Denk mal:Dom, Steine, Scherben

Früher oder später zerbröseln alle Steine - ob Statuen oder Reliefs, Treppenstufen oder Fensterbänke. Denkmalpfleger suchen nun nach der besten Methode, um die Gemäuer historischer Bauten zu erhalten.

Pia Heinemann

In 45 Meter Höhe wittern sie seit 20 Jahren vor sich hin: Unterschiedlich imprägnierte Steinwürfel aller am Kölner Dom vorkommenden Gesteinsarten.

Der Kölner Dom

Was tun mit dem Kölner Dom?

(Foto: Foto: dpa)

Auf dem Dach des südlichen Querhauses trotzen sie, auf Schienen fixiert, Umwelt und Wetter. "Gemütlich ist es dort oben nicht: Im Sommer glüht die Hitze, bei Gewitter kühlen die Steine schnell aus und im Winter ist es so unwirtlich wie an der Eigernordwand", sagt Kölns Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner.

Langzeitbeobachtungen von Steinen und Konservierungsmitteln sind nötig, damit Denkmalpfleger den Erfolg ihrer Rettungsbemühungen überprüfen können. Denn früher oder später zerbröseln alle Steine - ob Statuen oder Reliefs, Treppenstufen oder Fensterbänke.

Unter Denkmalpflegern herrscht keinesfalls Einigkeit darüber, welche Konservierung für welche Gesteinsart optimal ist. Meist zeigt sich erst spät, wie welcher Stein künftig restauriert werden sollte.

Zerfall droht jedem Stein draußen, denn Feuchtigkeit und gelöste Salze in den Poren und Kapillaren sprengen bei Temperaturunterschieden Sand- und Kalkstein, ja sogar Marmor. Bakterien oder Flechten zersetzen ihn, Witterung und Umweltverschmutzungen lockern die Oberfläche und lassen Schalen abplatzen.

Seit Denkmalpfleger 1964 die Charta von Venedig verabschiedet haben, die einzige international verbindliche Grundlage für den Umgang mit historischer Bausubstanz, streiten sich Experten, wie viel Konservierung und Restaurierung notwendig ist.

Muss ein verwitternder Stein durch einen neuen ersetzt, in Plexiglas getränkt oder nur oberflächlich gefestigt werden? Reicht ein Dach als Schutz? Puristen unter den Denkmalpflegern wünschen, dass der Stein als historisches Zeugnis möglichst unberührt und somit dem Verfall ausgesetzt bleibt.

Die größte Langzeitbaustelle Deutschlands

Am Kölner Dom, der sprichwörtlich größten Langzeitbaustelle Deutschlands, bröckeln die Steine unaufhaltsam vor sich hin. Dombaumeisterin Schock-Werner hat sich deshalb - wie ihr Vorgänger Arnold Wolff auch - entschieden, für die Statik wichtige oder kunsthistorisch wertvolle Steine vollständig zu konservieren. "Wir tränken aber nur Stücke, die nicht anders zu retten sind, in Acrylharz", sagt Schock-Werner.

Vom Boden der lichten Lagerhalle der Firma Ibach-Steinkonservierung im fränkischen Scheßlitz ragen deshalb acht Teile eines Fialaufbaus, eines Ziertürmchens, hüfthoch in die Höhe. Sie haben die Prozedur in den Tränkungswannen der Autoklaven bereits hinter sich.

Aus Steinporen, die größer als drei Mikrometer sind, wurde im Wechsel von Vakuum und Druck das enthaltene Wasser entfernt und durch Acrylharz ersetzt. Seit 1972 haben 403 Einzelteile - Figuren, Strebewerke, Kreuzblumen - ihren Weg vom Kölner Dom ins 400 Kilometer entfernte Scheßlitz angetreten. Ebenso wie Statuen vom Potsdamer Schloss Sanssouci oder Stufen des Torgauer Wendelsteins.

"Ein Experte erkennt am Klang des Klopfens, dass diese Stücke nicht mehr nur Stein sind, sondern dass die Poren mit Acrylharz gefestigt wurden", sagt Geschäftsführerin Katharina Ibach. Der Laie erkennt keinen Unterschied.

Die Acrylharzvolltränkung (AVT) wurde in den vergangenen Jahren immer schonender, sodass Denkmalpfleger kaum Angst vor Folgeschäden haben müssen.Doch die Methode, bei der aus Stein ein Hybrid aus Mineral und Plexiglas wird, findet nicht nur Freunde: "Manche wollen die Objekte lieber in Schönheit sterben lassen", sagt Ibach.

Denkmalpfleger kennen sanftere Methoden, um Verfall zu bremsen. Wie erfolgreich diese sind, zeigt sich erst nach langer Zeit: In den 70er- und 80er-Jahren wurden viele Fassaden und Skulpturen hydrophobiert. Dazu wird die Oberfläche der Steine entsalzt und getrocknet und hinterher wasserabweisend imprägniert. "Wir haben damals die Fassade des südlichen Querhauses des Kölner Doms hydrophobiert", sagt Schock-Werner. "Zum Glück ist es gut gegangen."

Fehlversuche in Kambodscha

Im kambodschanischen Weltkulturerbe Angkor Wat schlug die Hydrophobierung am Bas-Relief 1986 bis 1993 fehl: Flüssigkeit, die aus dem Kern des Steins nach außen drang, konnte durch die versiegelten Poren nicht mehr verdunsten und staute sich.

Die Oberfläche riss, Teile des kostbaren Reliefs platzten ab. Eine Re-Restaurierung war nötig: Der Lack musste wieder ab. Damit Steine auch nach der Festigung weiter "atmen" und über die Oberfläche verdunsten können, dürfen die mikroskopisch kleinen Poren nicht verstopft werden. Die Hochzeit der Hydrophobierung ist vorbei.

An fast allen Denkmälern wird Kieselsäureester zur Oberflächenfestigung eingesetzt. Mit Spritzen oder Schwanenhalsflaschen wird er von Restauratoren mehrmals aufgetragen - bis der Stein gesättigt ist und keine Flüssigkeit mehr aufsaugt. Der Kieselsäureester reagiert mit Feuchtigkeit und bindet bröselnde Steinkörner wie Leim aneinander.

"Die ersten Versuche, Steinoberflächen zu festigen, gab es bereits um 1900", sagt Karin Kraus vom Mainzer Institut für Steinkonservierung. "Der Vorteil des Kieselsäureesters ist, dass er die Steinporen nicht verstopft, sondern nur am Rand auskleidet."

In der deutschen Denkmalpflege werden zur Steinfestigung jährlich etwa 100 Tonnen Kieselsäureester verbraucht. Manchmal pur, manchmal mit feinstem Steinstaub vermischt. Am Kölner Dom sind es gerade mal zehn Liter. Seit Oktober bietet Katharina Ibach deshalb auch die Volltränkung in Kieselsäureester an - und begegnet damit dem Vorwurf, den Stein zu Plexiglas zu verwandeln.

In Frankreich ist vor allem die Biotechnologie bei der Steinkonservierung derzeit en vogue. Bei der Biomineralisierung wurden 1993 Bakterien der Art Bacillus cereus in Nährlösung auf die Außenmauern der Kirche Saint-Médard in Thouars aufgetragen. I

n die Poren des Steins eingedrungen, scheiden sie Kalk ab und sollen so den Stein festigen. Sobald sie ihre Nahrung aufgebraucht haben, sollen die Einzeller sterben. Schock-Werner zweifelt allerdings an der Methode: "In Köln herrscht offenbar ein so hoher Nährstoffgehalt in der Luft, dass wir nicht wissen, ob sich die Bakterien nicht, anstatt nach getanem Werk zu sterben, weitervermehren."

Zudem sei unklar, wie sich die Reste der Bakterien langfristig auf das Gestein auswirken und ob sie nicht auf Glasfenstern siedeln und diese beschädigen.

Der Geomikrobiologe Thomas Warscheid, der die Biomineralisierung in Deutschland etablieren will, möchte zunächst an Außenfassaden und Wandmalereien die Wirkung der Kalkbakterien an hiesigen Steinoberflächen prüfen. "Sollten die Tests erfolgreich sein, wollen wir die Bakterien an absandenden Kalksteinoberflächen des Kölner Doms oder bei der Hinterfüllung von sich ablösenden Putzen im Kreuzgang des Klosters Maulbronn einsetzen", sagt Warscheid. Im kommenden Frühjahr soll das Projekt starten.

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