Biologie:Einen Mondbären aufbinden

Auf wundersame Weise entstehen immer wieder neue Tierarten - doch Minkwal, Weißes Nashorn und Polarbär gibt es gar nicht.

Ulrich Schnapauff

Achtung, Quiz. Was haben Mondbär, Polarbär, Weißes Nashorn und Minkwal gemeinsam? Antwort: Seit Jahren tauchen sie immer wieder in deutschen Medien auf.

ANHOLTER BÄRENWALD

Nein, das sind keine Mondbären - jedenfalls nicht in der deutschen Sprache. Bei uns heißt der Moon Bear (englisch) immer noch Kragenbär.

(Foto: dpa)

Weitere Gemeinsamkeit: Diese Tiere existieren nicht. Es handelt sich bei ihnen zwar nicht um Ausgeburten der Phantasie wie Loriots Laus, die sich vom Steinefressen ernährt (wissenschaftlicher Name: Petrophaga lorioti, im Pschyrembel beschrieben). Aber hinter den Namen dieser Bären, Nashörner und Wale stehen Tiere, die ganz anders heißen.

Kein zoologisches Lexikon in Deutschland kennt den Mondbären. Gemeint ist der Kragenbär in Asien, der seinen deutschen Namen von einem weißen Kragen bezogen hat.

Englisch heißt er eben nicht "collar bear", sondern "moon bear". Das wurde wörtlich ins Deutsche übersetzt. Die Tierschutz-Organisation Animals Asia bemüht sich seit Jahren, den Mondbären ins Deutsche einzuführen.

Mit dem Polarbären ist der Eisbär gemeint. Polarbär ist die direkte Übersetzung von "polar bear". Nach einem "ice bear" würde man im Englischen lange suchen. Wer einem Briten oder Amerikaner vom "ice bear" Knut erzählte, würde sogleich korrigiert: Also gibt es zwei Arten im Deutschen - Eisbär und Polarbär.

Das nicht so weiße Nashorn

Das Weiße Nashorn ist im Gegensatz zum Schwarzen Nashorn weiß, oder? Nein - so wenig wie das Schwarze Nashorn schwarz ist.

A white rhino and its baby cross a road on the drying shores of Lake Nakuru in Kenya's Rift Valley

Diese White Rhinos (englisch) sind nicht weiß, sondern haben ein weites (breites) Maul, was im Englischen zu white geworden ist. In der deutschen Sprache gibt es den passenden Namen Breitmaulnashorn. Und sein Verwandter, das Spitzmaulnashorn heißt auf englich Black Rhino, weil das so ein schöner Gegensatz zum White Rhino ist. Schwarz ist das Tier nicht.

(Foto: Reuters)

Die beiden Nashorn-Subspecies unterscheiden sich nicht durch ihre Farbe, sondern durch die Form ihres Mauls.

Die eine hat ein spitzes Maul, die andere ein breites.

In Afrikaans ist das breite Maul ein "weites" Maul.

Aus weit machten die Briten "white", und so entstand im Englischen das "white rhino", und als Gegensatz dazu bildeten sie, ohne jeden Anlass, den Begriff "black rhino".

Ein Makel, der sich im Englischen bis heute gehalten hat.

Da müssen wir wirklich nicht mitmachen. Wir sagen, einfach und korrekt: Breitmaulnashorn und Spitzmaulnashorn.

Mink-, Minke- oder doch Zwergwal

UN-CLIMATE-ANTARCTICA-AUSTRALIA-MINKE WHALES

Es gibt für diese Tiere den mehr oder weniger passenden deutschen Namen Zwergwal, weil die Meeressäuger die kleinsten der Furchenwale sind. Den Namen Minkwal gibt es eigentlich nicht - selbst im Englischen heißen die Tiere schließlich Minke Whale - mit e.

(Foto: AFP)

Auch der Minkwal oder der Minkewal taucht regelmäßig in den Pressemitteilungen von WWF und Greenpeace auf. Ob Mink oder Minke, im zwölfbändigen "Grzimeks Tierleben" kommt beides nicht vor.

In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Tier um den Zwergwal. Keine glückliche Bezeichnung, denn der Zwerg kann bis zu zehn Meter lang werden. Aber er hat nun mal diesen Namen, weil er unter den Furchenwalen der kleinste ist (der Größte ist der bis zu 30 Meter lange Blauwal).

Mink erklärt sich im Deutschen nicht. Der WWF gibt zu, dass er die Herkunft der Bezeichnung nicht kennt. Greenpeace erklärt: "Als internationale Organisation verwenden wir den international gängigsten Namen, Minkewal."

Aber Greenpeace verwendet auch Minkwal. Im Englischen heißt der Zwergwal "minke whale", das e in minke gesprochen wie i.

Was "minke" bedeutet, ist nicht klar. Englisch ist es nicht. Man nimmt an, dass es aus dem Norwegischen kommt. Möglicherweise steht als Namensgeber dahinter ein Walfänger, der Meincke hieß. Minkewal im Deutschen wäre nachvollziehbar. Minkwal nicht. Mink ist englisch für Nerz. Und mit dem Pelztier Nerz hat der Wal nichts zu tun.

Jetzt greift "Murphy's Law": Was passieren kann, passiert - manche Zeitgenossen machen den Minkwal zum Nerzwal. Gerade haben wir Eltern und Großeltern beigebracht, dass es den Walfisch nicht gibt, weil der Wal kein Fisch ist, sondern ein Säugetier, es also nur Wal heißen darf. Schon müssen wir weiter aufklären, dass der Nerzwal alias Zwergwal für die Pelzindustrie uninteressant ist.

Aber nicht nur im Deutschen geht manches verquer. Für das kanadische Fischereiministerium, das bei der alljährlichen Robbenjagd die Verantwortung trägt für das weltweit größte Massaker an Meeressäugetieren, sind sogar die Robben Fische und die Robbenjagd wird als harmlos klingende "seal fishery" bezeichnet oder noch abstruser als "harvest" - das heißt Ernte.

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