Biosprit:Benzin aus Unkraut

Ein neuartiger Hefepilz verwandelt Pflanzenreste in Ethanol und treibt damit die Suche nach Biokraftstoffen der zweiten Generation voran.

Christopher Schrader

Die Menschheit hat gute Gründe, genau zu verstehen, wie Hefe funktioniert. Die sogenannte Bäckerhefe, die wissenschaftlich Saccharomyces cerevisiae heißt, leistet beim Brotbacken und Bierbrauen wertvolle Dienste. Neben Essen und Trinken dient der einzellige Pilz demnächst einem dritten, moderneren Grundbedürfnis: dem Autofahren. Der Alkohol Ethanol, den die Hefe produziert, ist ein umweltfreundlicher Ersatz für Benzin. Und eine Gruppe amerikanischer Forscher hat den Einzeller nun zu einem Mikroorganismus aufgerüstet, der diesen Treibstoff besonders effektiv aus Stroh und anderen Pflanzenabfällen erzeugt.

Abendlicher Spaß auf Strohballen

Könnte dank eines Hefepilzes zu umweltfreundlicherer Mobilität beitragen: Stroh.

(Foto: dpa)

Die Suche nach Biokraftstoffen der zweiten Generation kommt damit einen großen Schritt voran. Das könnte Kritiker besänftigen, die sich gegen den aktuell verfügbaren Biosprit wenden: Weil der oft aus Mais, Weizen oder anderem essbaren Getreide gemacht wird, treibt er die Lebensmittelpreise in die Höhe. Außerdem ist Energie aus Pflanzen keineswegs klimaneutral. Erst vom 1. Januar 2011 an gilt die Vorschrift, dass Biosprit im Vergleich zu konventionellem Kraftstoff der Umwelt mindestens 35 Prozent Treibhausgas ersparen muss. Dabei soll die ganze Kette von Acker bis Auspuff bewertet werden. Auf Pflanzenabfälle oder reines Grünzeug umzusteigen, das auf kargen Böden wächst, könnte sowohl das Tank-oder-Teller-Dilemma lösen als auch die Umwelt schonen. Dafür müssen Mikrobiologen aber eine Reihe verflochtener Probleme lösen.

Die Hefe soll Ethanol aus zwei Arten von Zucker produzieren, die für Menschen unverdaulich sind. Das ist zum einen Zellulose, die Pflanzen Stabilität verleiht. Es ist ein Kettenmolekül, das aus Hunderten einfacher Zuckerverbindungen besteht. Erst wenn es durch Zugabe von Enzymen in seine Glukose-Bausteine zerlegt wird, können die Hefen diese gut verdauen. Aber dann bleibt ungefähr ein Drittel des gesamten Zuckers im Pflanzenmaterial ungenutzt. Die Hefen können damit nichts anfangen, weil die unverdaulichen Moleküle fünf Kohlenstoffatome (C-5) enthalten statt sechs wie bei der Glukose. Auf diesem Stand der Technik arbeitet die weltweit erste Fabrik für Ethanol aus Stroh im dänischen Kalundborg; dort landet der ungenutzte C-5-Zucker in Tierfutter.

Biologen und Fabrikmanager betrachten das als Verschwendung. "Wenn wir auch den C-5-Zucker verarbeiten, bekommen wir um die Hälfte mehr Ethanol heraus", sagt Andre Koltermann vom Konzern Süd-Chemie. Sein Unternehmen baut zurzeit eine Demonstrationsanlage in Straubing auf; selbst gezüchtete Mikroorganismen sollen dort beide Zuckertypen verdauen. Es ist in der Forschung bereits Standard, den Hefepilzen Gene von anderen Mikroorganismen einzupflanzen, die den C-5-Zucker Xylose verarbeiten können. Es gibt dabei aber oft ein Problem: Die Hefen nehmen erst Glukose und dann Xylose auf und arbeiten daher zu langsam.

Um das Problem zu umgehen, haben die Autoren der neuen Studie wieder auf der Glukose-Seite eingegriffen:

Das Team um Suk-Jin Ha von der University of Illinois in Urbana hat dem Hefepilz ein fremdes Transportprotein eingebaut. Es schleust eine Art Doppel-Glukose, die beim Auflösen der Zellulose-Ketten im vorletzten Schritt anfällt, durch die Zellmembran. Erst dann erzeugt ein ebenfalls nachgerüstetes Enzym die benötigte Glukose (PNAS, online). Das erwies sich offenbar als Schlag durch einen gordischen Knoten. Der veränderte Pilz hat nun zwei unabhängige Stränge, um beide Arten von Zucker gleichzeitig aufzunehmen und zu verdauen; er erzielt so eine um 25 Prozent größere Ethanol-Ausbeute.

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