Der Schüler:Kindheit im Krankenhaus

Anji, 14, geht in der Lepra-Kolonie zum ersten Mal in eine Schule. Noch schöner findet er nur Fahrradfahren.

Text und Fotos Von Fabian Fiechter

In dem kühlen Klassenzimmer der Sivananda-Schule sitzt Anji, 14, zwischen anderen Schülern und lernt Englisch. Er ist der Einzige hier, der Lepra hat. All die anderen sind gesunde Kinder früherer Leprapatienten, die hier leben. "Ich gehe gerne zur Schule, es ist das erste Mal in meinem Leben", sagt Anji. Im Alter von neun Jahren fand er seinen Vater tot im Bett; er weiß nicht, wie er gestorben ist. Seine Mutter und seine Brüder arbeiten als Müllsammler und haben keine Zeit, sich um ihn zu kümmern. Anji arbeitete neun Stunden am Tag im mobilen Imbiss seines Onkels. Er wurde nicht bezahlt, bekam aber etwas zu essen. Seine Mutter schickte ihn nach Sivananda, wo die Ärzte ihn mit Medikamenten gegen die Lepra behandelten. Aber er reagierte schlecht auf die Behandlung. Die Ärzte behielten ihn deshalb im Krankenhaus. Vier Jahre später lebt Anji noch immer hier, und obwohl er Antibiotika nimmt, verharrt die Lepra in seinem Körper. Er ist einer der seltenen Fälle, in denen die Medikamente nicht helfen. Anji vermisst seine Mutter, aber er kann sich nicht die drei Euro für den Bus leisten, um sie in ihrem Dorf zu besuchen. Das Leben im Krankenhaus ist eintönig, deshalb geht er gerne in die Schule. Die anderen Kinder grenzen Anji nicht aus. Trotzdem macht die Lepra den Jungen unsicher. Er ist schüchtern und spielt nicht viel mit seinen Mitschülern. Jeden Samstagnachmittag dürfen die Kinder die Schulfahrräder nutzen. Anjis Augen leuchten, wenn er darüber erzählt.

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