Deutschland:Müll-Dorado

Die Müll-Importe aus dem Ausland nehmen zu. Kritiker sagen, die Betreiber deutscher Verbrennungsanlagen seien aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen, "Giftmüll zu Dumping-Preisen zu importieren".

Martin Kotynek

"Deutschland ist drauf und dran, das Müll-Dorado und das weltweite Zentrum für die Müll-Industrie zu werden", sagt Michael Braungart, Verfahrenstechniker an der Universität Lüneburg.

Die deutschen Sondermüll-Verbrennungsanlagen seien überdimensioniert. Damit die Kapazitäten ausgelastet würden, seien die Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen, "Giftmüll zu Dumping-Preisen zu importieren", so Braungart. Der mit Hexachlorbenzol verunreinigte Sondermüll, den Australien in Deutschland vernichten lassen möchte, sei nur ein Beispiel dafür.

Tatsächlich ist die Kapazität der 19 deutschen Sondermüll-Verbrennungsanlagen auf 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr angestiegen, aber nicht etwa, weil neue Anlagen gebaut worden wären: "Die Zusammensetzung der Abfälle hat sich geändert, wodurch die bestehenden Kapazitäten besser ausgenützt werden können", sagt Markus Gleis vom Umweltbundesamt (UBA).

Seit 1992 seien nur noch zwei neue Anlagen gebaut worden, wovon eine inzwischen wieder geschlossen worden sei. Nur eine bestehende Anlage sei in den vergangenen 15 Jahren ausgebaut worden.

Müll-Importe aus dem Ausland nehmen zu

Dennoch nehmen die Müll-Importe aus dem Ausland kontinuierlich zu: Nach UBA-Angaben stiegen sie von 281.000 Tonnen im Jahr 1995 auf knapp sechs Millionen Tonnen im Jahr 2005. Der Großteil kam dabei aus den Niederlanden, Italien und Belgien.

Doch nur 10,7 Prozent (636.687 Tonnen) wurden verbrannt, der überwiegende Rest ging ins Recycling, wo wertvolle Metalle und Lösungsmittel aus dem Müll wiedergewonnen werden.

"Wir verbrennen jährlich 270.000 Tonnen Sondermüll, drei Viertel dieser Menge kommen aus den umliegenden Chemieparks, 19 Prozent aus dem restlichen Nordrhein-Westfalen und sechs Prozent aus den Nachbarländern", sagt Joachim Beyer, Leiter der Verbrennungsanlagen des Bayer-Konzerns: "Wir sind zu 94 Prozent ausgelastet, auf den Müll aus Übersee sind wir nicht angewiesen."

Dennoch könnte es zu Überkapazitäten kommen: Sonderabfälle, von denen nur geringe Gefahren ausgehen, werden in steigender Menge in der Zementindustrie verfeuert - für die Betreiber von Verbrennungsanlagen könnte es daher in Zukunft knapp werden.

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