Mars-Mission "Curiosity":Der leblose Planet

Marsrover Curiosity

Der Nasa-Roboter Curiosity ist groß wie ein Kleinwagen und seit drei Jahren auf dem Mars unterwegs.

(Foto: dpa)

Seit drei Jahren erforscht der Roboter "Curiosity" die Vergangenheit des Mars. Fossilien hat er keine gefunden. Stattdessen mehren sich die Indizien für eine andere These.

Von Karl Urban

Wer 900 Kilogramm sanft auf dem Mars absetzen will, braucht einen Fallschirm, ein Seil und viele Bremsraketen. Nur damit gelingt der Sturz aus dem Weltraum, hinab zur staubtrockenen Oberfläche des Roten Planeten. Es ist ein Manöver, das leicht schiefgehen kann. Umso größer war die Freude bei der Nasa, als es vor drei Jahren gelang. Am 6. August 2012 deutscher Zeit setzte der Rover Curiosity wohlbehalten auf dem Mars auf.

Er ist das teuerste und leistungsfähigste Gerät, das je auf einem fremden Planeten gelandet ist. Curiosity ist ein fahrendes Labor, es sollte Spuren von Wasser nachspüren, vielleicht sogar Relikte des Lebens finden. Schließlich ist das die Frage, die bei der Erforschung des Mars im Vordergrund steht: War die Wüstenwelt vor langer Zeit so lebensfreundlich wie die Erde?

Und haben sich Lebewesen entwickelt?

Drei Jahre nach der Landung zeigt der 2,5 Milliarden Dollar teure Rover Alterserscheinungen. Zwar hat Curiosity so schöne Wüstenpanoramen zur Erde gefunkt wie kein Gerät vor ihm. Aber was die Frage nach dem Wasser und dem Leben angeht, sind die Marsforscher kaum weiter gekommen. Im Gegenteil: Die Idee, der Mars sei einmal ein blaues Paradies gewesen, hat es zunehmend schwerer.

Heute fließt kein Wasser mehr auf dem Mars. Wie es früher aussah, ist umstritten

Wasser und Leben stehen im Mittelpunkt der Marsforschung, seit Astronomen den Mars nur als diffuses rotes Pünktchen am Nachthimmel sehen konnten. Im 19. Jahrhundert vermutete man auf dem Mars gewaltige Kanäle, die Zeugnisse einer sterbenden Zivilisation. Die ersten Raumsonden, die den Mars in den 1960er-Jahren erreichten, machten derlei Fantasien zunichte. Von da an war klar: Die Temperaturen auf dem Mars liegen meist weit unter null Grad Celsius. Und nicht Kanäle intelligenter Erbauer zieren die Oberfläche, sondern Krater und erloschene Vulkane. Aber es gibt auch Flusstäler, durch die einst große Mengen Wasser geflossen sein sollen. In einer Tiefebene im Norden könnte einst sogar ein riesiger Ozean geschwappt sein, glauben Forscher. Michael Carr vom US Geological Survey findet, dass mit diesem Bild etwas nicht stimmt. Carr ist einer der weltweit angesehensten Marsforscher. Er wundert sich darüber, dass auf dem Mars einst so viel Wasser geflossen sein soll. "Eine der rätselhaftesten Sachen ist das Klima auf dem frühen Mars", sagt er. Immer noch ist unklar, woher das Wasser gekommen sein soll, das einst die Oberfläche des Mars zerfurchte. Auf einer Welt, die so kalt ist wie der Mars heute, kann es kaum fließen.

Zwar gibt es Wassereis auf dem Mars, zum Beispiel in seinen Polkappen. Aber geschmolzen würde es nicht ausreichen, die mächtigen Täler zu erklären. Woher kommen sie also? Und war es wirklich Wasser, das sie gegraben hat? Von diesen Fragen hängt viel ab: Ein Mars, auf dem Wasser Millionen Jahre lang durch Canyons floss, wäre wärmer gewesen als der Mars heute. Solch eine Welt hätte gute Bedingungen für die Entstehung von Leben geboten.

Die baugleichen Rover Spirit und Opportunity wurden 2004 in Gebieten abgesetzt, wo Forscher Gesteine vermuteten, die vor mehr als drei Milliarden Jahren mit Wasser in Kontakt gekommen sind. Doch Spirit landete nicht wie erwartet auf dem Grund eines einstigen Sees, sondern in einer Ebene aus Basalt, einem vulkanischen Gestein. "Wir waren sehr enttäuscht, weil es überhaupt keine Anzeichen für einen ausgetrockneten See gab", sagt Carr. Nur auf einem Höhenzug fand der kleine Rover Hinweise auf Wasser, das hier einst floss. Vermutlich war es jedoch von Lava aufgetautes Eis aus dem Untergrund gewesen. Der Zwilling Opportunity bestätigte immerhin, dass es Tümpel auf dem Mars gab, die vielleicht für wenige Jahrhunderte existierten, bevor das Wasser verdunstete. Aber Hinweise, was einst die gewaltigen Flusstäler gegraben hat? Fehlanzeige.

Die Nasa verkaufte die Mission trotzdem als großen Erfolg. Curiosity landete vor drei Jahren schließlich mit dem Versprechen, große Fortschritte bei der Suche nach dem Ursprung des Wassers zu bringen. "Folge dem Wasser", lautet das Missionsmotto. Das Terrain war geologisch vielversprechend: Der 150 Kilometer breite Gale-Krater vereint Gesteine aus Zeiten, in denen die Flusstäler auf dem Mars entstanden. In der Mitte des Kraters thront ein fünf Kilometer hoher Berg, dessen Gestein Antworten enthalten sollte.

Haben Lavaströme die Täler auf dem Mars gegraben?

Allerdings ist Curiosity erst nach knapp dreijähriger, mühsamer Fahrt dort angekommen. Dabei war seine Missionsdauer ursprünglich nur auf zwei Jahre ausgelegt. Die Räder des Rovers sind mittlerweile von spitzen Steinen durchlöchert. Immerhin fand das fahrende Labor neue Indizien dafür, dass auf dem Mars einst Wasser im kleinen Maßstab floss: Kieselsteine, die wohl in einem sprudelnden Bach abgerundet wurden. Und Gestein, das früher von einem See bedeckt gewesen sein könnte.

Aber den großen Durchbruch hat der Nasa-Roboter bisher nicht gebracht. Das verleiht alternativen Theorien Auftrieb. Schon länger grübeln Forscher, wie der Planet einst überhaupt flüssiges Wasser beherbergt haben könnte. Vor drei Milliarden Jahren schien die Sonne noch um ein Drittel schwächer als heute. Selbst eine dichtere Atmosphäre wäre kaum in der Lage gewesen, den Mars auf Erdtemperatur zu wärmen.

Eine aktuelle Studie von Robin Wordsworth von der Havard University befürwortet stattdessen ein anderes Szenario. Viele Täler auf dem Mars könnten in kaltem Klima entstanden sein oder unter kilometerdicken Gletschern. Einer der Fürsprecher dieser Theorie ist James Head von der Brown University in Rhode Island, eine Koryphäe der Marsforschung. Vor 15 Jahren veröffentlichte er noch Arbeiten zum vermeintlichen Riesenozean auf dem Mars. Heute ist Head davon abgerückt. Umgestimmt haben ihn unter anderem einige Monate in der Antarktis, deren Klima den wärmeren Gegenden des Roten Planeten ähnelt. "Es war erstaunlich", sagt er. "Es gibt dort Flüsse und immer wieder größere Fluten, obwohl die mittlere Jahrestemperatur bei minus 20 Grad Celsius liegt."

Flüssiges Wasser schließt also lebensfeindliche Temperaturen nicht aus. Falls es einst auf einem ewig kalten Mars floss, dann vielleicht, weil Vulkanausbrüche die Gletscher schmelzen ließen. Die Sturzfluten oder die Lava hätten dann die Oberfläche zerfurcht.

Möglicherweise gab es Wasser nur in Form kleiner Tümpel

"Wie kann es sein, dass der gewaltigste Canyon des Sonnensystems, die Valles Marineris, ausgerechnet an der Flanke eines Vulkans liegt?", fragt auch Giovanni Leone von der ETH Zürich. Leone hat in den Daten von Nasa-Raumsonden Hinweise gefunden, dass es in Flusstälern und ausgetrockneten Seen das Mineral Olivin gibt. Es ist vulkanischen Ursprungs und sollte sich beim Kontakt mit Wasser zersetzen. Leone ist daher überzeugt: Wasser hat es auf dem Mars nur in Form kleiner Tümpel gegeben, und Lavaströme haben die Täler gegraben.

Auch ein anderes Indiz für Leben ist in die Schusslinie geraten: Methangas. Auf der Erde wird es von Vulkanen, aber auch von Tieren, Pflanzen und Mikroben freigesetzt. Ende 2014 bestätigte Curiosity, dass es das Gas in der Marsatmosphäre gibt. Aber stammt es von Lebewesen? "Es gibt Möglichkeiten, das Gas ohne Mikroben zu erklären", sagt Frank Keppler von der Universität Heidelberg. Er setzte Meteoritengestein der UV-Strahlung aus, die auch den Mars trifft, und wies Methan nach. "Eine wahrscheinliche Erklärung für das Marsmethan sind Meteoriten", sagt er.

Die Nasa spricht ungern darüber, dass es auf dem Mars früher weniger Wasser gab als gedacht. Zu sehr werden Missionen wie Curiosity mit der Aussicht auf Leben gerechtfertigt. Nicht einmal James Head will die Hoffnung aufgeben. "In den vergangenen 20 Jahren haben wir gelernt, dass irdisches Leben selbst an dunkelsten Orten zurechtkommt." Und vielleicht sollte man Curiosity auch nicht zu früh abschreiben: "Es kommen ständig neue Entdeckungen", sagt der an der Mission beteiligte Walter Goetz vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Noch scheinen die Raumfahrtagenturen motiviert, Leben auf dem Mars zu finden - Fossilien ausgestorbener Arten oder primitive Organismen, die bis heute überdauert haben.

Der Esa-Rover Exomars soll sich von 2019 an der Suche nach Leben widmen, das gleiche Ziel hat der für 2021 geplante Curiosity-Nachfolger. Dabei steht viel auf dem Spiel. Als die Nasa zuletzt explizit nach Leben suchte, endete das ergebnislos. Die Viking-Lander bemühten sich vor 40 Jahren, Organismen nachzuweisen - und lieferten bestenfalls zweideutige Resultate. Die Enttäuschung war so groß, dass für zwei Jahrzehnte keine Raumsonde mehr zum Mars flog.

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