Computer:Die ganz persönliche Tagesschau

Die Internettechnologie "RSS" berücksichtigt bei der Recherche automatisch individuelle Interessen.

Von Michael Lang

Die Zukunft des Surfens ist orange. Sie versteckt sich hinter einem kleinen Rechteck, das auf immer mehr Internet-Seiten prangt. Darauf stehen nur drei Buchstaben: RSS.

RSS Logo

RSS Logo rss

RSS steht für "Really Simple Syndication" und könnte die Art revolutionieren, wie sich Menschen Informationen aus dem Netz zusammensuchen. Statt wie bislang mehrmals am Tag die in den so genannten Favoriten gespeicherten Nachrichtenseiten aufzurufen, sich dann durch die Struktur zu klicken, interessante Beiträge zu lesen und schließlich zur nächsten Seite zu surfen, macht die RSS-Technologie all dies automatisch. Praktisch, übersichtlich, zeitsparend.

Möglich wird das durch ein spezielles Programm, den "RSS-Reader". Dieser grast die Seiten von Nachrichtenangeboten, Internet-Tagebüchern oder Online-Magazinen regelmäßig nach neuen Einträgen ab. Die Nachrichten werden ohne Grafiken übersichtlich dargestellt. Dies sieht dann ähnlich aus wie die Ergebnisseite von Google:

Aufgelistet wird jeweils eine Überschrift zusammen mit einer kurzen Erläuterung und dem Link zum Originalartikel. Neue Nachrichten erscheinen auf Knopfdruck oder auch automatisch im RSS-Leseprogramm. Der Nutzer muss nicht mehr umständlich die Internetseite aufrufen. Im mitunter unübersichtlichen Internet wird der RSS-Reader so zur Nachrichtenzentrale.

Einzige Voraussetzung: Der Betreiber des Nachrichtenangebots muss mitspielen und eine spezielle Seite mit den RSS-Daten ins Netz stellen und laufend aktualisieren. In einer speziellen, für Computer verständlichen Sprache werden dort die neuesten Beiträge aufgelistet. Zusätzlich lässt sich einstellen, ob nur die Überschriften oder zusätzlich auch die Zusammenfassungen und sogar die vollständigen Texte an den RSS-Reader übermittelt werden sollen.

Zuwachs um 342 Prozent

Die Technologie existiert seit mehr als fünf Jahren, konnte sich zunächst aber nicht durchsetzen. Erst als immer mehr Netzfans begannen, Nachrichten oder alltägliche Erlebnisse in kleinen Internet-Tagebüchern, so genannten Weblogs, zu sammeln, erlebte sie einen neuen Schub. Mittlerweile hat RSS den Massenmarkt erreicht. So verzeichnete die New York Times, die RSS bereits seit 2002 auf ihren Internetseiten anbietet, zwischen März 2004 und März 2005 einen Zuwachs um 342 Prozent. Zuletzt wurden die RSS-Seiten 5,9 Millionen mal abgerufen, Tendenz steigend. Und selbst die Fraktionen im Deutschen Bundestag informieren ihre Anhänger mittlerweile mittels RSS.

Der Trend ist auch an der Software-Industrie nicht vorbei gegangen. Neben speziellen RSS-Readern wie dem Programm FeedDemon (www.bradsoft.com) unterstützen auch immer mehr traditionelle Internet-Programme die neue Technologie.

Webbrowser wie "Firefox" oder Apples neue Version von "Safari" haben einen RSS-Reader eingebaut und stellen die gesammelten Nachrichten direkt im Programm dar. Auch die nächste Generation von Microsofts "Internet Explorer" soll über RSS verfügen. Aber auch die mobile Welt hat sich längst auf RSS eingestellt: Es gibt Programme für Palm-Organzier, Pocket-PCs und Blackberrys.

Zielgenaue Werbung

Wie das Internetmagazin Wired berichtet, bieten Zeitungen wie die Los Angeles Times oder der britische Guardian ihrer Kundschaft künftig sogar eigene RSS-Leseprogramme. "Wir wollen RSS auch für Leute verfügbar machen, die technisch nicht so ausgebufft sind", erklärt Gil Asakawa von der Denver Post, die ebenfalls am eigenen RSS-Reader arbeitet.

Die Absicht dahinter ist klar. RSS ermöglicht eine zielgenaue Werbung. Wer zum Beispiel die Sportnachrichten mittels RSS regelmäßig beobachtet, bekommt gleichzeitig die passende Werbung eingeblendet. Doch damit nicht genug: In Zukunft sollen mit den Schlagzeilen auch kleine Nachrichten an den PC übertragen werden. Das RSS-Leseprogramm zeigt sie ähnlich wie die bezahlten Links in den Google-Trefferlisten an.

Google selbst erprobt seit wenigen Wochen diese Art von Anzeigen. "Obwohl wir gerade erst mit der Testphase begonnen haben", sagt Google-Sprecher Stefan Keuchel, "ist das Interesse unserer Kunden sehr groß." Die Werbewirtschaft möchte RSS aber keineswegs auf die Medienbranche beschränkt sehen.

Der Online-Händler Amazon etwa hat als einer der ersten seine Beststeller-Listen auf RSS-Seiten gepackt. Und der Computerhersteller Apple bietet in seinem Online-Musikladen iTunes sogar die Möglichkeit an, individuelle RSS-Seiten zu generieren, die zu einer gewählten Musikrichtung Nachrichten oder die entsprechende Bestsellerliste enthalten.

Eine neue Art des Surfens

Die Nutzer nehmen Werbung in Verbindung mit Information offenbar in Kauf, wenn sie dadurch die Anmeldung bei einem Newsletter vermeiden können. Schon wird in Internetforen darüber diskutiert, ob die anonymen RSS-Dienste die traditionelle Benachrichtigung über Rundmails ablösen werden.

Torsten Schwarz, Leiter des Arbeitskreises Online-Marketing im Verband der Deutschen Internetwirtschaft (ECO), ist skeptisch: "In den USA gibt es keine Kultur des E-Mail-Marketings wie bei uns", erklärt er. Dort riskiere man beim Bezug eines Newsletters, dass die E-Mail-Adresse weitergegeben werde und schließlich bei einem Spam-Versender lande. "Das passiert in Deutschland mit einem seriösen Anbieter nicht", versichert er. Wer häufig im Internet recherchiert, kommt dennoch kaum an der neuen Art des Surfens vorbei.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: