Ernährung:Gefährliche Stoffe in Nahrungsergänzungen

Fitnessladen in München, 2010

Viele Mittel versprechen unter anderem einen schlanken Körper oder bessere Fitness, enthalten aber mitunter riskante Stoffe.

(Foto: Catherina Hess)
  • Nahrungsergänzungsmittel versprechen besseren Blutdruck, gesteigerte Potenz oder einen schlanken Körper.
  • Doch oft enthalten sie versteckte Schadstoffe. Die soll ein neues Verfahren nun besser aufspüren.
  • Es könnte auch Badesalze, Raumerfrischer und Kunstdünger als Partydrogen entlarven.

Von Andrea Hoferichter

Eigentlich sind Bin Guo und seine Kollegen von der Hunan Normal University in China in guter körperlicher Verfassung. Trotzdem kauften die Forscher im Internet und auf Märkten zig Kapseln, Tabletten und Säfte: Nahrungsergänzungsmittel und Kräutermischungen, die gesund machen sollen. Die Mittel versprechen unter anderem einen besseren Blutdruck, gesteigerte Potenz oder einen schlanken Körper. Guo und seine Kollegen wollten herausfinden, ob in den vermeintlichen Wundermitteln illegale Stoffe enthalten sind - und wurden fündig.

In den Mittelchen aus dem Internet stecken mitunter Abführmittel oder Antidepressiva

Die chinesischen Forscher wiesen in den gut 100 Produkten etwa 30 gesundheitsgefährdende Stoffe nach. Daneben fanden sie eine Variante des verschreibungspflichtigen Viagra-Wirkstoffs Sildenafil, wie die Forscher kürzlich im Journal of Agricultural and Food Chemistry berichteten. Dabei erprobten die Forscher ein neues Analyseverfahren, mit dem sich illegale Inhaltsstoffe einfacher als bisher aufspüren lassen sollen. Mit ihrer Methode sei der Nachweis ganz unterschiedlicher Substanzklassen möglich, sagt Bin Guo.

Er will mit der Screening-Methode künftig Behörden unterstützen, die nach illegalen Substanzen in Nahrungsergänzungsmitteln suchen. Bisher erschwert die Vielfalt der möglichen Inhaltsstoffe diese Arbeit. Fahnder müssen schon vorher eine Vermutung haben, was in einem Produkt stecken könnte. Oft lassen sich Stoffe nur mit spezifischen Tests nachweisen. Dabei würden Prüfer bei Behörden gerne schnell einen Überblick über alle enthaltenen Substanzen gewinnen.

In deutschen Drogerien oder Supermärkten gibt es keine gefährlichen Mittel

Der Bedarf für schnellere Tests ist offensichtlich vorhanden: Nahrungsergänzungsmittel aus dem Ausland werden im Internet seit Langem mit großen Versprechen und harmlosen Inhaltsstoffen beworben, enthalten aber oft gefährliche Substanzen. Mal sind es Abführmittel, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Mal sind es Antidepressiva, kreislaufbelastende Aufputschmittel oder potenzsteigernde Wirkstoffe, die in Kombination mit anderen Medikamenten lebensbedrohliche Folgen haben können. Was die Suche nach solchen Zusätzen erschwert: Häufig setzen Hersteller chemische Variationen illegaler Stoffe zu und umgehen so Verbote.

Deutsche Verbraucher geben sich vor allem dann in Gefahr, wenn sie Nahrungsergänzungsmittel im Internet bestellen. In deutschen Drogerien oder Supermärkten seien die potenziell gefährlichen Nahrungsergänzungsmittel nicht zu finden, sagt Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Aber über das Internet kann man sie leicht kaufen." Da die Mittel meistens von Anbietern aus dem Ausland vertrieben werden, können deutsche Behörden nur warnen. Clausen würde es daher sehr begrüßen, wenn eine breit anwendbare Analysemethode wie jene aus China zur Verfügung stünde.

Versteckte Amphetamine in Sportlernahrung

Mittel, die angeblich schlank machen oder die Libido steigern sollen, sind laut Verbraucherschützern besonders oft belastet. In Schlankheitsmitteln fanden sie zum Beispiel den Appetitzügler Sibutramin, der wegen starker Nebenwirkungen im Jahr 2010 vom Markt genommen wurde, sowie das krebsverdächtige Abführmittel Phenolphthalein. In angeblich natürlichen Potenzmitteln hingegen steckte Analysen zufolge oft das aus Viagra bekannte Sildenafil. Mitunter bieten Händler auch Kombinationen an: Im vergangenen Jahr etwa beschlagnahmte der Zoll ein Kaffeepulver, das zugleich wach, schlank und potent machen soll - und neben Koffein sowohl Phenolphthalein als auch Sildenafil enthielt.

Auch Produkte, die sich an Sportler richten, können belastet sein. Die Verbraucherschützer wiesen in entsprechend beworbenen Mitteln Amphetamine nach - und Ephedrin. Dieser schon länger verbotene, abhängig machende Wirkstoff steckte einst in Hustensäften und wurde als Partydroge missbraucht. In den vergangenen Jahren seien allerdings immer seltener illegale Zusätze gefunden worden, vermutlich als Folge intensiver Kontrollen, heißt es bei der Deutschen Sporthochschule Köln.

Auch Designerdrogen fordern Chemiker heraus - wöchentlich kommen neue Produkte auf den Markt

Bisher ist die Analyse verdächtiger Produkte jedenfalls sehr mühsam. "Wir bekommen Tabletten oder Kapseln, in denen weißes, braunes oder grünes Pulver steckt, und dann geht die Suche los", sagt Nicholas Schramek vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen. Die Substanz wird auf eine senkrecht in einem Lösungsmittel stehende, etwa mit Kieselgel beschichtete Platte gestreut. Die gelösten Stoffe wandern dann durch das Kieselgel nach oben. Je nachdem, wie stark eine Substanz mit Lösungsmittel und Kieselgel wechselwirkt, bleibt er in einer bestimmten Höhe hängen. Bildet sich an unerwarteter Stelle ein Fleck, ist eine Probe verdächtig - und wird mit geeigneter Messtechnik genauer untersucht. Bei dem von Bin Guos Team entwickelten Verfahren werden hingegen Masse und elektrische Ladung der Moleküle in einer Probe bestimmt.

Wie komplex eine Analyse ist, hängt von der Art des Nahrungsergänzungsmittels ab. Eher leichtes Spiel hat Schrameks Team mit Bodybuilder-Produkten und Potenzmitteln. "Da wissen wir in der Regel, nach welchen Substanzgruppen wir suchen müssen." Schlankmacher hingegen seien eine Herausforderung, denn sie könnten allerlei Zusatzstoffe enthalten: Von Abführmitteln über Antidepressiva bis hin zu Schilddrüsenhormonen sei alles denkbar. Bei der Orientierung helfe mitunter ein Blick in Internetforen, sagt Schramek. "Dort werden oft Nebenwirkungen eines Produkts diskutiert, die auf eine bestimmte Substanzkategorie hinweisen können."

Raumerfrischer als Partydroge

Kann das neue Verfahren aus China die Suche vereinfachen? Schramek wägt ab: "Es gab in letzter Zeit mehrere Veröffentlichungen zu Massenscreening-Methoden", sagt er. Aber ob die Verfahren so gut funktionierten, dass sie tatsächlich Vorteile brächten, müsse noch geprüft werden.

Wenn, dann könnten sie auch bei der Analyse von Designerdrogen helfen. Sogenannte Legal Highs werden in bunten Packungen verkauft, als Badesalz, Raumerfrischer, Kunstdünger, Kräutermischung oder als Forschungschemikalie. Legal sind die Stoffe in der Regel nur, weil sie neu sind und noch nicht auf Verbotslisten stehen. Sie können schwere Psychosen auslösen und im schlimmsten Fall zum Tod führen.

Allerdings kochen die Drogenköche in der Regel Rezepte aus veröffentlichten Patentschriften und Syntheseanleitungen nach. Das erleichtert es Fahndern, die Inhaltsstoffe eines verdächtigen Pulvers zu bestimmen. Aber allein im vergangenen Jahr sind dem aktuellen EU-Drogenbericht zufolge jede Woche zwei neue Designerdrogen auf den Markt gekommen. Ein Ende dieses Katz-und-Maus-Spiels wird wohl auch ein neues Analyseverfahren nicht bringen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: