Biotechnologie:Opium aus dem Braukessel

Schlafmohn

Schlafmohnpflanzen auf einem Feld in Hessen.

(Foto: Zucchi Uwe/dpa)

So einfach wie Bierbrauen: Nordamerikanische Forscher liefern eine Bauanleitung, mit der man Hefezellen dazu bringen kann, Zucker in illegale Drogen zu verwandeln. Das ist Segen und Fluch zugleich.

Von Hanno Charisius

Die Herstellung harter Rauschmittel wie Heroin könnte bald so einfach sein, wie das Brauen von Bier. Bioingenieure haben Zellen der Bierhefe beigebracht, aus einfachem Zucker chemische Vorstufen von Opioid-Wirkstoffen herzustellen, wie sie zum Beispiel in Schmerzmitteln enthalten sind - aber eben auch in Drogen. Die amerikanisch-kanadische Forschergruppe verpflanzte dazu sieben Gene aus anderen Organismen in die Hefezellen und versetzte sie so in die Lage, Reticulin herzustellen. Das ist jene Substanz, aus der Schlafmohnpflanzen Morphin machen. Das Reticulin kann aber auch als Ausgangsstoff für viele andere Opioide dienen. Diese ließen sich herstellen, indem man die Mikroorganismen der Hefe mit weiteren Zusatzgenen ausstaffiert.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Opioide vollständig biotechnologisch herstellen lassen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt Nature Chemical Biology. Es sei zwar nicht einfach, die dafür nötigen biochemischen Einzelschritte alle in einen Mikroorganismus zu übertragen, sagt John Dueber von der University of California in Berkeley, der an der Arbeit beteiligt war, "aber es ist machbar".

"Höchste Zeit, um Regeln für diese Art von Forschung aufzustellen"

Positiv betrachtet erscheint damit der Weg zu einer verbilligten Arzneimittelproduktion geebnet. Mit Hilfe der veränderten Mikroben ließen sich viele Wirkstoffe erzeugen, die heute aufwendig und mit hohen Kosten aus Pflanzen extrahiert und weiter verarbeitet werden müssen.

In den Händen von Drogenproduzenten allerdings würden solche Mikroben zu einem unkontrollierbaren Problem. Mit ihrer Hilfe wäre das Herstellen von starken Rauschmitteln nicht mehr viel komplizierter, als daheim in der eigenen Küche Bier zu brauen. In einigen Jahren könnten Mikroben Substanzen herstellen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, sagt Dueber, "es ist höchste Zeit, Regeln für diese Art von Forschung aufzustellen".

Ein paar Vorschläge diesbezüglich liefern Kenneth Oye, Chappell Lawson und Tania Bubela, drei Experten für Technologie-Regulierung, in einem Kommentar, der am Freitag im Fachjournal Nature erscheinen wird. Dueber und seine Kollegen hatten sich bereits vor einigen Wochen an die Kollegen gewandt, weil sie unsicher waren, wie sie mit ihren Forschungsergebnissen umgehen sollten. Schließlich liefern ihre Erkenntnisse eine genetische Bauanleitung, mit der man Hefezellen dazu bringen kann, Zucker statt in Alkohol, in illegale Drogen zu verwandeln.

Diese Informationen unter Verschluss zu halten, erschien keinem der Wissenschaftler als vernünftige Vorgehensweise, weil früher oder später doch bekannt wird, wie man Mikroben die notwendigen Fähigkeiten beibringt. Oye, Lawson und Bubela empfehlen nun, dass Opiod-produzierende Einzeller in Zukunft nur unter staatlicher Aufsicht und mit strengen Auflagen gezüchtet und gehandelt werden dürfen. Das soll verhindern, dass sie in falsche Hände geraten.

Die unerlaubte Weitergabe von solchen Zellen solle zudem schwer bestraft werden. Und um auszuschließen, dass Drogenproduzenten die Mikroben in eigenen Labors nachbauen, sollten Unternehmen, die das notwendige Material verkaufen, verschärfte Auflagen bekommen.

Noch wirkungsvoller erscheint die Strategie, von Anfang an Sicherheitsmechanismen in die Hefezellen selbst einzubauen. So könnte man sie genetisch schwächen, damit sie sich nicht so einfach außerhalb eines Labors vermehren lassen wie normale Hefezellen, denen man nur Zucker geben muss. Man könnte sie sogar so gestalten, dass sie abhängig sind von einem seltenen Nährstoff, der nicht tonnenweise im Großhandel verfügbar ist.

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