Bodenschätze in der Arktis:Kampf um die besten Plätze

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Forscher haben Fotos vom Okular von Mikroskopen über Handys an entfernte Labors gesendet (Foto: Tuijn et al. 2013, Plos one)

Das vermeintlich ewige Eis der Arktis schmilzt viel schneller, als die Experten dachten. Nun balgen sich die Staaten um die Rohstoff-Schätze.

Von Thomas Kirchner

Dreierlei machte der Weltöffentlichkeit vor einigen Jahren bewusst, was sich in der Arktis tut und warum man das beachten sollte.

Zum einen legten Klimaforscher alarmierende Befunde vor: Danach erwärmen sich die Polargebiete, insbesondere die Arktis, doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt.

Und das vermeintlich ewige Eis schmilzt viel schneller, als die Experten dachten. 2004 hieß es in einer Studie des Arktischen Rates, bisher unzugängliche Seestraßen wie die Nordost-Passage entlang der russischen Küste könnten erst in "mehreren Jahrzehnten" befahren werden.

Inzwischen nehmen Dutzende Schiffe diese Route, teilweise schon im Juli. 2007 prophezeite der UN-Klimawandelrat IPCC, die Arktis werde frühestens Ende dieses Jahrhunderts im Sommer eisfrei sein. Neueste Berechnungen verlegen den Termin auf die Jahre 2030 bis 2040.

Zum Zweiten machten Berichte über sagenhafte Rohstoff-Schätze in der Arktis die Runde, die wegen des Klimawandels abgebaut werden könnten. Den letzten Stand gibt eine Studie des US Geological Survey aus dem Jahr 2008 wieder, wonach in der Region 30 Prozent des ungeborgenen Erdgases und 13 Prozent der Öl-Reserven lägen. Die dazugehörigen Karten hängen in den Büros vieler arktischer Politiker.

Onlinespiel, mit dem man Blutzellen auf eine Malaria-Infektion hin beurteilt (Foto: Screenshot)

Zum Dritten rammten die Russen 2007 eine Flagge auf den Meeresboden unter dem Nordpol - ein genialer PR-Coup. Vor allem die Kanadier reagierten fast hysterisch, allerorten keimte Sorge, das Rohstoff-Gerangel und der Kampf um die besten Plätze in der Arktis könnten eskalieren. Russland und Norwegen haben ihre militärischen Kapazitäten im Polargebiet ausgebaut. "Das klingt wie Europa 1935", zitierte die Financial Times den kanadischen Experten Rob Huebert.

Tatsächlich gibt es eine Menge ungelöster Konflikte: Die USA und Kanada streiten nach wie vor über ein Meeresgebiet in der Beaufortsee, weil sie uneins sind über den Grenzverlauf. Außerdem lehnen die USA den Anspruch ihres Nachbarn auf die Nordwest-Passage ab. Washington sieht darin eine Straße der internationalen Schifffahrt, Kanada ein Binnengewässer - mit dem Argument, so lasse sich die Umwelt besser schützen. Mehrere Staaten wollen ihr Nutzungsgebiet in der Arktis erweitern.

Das erlaubt ihnen das Seerechtsübereinkommen der UN, wenn sie nachweisen können, dass ihr Festlandsockel unter Wasser in die Arktis hineinreicht. Russland verweist auf den Lomonossow-Rücken, wurde von den UN aber aufgefordert, bessere Daten zu liefern. Kanada und Dänemark fechten den Anspruch an. Norwegens Antrag wurde schon akzeptiert, der kanadische soll bald folgen.

Aber es gibt auch gute Zeichen. So legten Norwegen und Russland 2010 einen 40 Jahre dauernden Streit über den Verlauf der Grenze in der Barentssee bei, Ähnliches scheint Dänen und Kanadiern in der Lincolnsee zu gelingen. Auch für den skurrilen Konflikt um die winzige Hans-Insel zeichnet sich zwischen Kanada und Dänemark eine Lösung ab. "Da gibt es eingespielte diplomatische Kanäle", sagt der an der Universität Groningen lehrende Arktis-Experte Christoph Humrich.

Positiv sei auch, dass die "Arctic Five", also die fünf direkten Anrainer, sich 2008 in einem Sondertreffen ausdrücklich auf das Seerechtsübereinkommen als alleinigen Mechanismus zur Lösung von Streitigkeiten verständigt hätten. Diese rechtliche Grundlage muss nun um andere Abkommen, etwa zu Umweltfragen, ergänzt werden. "Die Rohstoffe lassen sich nur in einem sicheren, ruhigen Umfeld ausbeuten", sagt Humrich. "Deshalb hat keiner ein Interesse daran, einen Konflikt eskalieren zu lassen."

© SZ vom 14.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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