Bürgerwissenschaftler:Pinguine im Fadenkreuz

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Pinguinkolonie in der Antarktis (Foto: Antarctica Bound/Flickr/CC-by-ND)

Wie Moorhuhnschießen für Langsame, aber mit Sinn: Im Internet markieren Bürgerwissenschaftler auf hunderttausenden Bildern Pinguine, ihre Küken und Eier. "Citizen Science" hilft der Auswertung von Forschungsdaten. Eine Beschäftigung mit Suchtpotential.

Von Katrin Collmar

Auf Pinguin-Jagd huscht das Fadenkreuz über den Bildschirm. Auf dem ersten Bild: nichts. Verlassene Felsbrocken und Grasbüschel. Auf dem nächsten Bild: eine Kolonie von Pinguinen, unzählbar. Klick, klick, klick. Nach dreißig markierten Tieren die Nachricht: Es reicht. Auf zur nächsten Aufnahme: Pinguin-Babys! Klick, klick, klick. Wissenschaft, die süchtig macht.

Freiwillige werten seit Mitte September im Internet hunderttausende Bilder von Pinguin-Kolonien aus und helfen so Tom Hart von der Universität Oxford. Er und sein Team haben mit 50 Kameras über drei Jahre hinweg massenhaft Fotos von Pinguin-Brutplätzen aufgenommen. Sie installierten die Apparate an schwer zugänglichen Orten im Südpolarmeer und auf der Antarktischen Halbinsel. So fotografierten sie die ungestörten Tiere in ihrer natürlichen Umgebung. Bis zu 94 Bilder lieferte eine Kamera täglich.

Pinguine sind bedroht, ihre Nahrung wird knapp

Ein Datenberg, den die Wissenschaftler nicht mehr allein bewältigen können. Sie bitten deshalb Citizen Scientists, Bürgerwissenschaftler, um Hilfe. Allein in den ersten 24 Stunden nach der Freischaltung markierten Freiwillige über 100 000 Pinguine, ihre Küken oder Eier sowie andere Tiere in deren Umgebung. Nach drei Tagen waren es bereits 250 000 Markierungen. "Penguinwatch" ist damit eins erfolgreichsten Projekte der Bürgerwissenschafts-Plattform Zooniverse.

Die ausgewerteten Fotos kombinieren die Wissenschaftler mit Satellitenaufnahmen und Untersuchungen des Erbmaterials der Vögel - so können sie exakt abschätzen, wie sich die Kolonien entwickeln. Ändert sich das Brutverhalten der Meeresvögel? Wie viele Küken schlüpfen und überleben? Wo überwintern die Tiere? Sind Nestplünderer und Räuber unterwegs? Daneben soll das Projekt auch auf die Bedrohungen für Pinguine aufmerksam machen. So wird beispielsweise durch Überfischung und die regionalen Auswirkungen des Klimawandels ihre Nahrung knapper. "Wir wollen zeigen, welche Regionen für Pinguine wichtig sind und welche Kolonien besonders geschützt werden müssen", schreiben die Wissenschaftler auf ihrem Blog.

Pinguinkinder formieren sich vor ihrem Lehrer

Mit ihren Klicks trainieren die Bürgerwissenschaftler auch ein Computerprogramm. Anhand der Beispielbilder lernt es, erwachsene Pinguine, Küken oder Eier zu erkennen - so kann in Zukunft möglicherweise der Computer den größten Teil der Arbeit übernehmen. Doch die Perlen unter den hunderttausenden Fotos entdeckt nur das menschliche Auge.

Auf einem Bild haben sich Pinguine wie eine Schulklasse vor einem Lehrer formiert und recken eifrig die Schnäbel (zu sehen auf der Facebook-Seite des Projekts). Ein anderes gleicht einem Wuselbild: Viele Küken und ausgewachsene Exemplare laufen durcheinander, die einen streiten, die anderen liebkosen sich. Die Citizen Scientists können besonders schöne Bilder melden und über ihre Entdeckungen im Forum diskutieren.

Pinguine, wie eine Schulklasse versammelt (Foto: Penguinwatch/Zooniverse)
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