Buschfleisch in Europa:Affe als Hauptgericht

Primaten, Krokodile und Elefanten: Hunderte Tonnen Fleisch werden jedes Jahr aus Afrika nach Europa geschmuggelt. So könnten auch neue Erreger eingeschleppt werden.

Katrin Blawat

Der Mann, der eine große Kühlbox durch den Terminal 2E des Pariser Flughafens Charles de Gaulles schleppte, fiel selbst im morgendlichen Getümmel auf. Als die Zollbeamten den Mann zur Seite winkten, ahnten sie schon, was sie in seinem Gepäck finden würden: Affen- oder Antilopenfleisch, vielleicht auch gepökelte Ratte, in Frischhaltefolie verpackt.

Buschfleisch

Im Kongo ist es keine Besonderheit, wenn Buschfleisch auf den Märkten verkauft wird. Erst im Ausland wird das Fleisch zur Luxusware.

(Foto: AFP)

Und wahrscheinlich würde ihnen der soeben aus Afrika eingetroffene Passagier auch irgendein mehrfach gestempeltes Papier einer afrikanischen Veterinärbehörde zeigen, das den Mann auf den ersten Blick dazu berechtigte, das Fleisch nach Europa einzuführen.

An einem der größten Flughäfen Europas beobachteten Anne-Lise Chaber und ihre Kollegen 17 Tage lang Szenen wie diese. Die Artenschutzexperten von der Zoological Society of London wollten ermitteln, wie viel sogenanntes Buschfleisch seinen Weg von Afrika nach Europa findet, wer es schmuggelt und wie es in Paris, Brüssel oder London zum Käufer kommt.

Die nun von den Forschern veröffentlichten Zahlen legen nahe, dass täglich gewaltigen Mengen Buschfleisch unerlaubt über die Grenzen transportiert werden: Mehr als 270 Tonnen würden jährlich über den Flughafen Charles de Gaulles geschmuggelt, folgern die Wissenschaftler aus ihren Beobachtungen (Conservation Letters, online).

Zahlen von anderen europäischen Flughäfen gebe es bislang nicht. Stefan Ziegler vom WWF vermutet jedoch, dass Buschfleisch auch über andere Flughäfen wie etwa London nach Europa gelangt.

Justin Brashares von der University of California kann das bestätigen, seit er sich vor einigen Jahren auf illegalen Fleischmärkten in Europa, den USA und Kanada umgesehen hat. Mehr als 6000 Kilo Buschfleisch würden dort jeden Monat gehandelt, berichtete Brashares später.

Hände, Beine und Köpfe von Schimpansen und Gorillas habe er gesehen, außerdem Fleisch von Pavianen, Meerkatzen, Antilopen, Nagern, Reptilien und Vögeln. Was die afrikanische Tierwelt hergibt, das möchte irgendwer in Europa auch essen, so erscheint es. Inzwischen sei die Jagd auf Wildtiere sogar eine größere Gefahr für die Artenvielfalt in Afrikas Tropen als die Abholzung der Wälder, schreibt Ziegler in einem Bericht für den WWF.

Weil die Infrastruktur in Afrika zunehmend auch die abgelegenen Rückzugsgebiete der Tiere erreicht, fällt es den Jägern immer leichter, das Fleisch in größere Städte zu bringen.

In Paris mussten Anne-Lise Chaber und ihre Kollegen nicht lange warten, bis die Kontrolleure fündig wurden. Von 134 Passagieren, die aus zentral- und westafrikanischen Ländern kamen und deren Gepäck untersucht wurde, hatte fast die Hälfte Fisch oder Fleisch dabei. Bei einem Mann fanden die Beamten 51 Kilo Fleisch - dafür hatte er sogar auf das übliche Tarngepäck wie Kleidung verzichtet.

Am meisten Buschfleisch brachten Passagiere aus Kamerun mit, aus der Zentralafrikanischen Republik und aus dem Kongo. Die häufigste illegal eingeführte Art war ein Tier, das man sich als Europäer nur schwer auf dem Teller vorstellen kann: das Stachelschwein. Beliebte Schmuggelware waren außerdem Duiker-Antilopen und die Rohrratte.

Auch Primaten wie Meerkatzen, zudem Krokodile, Pinselohrschweine und sogar ein Stück eines Elefantenrüsssels fanden die Inspekteure in Kühlboxen oder versteckt zwischen Unterwäsche und Handtüchern. Meist konnten die Experten die Tierart anhand der Beschaffenheit des Fleisches identifizieren. Ansonsten ließen sich die Arten leicht mittels einer DNS-Analyse unterscheiden, sagt Ziegler.

Illegaler Handel professionell organisiert

Ihn überrascht die am Pariser Flughafen gefundene Vielfalt nicht: "Auf der Liste der Buschfleischtiere stehen mehr als 200 Säugetierarten. Da ist fast alles enthalten, was es in Afrika gibt", sagt er. Ob die Passagiere wussten, dass sie etwas Illegales taten, ist unklar. "Wir glauben, dass es tatsächlich wenig Wissen über die Einfuhrbestimmungen gibt", schreiben die Autoren.

Umgekehrt wissen jedoch auch Experten bislang nur wenig über den weiteren Vertriebsweg der eingeschmuggelten Ware. Die Forscher machten daher in Paris drei Frauen ausfindig, die als Händler für Buschfleisch arbeiteten. Zwischen 20 bis 30 Euro koste das Kilo, erfuhren Chaber und ihre Kollegen.

Während seiner Reise im Flugzeug hatte das Fleisch also ordentlich an Wert gewonnen, denn in Kamerun bekäme man für ein Kilo nur fünf Euro, berichteten die Händler. "In Afrika selbst ist Buschfleisch nicht viel teurer als Rind oder Huhn", sagt WWF-Experte Ziegler. "Doch sobald es die Landesgrenzen verlässt, wird es zum Luxusprodukt."

So sehen es offenbar auch die Käufer. "Mehrheitlich sind das in Europa lebende Afrikaner, die das Buschfleisch für besondere Gelegenheiten bestellen", sagt Studienautor Marcus Rowcliffe. Der Handel sei professionell organisiert: Die Händler liefern auf Bestellung innerhalb kurzer Zeit das gewünschte Tier in der gewünschten Menge.

"Vieles läuft auch über den informellen Weg", vermutet Ziegler: Ein Afrikaner bringt von einem Ausflug in seine Heimat Buschfleisch mit und verkauft es in Europa an Freunde. "Es gab allerdings auch schon Fälle, in denen geschmuggeltes Buschfleisch im Supermarkt lag."

Wenn Krokodile, Affen und Ratten zunehmend in Europa auf dem Teller landen, kann das dem Menschen jedoch gefährlich werden. Erreger, die bislang nur Tiere befielen, können sich auch im Menschen einnisten, wenn der bei der Jagd in engen Kontakt zu den Wildtieren kommt. Dass die neuen Erreger mit dem Fleisch oder in den Passagieren selbst auch nach Europa gelangen, ist dann nur noch eine Frage der Zeit.

Nach ihren Erfahrungen wundert es die Forscher nicht, dass Buschfleisch eine lukrative Geldquelle ist. Nur einer der erwischten Passagiere musste eine Strafe zahlen - in Frankreich maximal 450 Euro. Für die Zollbeamten lohne es sich nicht, nach Buschfleisch zu suchen, schreiben die Autoren. Drogen sind für die Beamten lukrativer: Werden sie hier fündig, bekommen sie manchmal einen Bonus.

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