Biologie:Klima oder Abwasser?

Biologie: Trichodesmium-Bakterien (im Bild vor Australien) treten auf einmal massenhaft vor den Kanaren auf.

Trichodesmium-Bakterien (im Bild vor Australien) treten auf einmal massenhaft vor den Kanaren auf.

(Foto: CC)

Vor den Kanarischen Inseln vermehren sich massenhaft Bakterien. Über die Ursache der Mikrobenblüte streiten sich die Wissenschaftler.

Von Velten Arnold

Sie sind bräunlich, tauchen plötzlich in großen Massen auf und verschwinden dann wieder: Mikroorganismen, wie sie in diesem Sommer geballt vor den Kanarischen Inseln in Erscheinung treten. Sie treiben wie Teppiche auf dem Meer und nähern sich immer häufiger auch den Stränden. "Viele reden zwar von Mikroalgen, weil sie früher als Blaualgen bekannt waren, aber genau genommen handelt es sich um Cyanobakterien namens Trichodesmium erythraeum", erklärt Marta Sansón, Meeresbiologin an der Universität La Laguna.

Die Mikroorganismen, die im Gegensatz zu anderen Bakterien Photosynthese betreiben, gedeihen normalerweise in tropischen Gewässern südlich der Kanarischen Inseln. Dafür, dass sie auf einmal massenhaft vor den Kanaren auftreten, macht Antonio González, Dozent für Ökologie an der Universität Las Palmas, vor allem den Klimawandel verantwortlich. "Die Temperatur des Meeres steigt bei uns alle zwanzig Jahre um ein Grad. Vorgestern haben wir sogar 24 Grad gemessen." Hinzu kommen in diesem Jahr besondere Umstände, sagt der Ökologe. Die sonst in den Sommermonaten wehenden Passatwinde aus dem Nordosten seien ausgeblieben, dafür habe wiederholt der heiße Wüstenwind Calima geblasen, der das Meer beruhige und aufheize und viel Eisen und Phosphor enthalte - hervorragende Nährstoffe für die Cyanobakterien.

Andere Forscher sehen hingegen einen möglichen Zusammenhang mit den Einleitungen ungeklärter oder nicht ausreichend geklärter Abwässer. Laut Fernando Sabaté, Oppositionspolitiker der Partei Podemos im Inselparlament Teneriffas, fließen allein von Teneriffa täglich 57 Millionen Liter Abwässer ins Meer, die nicht nach den europäischen Vorschriften gereinigt wurden. "Durch die Einleitungen wird das Wasser vor den Küsten mit Nährstoffen gedüngt", sagt der Ozeanologe Jesús Cisneros. "Möglicherweise trägt dies zur derzeitigen Bakterienblüte bei."

Auch zwei Forscher des israelischen Ozeanografischen Instituts, Eyal Rahav und Edo Bar-Zeev, kamen in einer Studie zu dem Schluss, dass die Einleitung ungeklärter Abwässer die Blüte von Cyanobakterien begünstigen kann. Diesen Zusammenhang bestreitet die Regierung der Kanarischen Inseln allerdings vehement und beruft sich auf Wissenschaftler, die die aktuelle Blüte für ein natürliches Phänomen halten. Zu ihnen gehören auch die Meeresbiologin Marta Sansón und der Ökologe Antonio González. Nur in einem sind sich die Wissenschaftler einig: Aufgrund des Klimawandels werden Cyanobakterienteppiche in Zukunft wohl häufiger vor den Kanarischen Inseln auftauchen. Die Leiterin der Umweltbehörde, María Luisa Pita, sagt: "Wir werden uns an solche Ereignisse gewöhnen müssen."

Den Gesundheitsbehörden zufolge sind die Cyanobakterien für Menschen unbedenklich. Allerdings wird empfohlen, nicht zu baden, wenn sie geballt auftauchen, da sie Hautreizungen verursachen können.

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