Demografie-Forschung:Das bizarre Altern des Alpenseglers

Der Mensch ist eine Ausnahme, was das Altern angeht. Denn bei einigen Tieren sinkt das Sterberisiko, je älter sie werden. Und andere erreichen erst kurz vor dem Lebensende das Maximum ihrer Fruchtbarkeit. Diese Unterschiede faszinieren die Forscher, machen sie aber auch ratlos.

Von Katrin Blawat

Nur zu gern nimmt der Mensch Hinweise wahr, wonach er eben doch etwas Einzigartiges unter allen Lebewesen darstellt. Daher dürfen Demografie-Forscher vermutlich mit einigem Wohlwollen rechnen, wenn sie nun im Fachjournal Nature berichten: Der Mensch ist eine Ausnahme - und zwar, was das Altern angeht.

So lautet jedenfalls das Ergebnis eines umfassenden Vergleichs der Alterungsabläufe von 33 verschiedenen Tier- sowie einigen Pflanzenarten. Forscher um Alexander Scheuerlein vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock haben anhand bereits veröffentlichter Studien verglichen, wie sich die Sterblichkeit der einzelnen Spezies im Lauf des Lebens ändert. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gemeint, innerhalb eines Lebensjahres zu sterben.

Beim Menschen bleibt das Risiko lange mehr oder weniger konstant - dann aber steigt die Sterblichkeit so rasant wie bei keiner anderen der untersuchten Arten. Für Frauen in Japan - dem Land mit der derzeit höchsten Lebenserwartung - liegt der Wendepunkt bei knapp 90 Jahren. In der indigenen Gruppe der Aché, die in Paraguay noch als Jäger und Sammler leben, steigt die Sterblichkeit hingegen bereits von einem Alter von 70 Jahren rapide an.

Kuriose Sterblichkeitskurven

Und im Rest des Tierreichs? Da altert jede Art auf ihre eigene Weise. Besonders kurios verlaufen die Sterblichkeitskurven der Kalifornischen Gopherschildkröte und einer Koralle namens Farbwechselnde Gorgonie. Für die Vertreter beider Arten ist es umso wahrscheinlicher, den nächsten Geburtstag zu erleben, je älter sie werden: Die Sterblichkeit sinkt.

Aus menschlicher Sicht beinahe ebenso kurios mutet das Altern des Einsiedlerkrebses an. Seine Sterbe-Wahrscheinlichkeit bleibt das gesamte, etwa drei Jahre währende Leben über nahezu konstant. Ähnlich verhält es sich zum Beispiel auch beim Süßwasserpolypen Hydra.

Und schließlich identifizierten die Forscher Arten, deren Sterblichkeit im Laufe des Lebens in Wellen steigt und sinkt. Das ist etwa beim Alpensegler der Fall. Er zeigt den Daten zufolge außerdem eine weitere bizarre Entwicklung: Im Lauf seines Lebens nimmt seine Fruchtbarkeit nicht ab wie bei vielen anderen Spezies, sondern bis kurz vor dem Lebensende deutlich zu.

Die unterschiedlichen Verläufe der Sterblichkeit faszinieren die Forscher, machen sie aber auch ratlos. Steckt ein evolutionärer Sinn hinter all diesen Varianten? Falls ja, hat ihn jedenfalls noch niemand entdeckt. "Unsere Studie führt uns vor Augen, dass Altern eins der am wenigsten verstandenen Phänomene der Biologie ist", sagt der zweite Hauptautor der Studie, Owen Jones vom Max-Planck Odense Center on the Biodemography of Aging im dänischen Odense.

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