zu übertragen? Eine sichere Antwort darauf scheint es nicht zu geben, auch wenn einige Tropenmediziner diesen Infektionsweg für unwahrscheinlich halten.

Und wo liegt eigentlich das "natürliche Reservoir" des Virus? So nennen die Forscher den Ort oder die Tierart, wo der Erreger überdauert. Von dort kann das Virus dann auf andere Tiere oder den Menschen weiterspringen. Neuere Forschungen stützen inzwischen die These, dass afrikanische Flughunde als "natürliches Reservoir" von Ebola dienen. Doch mit letzter Sicherheit weiß man auch das nicht.

Nur soviel ist klar: Wenn sich Affen oder Menschen mit Ebola infizieren, werden sie sehr schwer krank und die meisten sterben auf grauenhafte Weise. Ebola gilt heute als der größte Killer unter den Flachlandgorillas im Kongo, das Virus tötet mehr Tiere als die Fallen und Waffen der Jäger und Wilderer.

Es ist aber nicht allein das Ebola-Virus, das Uganda in diesen Tagen heimsucht: Im Distrikt Kitgum kämpfen Ärzte gegen das Gelbfieber, im Gebiet West Nile ist wieder die Pest ausgebrochen, dazu steigt die Zahl der Meningitis-Fälle. In der Gegend von Hoima versuchen Mediziner, die Cholera einzudämmen. Hinzu kommt eine hohe Aidsrate und die überall verbreitete Malaria, die das ganze Jahr über auftritt und vor allem Kinder tötet.

Ein Land wie Uganda bietet für Erreger aller Art ideale Bedingungen, es ist feucht und warm, und die hygienischen Bedingungen sind häufig schlecht. Dass nun mehrere Epidemien gleichzeitig auftreten, belastet das dürftige Gesundheitssystem besonders schwer.

Über die Zustände an der kongolesischen Grenze berichtet der Chef der Ebola Task Force: "Wohin ich auch komme, überall herrscht größte Angst", erzählt Samuel Kazinga. Aber inzwischen hätten sich wenigstens einige Experten in das Gebiet aufgemacht, die Ärzte ohne Grenzen haben Schutzanzüge für die Klinikärzte und Schwestern geliefert. Das richtet das Krankenhauspersonal wieder ein wenig auf. Viele Helfer waren zuvor aus den Kliniken geflüchtet, weil sie ohne Schutzkleidung zurecht eine Ansteckung fürchteten. In den Ortschaften weigern sich manche Menschen, noch Geldscheine in die Hand zu nehmen.

Wer verdächtige Symptome wie Fieber und Blutungen bemerke, der solle auf keinen Fall mehr Sex haben, warnt Gesundheitskommissar Sam Zaramba die Menschen im Ebola-Gebiet. Und den Vorsitzenden des Distrikts, Jackson Bambalira, treiben düstere Gedanken um: "Ich habe Angst davor, dass eine größere Ebola-Bombe explodieren könnte, die noch viel mehr Menschenleben fordern wird".

Patient Yonah Kule, der in Kampala starb, wurde - gegen alle Regeln - wieder nach Hause transportiert und am Donnerstag, zusammen mit zwei anderen Medizinern, auf dem Grundstück des Hospitals in Bundibugyo zu Grabe getragen. "Wir wollen sie in Ehren halten, denn diese Leute sind für uns wahre Helden", sagt Kazinga. Bislang war es noch immer so, dass viele Ärzte und Schwestern bei einem Ebola-Ausbruch starben, weil sie oft den engsten Kontakt zu den Patienten haben.

Mit der plötzlichen Flucht von Klinikpersonal kennt sich auch Professor Freers gut aus. Er denkt manchmal zurück an die dramatischen Stunden im Jahr 2000, als Ebola den Norden Ugandas heimsuchte. Damals tauchte plötzlich in Kampala ein Patient aus dem Norden auf. Er blutete aus dem Mund.

Und wie der Blitz waren plötzlich alle Kollegen um Freers herum verschwunden, die Schwestern und Ärzte. Nur er war noch da, aber er war ja auch der Chef. Da kann man nicht einfach weglaufen. "Angst hatte ich schon", gesteht der Arzt. Schließlich nahm er allen Mut zusammen und blieb. "Was ist los", fragte er schließlich den einsamen Mann, dem das Blut aus dem Mund und tropfte. "Man hat mir einen Zahn gezogen", jammerte er. Heute muss Freers über die Geschichte lachen.

Eine Kanüle für die ganze Klinik

Ebola wurde erstmals im Jahr 1976 entdeckt, nahezu gleichzeitig im damaligen Zaire und im Südsudan. Einer, der davon erzählen kann, ist Freers Kollege Jürgen Knobloch, Chef des Tropen-Instituts in Tübingen. Der Professor ist sogar einer der Entdecker von Ebola gewesen, und er erinnert sich gut daran, wie er damals auf den neuen Erreger stieß. Aus dem Südsudan bekam Knobloch den Anruf eines Paters. Der erzählte, dass Menschen in seiner Gegend ungewöhnlich schnell sterben würden, hohes Fieber hätten sie und starke Blutungen.

Was Knobloch hörte, klang für ihn interessant genug, um sofort in ein Flugzeug nach Khartum zu steigen. Unter großen Mühen gelangte er schließlich an den Ort des Schreckens: das Krankenhaus von Maridi, nahe der Grenze zum damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Dort boten sich dem Mediziner schockierende Bilder: Viele Ärzte und Schwestern waren schon gestorben, als Knobloch kam, die Blutungen waren noch gut erkennbar.

Der Deutsche war mit einem Schutzanzug gewappnet, doch die Menschen im Hospital hatten das alles nicht. Schlimmer noch, sie hatten nur eine Injektionsnadel, die sie nach jedem Patienten auswuschen. So konnte das Virus leicht von Körper zu Körper springen. Knobloch versorgte die Kranken, so gut es ging, er machte Autopsien an den Toten und nahm Organe als Proben mit.

Dann jedoch begann ein Krimi der ganz besonderen Art: In Khartum nahm ihm das Militär die Organe ab, und Knobloch kam für eine Weile hinter Gitter. Der Arzt sagt, dass dahinter die Briten gestanden hätten, weil sie die Proben aus Maridi für ihr militärisches Labor in Portendown haben wollten. Militärische Labors forschen laut Knobloch "viel über solche Viren". Sie sind potentielle Kampfstoffe und dagegen hätten die Generäle doch gerne einen Impfstoff.

Jedenfalls konnte Knobloch nur eine einzige Leber aus Maridi retten und über geheime Kanäle nach Hamburg schmuggeln. Endlich zurück in Deutschland, brachte das Elektronenmikroskop schließlich ein neues Virus zu Tage: Knobloch nannte es "Maridi Hämorrhagisches Fieber". Erst später wurde es dann Ebola genannt, nach einem Fluss im benachbarten Zaire. Dort hatten Südafrikaner etwa zur gleichen Zeit wie Knobloch einen anderen Stamm des Virus entdeckt.

Wie amerikanische Experten jetzt feststellten, ist der jüngste Ebola-Ausbruch in Uganda wieder durch eine neue Variante ausgelöst worden. Nun sind ein halbes Dutzend Ebola-Stämme bekannt. Aber Knobloch betont, dass sich die einzelnen Virenstämme bislang kaum verändert hätten. Insofern wäre es für ihn überraschend, wenn ein künftiger Ebola-Ausbruch ganz anders verlaufen würde als bisher bekannt.

Und eine akute Gefahr für größere Städte oder Slums vermag Knobloch nicht zu erkennen. Vorerst zumindest nicht. "Irgendwann verändert sich ja jeder Virus einmal", sagt der Forscher. Wann das geschieht, kann niemand vorhersagen. Dann könnte der Killer harmloser werden - oder noch viel gefährlicher. Grund genug, um Ebola noch besser zu erforschen.

(sueddeutsche.de/lis)

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