Botanik:Jeans direkt vom Strauch?

Forschern ist es angeblich gelungen, bunte und sogar magnetische Baumwolle im Labor zu züchten, ohne die Pflanzen gentechnisch zu verändern. Doch jetzt gibt es Zweifel an der aufsehenerregenden Studie.

Von Andrea Hoferichter

Auf das grün leuchtende Baumwollknäuel ist Filipe Natalio vom israelischen Weizmann-Institut für Wissenschaften besonders stolz. "Wir haben einen Fluoreszenzfarbstoff in die Baumwolle geschleust, ganz ohne Gentechnik, nur mit Zucker", sagt der Chemiker. Im Fachblatt Science präsentiert er außerdem mit dem gleichen Verfahren hergestellte weiße, magnetische Baumwolle. Der getunte Naturstoff sei die bessere Alternative zu gefärbten oder beschichteten Kunststofffasern, die sich mit der Zeit abnutzten und auf der Haut nicht so gut anfühlten. Andere Forscher bezweifeln indes bereits, dass die Methode sich jemals praktisch nutzen lässt.

Die Wissenschaftler entnahmen Baumwollpflanzen kleine Fortpflanzungsorgane, die Samenanlagen, und versorgten sie in einer Petrischale mit besonderen Zuckerlösungen. Die Zuckermoleküle darin hatten sie zuvor mit leuchtenden beziehungsweise magnetischen Verbindungen chemisch verknüpft. "Offenbar hängen die Pflanzen diese Verbindungen zu Zellulosefasern aneinander, wie sie es normalerweise auch mit reinen Zuckermolekülen tun", sagt Co-Autor Michael Kappl vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Die Fasern hätten mechanische Tests bestanden und seien ähnlich strapazierfähig wie das natürliche Pendant.

Künftig könnte ein Barcode in die Pflanzen eingebaut werden, der Auskunft über ihre Herkunft gibt

Bleibt die Frage nach der Anwendung; wer braucht schon ein fluoreszierendes oder magnetisches T-Shirt? "Den Fluoreszenzfarbstoff haben wir aus wissenschaftlichen Gründen gewählt", erklärt Kappl. "So konnten wir sehen, dass der Farbstoff tatsächlich in die Zellulose eingebaut wird und nicht nur zwischen den Fasern liegt." Man könne aber auch jedes andere Farbmolekül einschleusen und rote, gelbe oder blaue Baumwolle wachsen lassen, zum Beispiel für Bluejeans. Natürliche farbige Baumwolle gibt es nur in Grün und Braun.

Die magnetische Baumwolle wiederum sollte zeigen, dass sich auch Pflanzenfremdes in die Fasern einschleusen lässt. "Magnetische Fasern könnten nützlich sein, wenn es darum geht, Textilien mit Zusatzfunktionen auszustatten, etwa mit Sensoren oder Datenspeichern", sagt Kappl. Mit geschickt gewählten Zuckeranhängseln könnten künftig auch Biomarker implementiert werden, eine Art Barcode, mit dem sich die Herkunft eines Baumwollprodukts zurückverfolgen lässt. Außerdem ließen sich weitere Naturtextilien manipulieren. "Die Methode ist für alle Pflanzen und Mikroorganismen geeignet, die aus Zucker Zellulose knüpfen", erklärt Kappl. So könne man etwa karbonverstärkten Bambus wachsen lassen.

Allerdings wurden schon kurz nach der Veröffentlichung erste Zweifel laut. Science wies nachträglich darauf hin, dass zwei Abbildungen falsch beschriftet seien, man warte auf eine Erklärung der Autoren. Das mag eine Formsache sein, aber die New York Times zitierte zudem Experten, die diverse Unklarheiten in der Darstellung kritisieren - so sei nicht eindeutig, ob die neuen Moleküle wirklich stabil in die Baumwollfasern eingebaut worden seien; andernfalls könnten sie sich bei der Verarbeitung wieder lösen. Andere wiesen darauf hin, dass es noch ein weiter Weg von den Laborexperimenten zur Arbeit mit ganzen Pflanzen ist. Laut Filipe Natalio arbeitet das Team an einer Liste von Korrekturen und Ergänzungen.

Die Autoren räumen selbst ein, dass das Verfahren wohl nicht für den Freilandanbau taugt. Ein großer Teil des manipulierten Zuckers könnte Kappl zufolge im Boden versickern und auch ökologische Probleme bereiten. Kappl hält es aber für möglich, die Methode in großem Maßstab in Gewächshäusern oder mit Hydrokulturen anzuwenden.

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