Bisphenol A:Krach um die Nuckelflaschen

Bisphenol A ist der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zufolge harmlos. Manche Experten sehen das ganz anders.

Hanno Charisius

Mit Bestürzung reagieren Toxikologen auf die jüngste Einschätzung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Diese hatte festgestellt, dass von dem Plastikgrundstoff Bisphenol A keine Bedrohung für den Menschen ausgehe.

Bisphenol A: Wie gefährlich ist Bisphenol A in Babyflaschen wirklich?

Wie gefährlich ist Bisphenol A in Babyflaschen wirklich?

(Foto: Foto: ddp)

In einer Stellungnahme, adressiert an die EFSA-Direktorin Catherine Geslain-Lanéelle, erläutert eine Gruppe deutscher Forscher ihre Zweifel an der offiziellen Position. "Wir sind sehr besorgt, dass die EFSA ihre Entscheidungen auf der Basis fragwürdiger Argumente fällt", heißt es in dem Schreiben.

Bisphenol A wird benutzt, um daraus Epoxidharze oder Polycarbonate herzustellen, aus denen zum Beispiel Babyflaschen oder Innenbeschichtungen von Getränke- und Konservendosen gefertigt werden. Aus den Verpackungen können geringe Mengen der Substanz in die Nahrung diffundieren.

Fehlbildungen im Tierversuch

Vor vierzehn Tagen hatte die EFSA vermeldet, dass der menschliche Körper Bisphenol A rasch als harmlose Abfallprodukte ausscheide und die Chemikalie deshalb kein Problem für die menschliche Gesundheit darstelle. Im Tierversuch wirkt sie jedoch bereits in kleinsten Mengen wie ein Hormon auf den Organismus und führt bei Neugeborenen zu Fehlbildungen und neurologischen Störungen.

Die Labortiere seien eben nicht in der Lage, die Chemikalie abzubauen, heißt es in dem als "vorläufig" klassifizierten Bericht der EFSA. Darin betont die zuständige Expertenkommission auch, dass es nicht notwendig sei, die in der EU geltenden Grenzwerte zu ändern. Auch Ungeborene und Säuglinge seien nicht in Gefahr. Der Report wird derzeit innerhalb der Mitgliedsstaaten diskutiert.

Als "skandalös" bezeichnet der Würzburger Toxikologe Gilbert Schönfelder die Haltung der europäischen Lebensmittelbehörde. Der Initiator des Beschwerdeschreibens an die EFSA hat bereits im Jahr 2001 nachgewiesen, dass Bisphenol aus dem Blut einer schwangeren Frau an ihr Kind weitergegeben wird. Zahlreiche weitere Studien hätten diesen Befund bestätigt.

Daten "voll und ganz" ignoriert

Diese Daten ignoriere das EFSA-Gremium "voll und ganz", kritisiert Schönfelder. Die Behauptung der Behörde, wonach Ungeborene in ausreichendem Maße in der Lage seien, BisphenolA aus ihrem Blutkreislauf zu entfernen, sei "in keiner Weise akzeptabel", schreibt er mit Andreas Gies vom Umweltbundesamt und dem Pharmakologen Ibrahim Chahoud von der Berliner Charité. Eine Reaktion der EFSA zu diesem Vorstoß gibt es noch nicht.

Erwachsene müssten sich laut Gilbert Schönfelder tatsächlich keine Sorgen machen, sie seien durch die Grenzwertregelung ausreichend geschützt. Ungeborene und Kinder hingegen könnten durch die allgegenwärtige Chemikalie Schaden nehmen, darauf deuteten verschiedene Studien hin.

Die Behörde sollte deshalb dem Vorsorgeprinzip gehorchen und den Plastikgrundstoff verbannen, wie es bereits die kanadische Regierung getan habe, fordert Schönfelder. Im April hatte sie Bisphenol A als "gefährliche Substanz" eingestuft und Babyflaschen aus Polycarbonat verboten. Kurz zuvor hatte auch eine amerikanische Toxikologen-Kommission Bedenken geäußert.

Die Regierungseinrichtung war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Substanz die Nerven-Entwicklung von Föten und das Verhalten von Kindern beeinflussen könnte. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass die Entwicklung der inneren Geschlechtsorgane vor der Pubertät gestört werden könne. Es sei quälend, dass "alle zurückrudern", klagt Schönfelder, "nur Europa nicht".

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