Chronik:Durchbrüche in der Stammzellforschung

1981 wurden erstmals embryonale Stammzellen von Mäusen isoliert, 1996 kam das Klon-Schaf Dolly zur Welt. Seitdem haben Wissenschaftler eine Reihe von Erfolgen in der Grundlagenforschung gemeldet. Doch bis zu Therapieverfahren bei Menschen ist es noch ein langer Weg.

Markus C. Schulte von Drach

1981

Chronik: Martin Evans von der University of Cambridge.

Martin Evans von der University of Cambridge.

(Foto: Foto: AFP)

Im Juli berichten die Briten Martin Evans und Matthew Kaufman von der University of Cambridge, dass sie erstmals embryonale Stammzellen von Mäusen isoliert haben, die sich im Labor zu verschiedenen Zelltypen züchten lassen.

1996

Im Juli kommt das Klon-Schaf Dolly zur Welt, im Februar 1997 wird die Geburt bekanntgemacht. Wissenschaftler um Ian Wilmut und Keith Campbell vom schottischen Roslin-Institut bei Edinburgh haben den ersten Säuger-Klon geschaffen, dessen Zellkern aus einer ausdifferenzierten Zelle - in diesem Fall die Euterzelle eines ausgewachsenen Schafes - in eine entkernte Eizelle eingebracht haben.

1998

Im November isoliert James Thomson von der University of Wisconsin-Madison Medical School erstmals Stammzellen aus einem menschlichen Embryo und züchtet daraus mehrere Zell-Linien.

1999

Im Juli berichten der Deutsche Oliver Brüstle von der Universität Bonn und seine deutschen und amerikanischen Kollegen, dass sie Stammzellen aus drei Tage alten Mäuse-Embryos gewonnen und daraus eine Vorform sogenannter Gliazellen (Stützzellen) gezüchtet haben. Die Zellen übernehmen im Rückenmark und Gehirn von Ratten mit einem genetischen Defekt die Bildung der Stützschicht für die Nervenzellen. Die Arbeit macht Hoffnung darauf, dass Stammzellen tatsächlich krankes und zerstörtes Gewebe ersetzen können.

2001

Im November verkündet die Biotech-Firma Advanced Cell Technologie (ATC), sie habe drei menschliche Embryonen geklont und bis zu einem Stadium von sechs Zellen heranwachsen lassen. Die Ergebnisse sind allerdings umstritten.

2004

Im Februar melden südkoreanische Forscher um Hwang Woo Suk, sie hätten die ersten menschlichen Embryos geklont und Stammzellen daraus gewonnen. Doch die Angaben erweisen sich später als Fälschungen.

2005

Im Mai geben Forscher von der britischen Universität Newcastle bekannt, dass sie erfolgreich menschliche Embryonen geklont haben. Das Team um den Deutschen Miodrag Stojkovic hatte Eizellen entkernt und mit Erbmaterial aus Körperzellen ausgerüstet. Aus 36 Eizellen entwickelten sich drei Klone, die drei Tage überlebten, ein Embryo wurde fünf Tage alt.

Im Oktober wird bekannt, dass Wissenschaftler der Biotechfirma Advanced Cell Technology aus Massachusetts Stammzellen aus Mäuse-Embryonen gewonnen haben, ohne diese dabei zu zerstören. Eigenen Angaben zufolge konnten die Forscher aus den Zellen verschiedene Körperzelltypen züchten.

2006

Im August berichten Wissenschaftler der US-Firma Advanced Cell Technology, sie hätten einem menschlichen Embryo Zellen entnommen, ohne ihn zu verletzen oder zu vernichten, und Stammzellen daraus gezüchtet. Es stellt sich jedoch heraus, dass keiner der verwendeten Embryos die Experimente tatsächlich überlebt hat.

Durchbrüche in der Stammzellforschung

2007

Chronik: Klon-Schaf  Dolly.

Klon-Schaf Dolly.

(Foto: Foto: dpa)

Mitte November melden US-Forscher, sie hätten aus Hautzellen eines neun Jahre alten Rhesus-Makaken Dutzende Klon-Embryos geschaffen und aus zwei der Klone embryonale Stammzellen gewonnen. Zwar wurden bereits etliche Säugetiere geklont, doch Stammzellen hatte man bislang nur in Versuchen mit Mäusen gewonnen.

Ebenfalls im November berichten japanische und amerikanische Wissenschaftler unabhängig voneinander, dass es ihnen gelungen ist, erstmals Körperzellen erwachsener Menschen in Stammzellen zu verwandeln - ohne dazu Embryos zu klonen. Die Forscher hatten bestimmte Gene in Hautzellen eingeschleust und aktiviert. Dadurch wurden sie in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) verwandelt, aus denen sich verschiedene Zelltypen entwickeln können. Das Experiment war zuvor nur an Mäusen gelungen. Die Erfolge machen Hoffnung, dass Stammzellen auch ohne den umstrittenen Einsatz von Embryos zur Behandlung von Krankheiten gewonnen werden können.

Im Dezember präsentieren Forscher des amerikanischen Whitehead-Instituts Versuche, die zeigen, dass die iPS-Zellen sich bei Mäusen tatsächlich zur Behandlung von Krankheiten eignen. Die Wissenschaftler um den Deutschen Rudolf Jänisch hatten der Schwanzspitze von Mäusen mit Sichelzellanämie Hautzellen entnommen und sie verjüngt. Anschließend tauschten sie in den Zellen das Gen, welches die Krankheit auslöst, gegen ein intaktes Gen aus. Schließlich wurden die gentherapeutisch behandelten Zellen zu blutbildenden Zellen gezüchtet und den Mäusen gespritzt. Das Blutbild der Tiere normalisierte sich daraufhin.

2008

Im Januar melden amerikanische Forscher des Biotechnologie-Unternehmens Advanced Cell Technology (ACT) in Massachusetts, dass sie Stammzellen gewonnen haben, ohne die menschlichen Embryonen zu zerstören. Wie bei der Methode der Präimplantationsdiagnostik (PID) entnahmen sie einem wenige Tage alten Embryo eine Zelle. Allerdings testeten sie nicht wie bei der PID das Erbgut der Blastomere genannten Zelle, sondern regten sie zur Teilung an, so dass eine Kultur mit Stammzellen entstand. Das Team um Robert Lanza hatte allerdings bereits in der Vergangenheit einen solchen Durchbruch gemeldet, der sich jedoch als verfrüht herausstellte.

Ebenfalls im Januar berichten Forscher der US-Firma Stemagen, sie hätten erstmals einen menschlichen Embryo aus einer Hautzelle eines Erwachsenen geklont und zur Blastozyste wachsen lassen. Dieser Zellkugeln lassen sich Stammzellen entnehmen, die sich in Zukunft möglicherweise einsetzen lassen, um kranke Spender zu behandeln. Damit wurde gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, aus ausdifferenzierten menschlichen Zellen einen neuen Embryo zu erschaffen. Stammzellen hatten die Wissenschaftler aus der Blastozyste diesmal allerdings nicht gewonnen.

Im März meldeten Forscher um Lorenz Studer vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York, es sei ihnen gelungen, mit Hilfe embryonaler Stammzellen bei Mäusen die Symptome von Parkinson zu lindern. Wie bei Parkinson-Patienten waren bei den Tieren Nervenzellen abgestorben, die den Botenstoff Dopamin produzieren.

Die Wissenschaftler hatten aus Schwanzzellen der Nager über das "therapeutische Klonen" Stammzellen gewonnen und aus diesen Nervenzellen gezüchtet, die sie den Mäusen ins Gehirn spritzten. Dort ersetzten die Zellen zerstörtes Nervengewebe. Erstmals waren bei solchen Versuchen geklonte Zellen verwendet worden. Problematisch war jedoch, dass eine von sechs Mäusen einen Tumor entwickelte. Demnach könnte beim Einsatz der Technik bei Menschen ein Krebsrisiko bestehen.

Im April veröffentlichten US-Forscher eine Studie an Ratten, die ähnliche Erfolge belegt. Die Wissenschaftler hatten allerdings keine embryonalen Stammzellen verwendet, sondern sogenannte induzierte pluripotente Zellen. Dabei werden ausdifferenzierte Zellen nicht geklont sondern gentherapeutisch umprogrammiert, so dass sie sich wie embryonale Stammzellen verhalten.

Ebenfalls im April gaben Forscher der britischen Newcastle University bekannt, sie hätten Hybrid-Embryonen aus menschlicher DNA und Eizellen von Kühen hergestellt. Die sogenannten Chimären wurden allerdings nach drei Tagen zerstört. Eigenen Angaben zufolge verwendeten die Forscher tierische Eizellen, weil das Material im Gegensatz zu menschlichen Eizellen unbegrenzt zur Verfügung steht.

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