Delphinarien:Todesangst im Schwimmbecken

Tote Babys, aggressive Männchen: Delphine leiden Qualen in den engen Bassins der Zoos - so fröhlich sie auch aussehen mögen.

Tina Baier

Jetzt jagen sie wieder, die Fischer von Taiji. Jedes Jahr von September bis März treiben die Fischer des kleinen japanischen Ortes ganze Delphinschulen in eine kleine Bucht; von ihren Booten aus stechen sie die panischen Tiere mit Lanzen und Messern ab. Manchmal wiederholt sich das Gemetzel mehrmals pro Woche, dann färbt das Blut der abgeschlachteten Delphine das Wasser rot. Der Film "The Cove - die Bucht", der das Massenschlachten dokumentiert, hat auch in Deutschland eine neue Diskussion über den Umgang mit den intelligenten Meeressäugern ausgelöst.

Delphin, AFP

Delphine können an einem Tag Hunderte von Kilometern zurücklegen. Eine artgerechte Haltung in Gefangenschaft ist deshalb nach Ansicht vieler Tierschützer nicht möglich.

(Foto: Foto: AFP)

Für das große Schlachten seien nämlich auch die Europäer mitverantwortlich, kritisieren Tierschützer. Denn es gehe bei der Aktion gar nicht so sehr um das Fleisch der Tiere, das pro Exemplar gerade mal 600 Dollar bringe. Vielmehr suchten sich Tierhändler vor Beginn der Treibjagd die schönsten Exemplare aus, um sie weltweit an Delphinarien zu verkaufen, die bis zu 200.000 Dollar für so ein Tier zahlen würden. Gäbe es keine Delphinarien mehr, würde sich auch das Abschlachten nicht mehr lohnen, folgern die Kritiker.

"In Deutschland gibt es keine Tiere aus Treibjagden in Japan", entgegnet hingegen Helmut Mägdefrau, stellvertretender Direktor des zoologischen Gartens in Nürnberg, der gerade sein Delphinarium ausbaut.

Nur offiziell ist die Lage klar: Nach Europa dürfen keine wild gefangenen Delphine importiert werden. "Die Praxis sieht anders aus", schimpft Karsten Brensing, Biologe bei der Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS. Mit Ausnahmegenehmigungen würden immer wieder wilde Delfine etwa nach Spanien importiert und von dort in andere europäische Staaten exportiert. Dies sei weit verbreitete Praktik von Zoos innerhalb der EU. Diese Delphine stammen allerdings in der Regel aus Kuba, wo die Jagd nicht so brutal abläuft.

Wildfänge in türkischen Delphinarien

Auch in der Türkei sind die Gesetze weniger streng. Wegen des großen Interesses auch deutscher Touristen haben dort seit 1994 elf Delphinarien eröffnet. Allein im Adaland in Alanya landeten nach WDCS-Recherchen2008 zwölf Delphine aus einer japanischen Treibjagd. Auch in den USA, China, Taiwan und den Philippinen leben nach Angaben des WDCS japanische Wildfänge.

Unabhängig davon woher sie stammen, ist bereits der Transport der Delphine in die Gefangenschaft eine Tortur. Zwar werden die Tiere mit großer Vorsicht in Gestelle gehievt, die mit Schaumstoff gepolstert sind; ihre Haut wird feucht gehalten und das Blasloch wird eingecremt, damit es nicht austrocknet. "Trotzdem haben die Delphine mit Sicherheit Todesangst", sagt Brensing.

Auch die erste Zeit im Delphinarium sei eine Quälerei. Wilde Delphine weigern sich, zu Beginn ihrer Gefangenschaft zu fressen. "Damit sie nicht verhungern, müssen sie zwangsernährt werden", sagt Brensing. "Während mehrere Helfer das Tier festhalten, muss ihm der Pfleger Fische so tief in den Rachen stopfen, dass der Delphin sie nicht mehr hervorwürgen kann." Als nächstes muss ein Trainer den Meeressäugern mühsam beibringen, durch Engstellen, etwa Tore zu schwimmen. Im Ozean meiden sie Engstellen, weil sie zur tödlichen Falle werden können - Delphine können nämlich nicht rückwärts schwimmen.

Abstellkammer für junge Delphinmännchen

"Auch Delphinarien in Europa sind auf Wildfänge angewiesen, weil die Zucht nicht nachhaltig ist", versichert Brensing. Es sterben nämlich mehr Tiere als in Gefangenschaft geboren werden. Delphinbabys kommen mit der Schwanzflosse voran auf die Welt und schwimmen sofort los. Die Mutter taucht unter ihr Kind und hebt es an die Wasseroberfläche, damit es seinen ersten Atemzug tun kann. Delphinbabys in Gefangenschaft sterben häufig, weil sie mit Wucht gegen die nächste Beckenwand knallen, bevor die Mutter sie erreicht. In manchen Delphinarien versucht man das Problem zu lösen, indem man trächtige Weibchen in ein mit Schaumstoff ausgepolstertes Becken transportiert.

Delphin, ddp

Nicht immer ist das Füttern ein harmonischer Akt. Zu Beginn ihrer Gefangenschaft müssen viele Delphine zwangsernährt werden.

(Foto: Foto: ddp)

Auch die drei deutschen Delphinarien in Nürnberg, Münster und Duisburg haben Nachwuchsprobleme. "Wir müssen zugeben, dass wir in den vergangenen zehn Jahren Schwierigkeiten hatten", sagt Helmut Mägdefrau. In den Jahren 1986 bis 1997 wurden in Nürnberg erfolgreich fünf Delphine aufgezogen.

Doch seitdem sind alle Delphinbabys gestorben: Im Jahr 2006 erstickte ein Kalb, weil es in Kopflage lag; ein anderes starb zusammen mit seiner Mutter während der Geburt; ein drittes wurde von einem anderen Weibchen angegriffen und hatte daraufhin einen tödlichen Unfall. 2007 verhungerte ein Delphinbaby, weil es von einem anderen Weibchen geraubt wurde, sodass die Mutter es nicht säugen konnte; ein weiteres Kalb starb eine Stunde nach der Geburt an Muskelschwäche.

Für Karsten Brensing belegen diese Zahlen, dass man Delphine in Gefangenschaft nicht artgerecht halten kann. Er fordert Akteneinsicht in die Daten des Nürnberger Delphinariums, die der Zoo jedoch verweigert. Am Mittwoch wird darüber vor dem Verwaltungsgericht in Ansbach verhandelt.

Die Enge schürt Aggressionen

Eines der größten Probleme von Delphinarien ist die Enge in den Becken, die zu Aggressionen zwischen den Tieren führt. Junge Männchen müssen deshalb oft von ihrer Familie getrennt werden, da sie gar keine Chance haben, sich weit genug von ranghöheren Artgenossen zu entfernen, sodass diese sich nicht mehr herausgefordert fühlen.

"Das Delphinarium in Münster ist eine Abstellkammer für junge Männchen", sagt Brensing. Derzeit leben dort die beiden Männchen Nemo und Nando aus Nürnberg; sowie drei junge Männchen aus einem holländischen Delphinarium. Mägdefrau hofft, die Situation durch den Ausbau des Delphinariums, der im Jahr 2011 abgeschlossen sein soll, zu verbessern. Die Tiere hätten dann mehrere miteinander verbundene Becken zur Verfügung, in denen sie sich besser aus dem Weg gehen können. Sein Ziel sei es, die Tiere den Zoobesuchern nahezubringen, damit sie sich für ihren Schutz einsetzen, sagt Mägdefrau.

Nach Ansicht vieler Walschützern bewirken Delphinarien aber genau das Gegenteil. Ein Beispiel ist die Fütterung der Tiere aus der Luft, die fester Bestandteil fast jeder Show ist. Die Vorführungen bringen Touristen auf die Idee, auch wilde Delphine vom Boot aus mit Fischen zu füttern. Das ist für beide Seiten gefährlich: Zum einen werden immer wieder Menschen gebissen, zum anderen schwimmen die Delphine zu nahe an die Boote heran und werden von den Schiffsschrauben schwer verletzt.

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