Bioenergie:Schluss mit Biogas und Holzpellets

Die Biomasse in Deutschland reicht nicht aus, um den Energiebedarf zu decken. Deshalb sollte der weitere Ausbau der Bioenergie gestoppt werden, empfiehlt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Die Deutschen müssen sich nun entscheiden. was ihnen wichtiger ist: Essen oder Energie.

Christopher Schrader

Die Sonne glänzt auf Solarzellen, daneben wachsen schlanke Bäume auf einer Plantage, deren Besitzer daraus Holzpellets für Heizungen herstellen, und am Horizont drehen sich Windräder - dieses Szenario einer umweltfreundlichen Energieversorgung bekommt jetzt einen Dämpfer.

Holzpellets dienen zum Heizen - aber ist das überhaupt sinnvoll?

Biomasse als Energiequelle in größerem Maßstab ist keine wirkliche Option für Länder wie Deutschland, sagt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Haben Holzpellets als Brennstoff keine Zukunft?

(Foto: dpa)

Deutschland solle den weiteren Ausbau der Bioenergie stoppen, empfiehlt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. "Biomasse als Energiequelle in größerem Maßstab (ist) keine wirkliche Option für Länder wie Deutschland", schließt die Stellungnahme, die die Akademie am heutigen Donnerstag vorlegt. Das sei "ein kritischer Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung der Energiewende in Deutschland", sagt Akademiepräsident Jörg Hacker.

Das Ziel von 23 Prozent der Primärenergie, die laut den Szenarien der Bundesregierung im Jahr 2050 Pflanzen liefern sollen, ist nicht nachhaltig zu erreichen", begründet Rudolf Thauer, Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, das Votum. Er gehört zu den drei Koordinatoren des 124-seitigen Berichts, der der SZ vorliegt. "Die Verfügbarkeit der Biomasse ist nicht so hoch wie angenommen, und die intensive Landwirtschaft, die sie erzeugen soll, stößt sehr viele Treibhausgase aus."

Nur Zehn Prozent der Biomasse für Energie

Den Anbau zu steigern habe ungewollte Folgen. Schon heute werde den Wäldern mehr Holz entnommen als langfristig tragbar und auf den Feldern zu wenig Stroh untergepflügt, um die Bodenqualität zu erhalten. Gesteigerte Erträge ließen sich nur durch mehr Dünger erzielen, dessen Stickstoff in die Luft getragen als potentes Treibhausgas wirkt.

Außerdem gibt es ein Mengenproblem. "Selbst wenn wir die ganze Biomasse, die in Deutschland in einem Jahr nachwächst, verheizen würden, ließe sich damit der Energiebedarf nur zur Hälfte decken", so Thauer. Alle Stängel, Blätter, Wurzeln, Knollen, Körner und Früchte würden dann verwertet, kein Mensch gespeist, kein Tier gefüttert, kein Tisch gebaut, kein Halm untergepflügt.

Tatsächlich aber beanspruchen die Deutschen dem Bericht zufolge etwa zwei Drittel der jährlichen Pflanzenproduktion für ihr Essen und sonstige Güter und nutzen ein Zehntel für Energie. Außerdem importieren sie Biomasse, die knapp einem Drittel des hiesigen Ertrags entspricht. Bioenergie trägt in Deutschland darum nur sieben Prozent zum Bedarf bei, einheimische Produktion nur drei Prozent.

Auf Fleisch verzichten bringt mehr

Die Bundesregierung sowie ihre Berater von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe und dem Bioökonomierat erwarten jedoch, den Anteil heimischer Biomasse bis 2050 auf 23 Prozent steigern zu können. Die Zahl wird dadurch gemindert, dass der Energieverbrauch sich bis dahin halbieren soll. Beide Entwicklungen zusammengenommen müsste sich die Biomassenutzung für Energiegewinnung bis dahin etwa verdreifachen, was mit einer Verdopplung der Anbaufläche und gesteigerten Erträgen gelingen soll.

Beides hält die Leopoldina für falsch. Auch Importe lässt sie nicht als Ausweg gelten. Wenn ferne Länder für den deutschen Bedarf die Landwirtschaft intensivierten oder Wälder abholzten, "exportieren wir die Umweltprobleme", sagt Thauer. Zudem müsse sichergestellt werden, dass die Menschen in jenen Ländern genug zu essen haben. Ob diese sozialen und ökologischen Bedingungen in den Herkunftsländern effektiv überwacht werden könnten, sieht der Forscher aus Marburg kritisch.

Biogaskessel und Windräder zusammenschalten

Die Stellungnahme lehnt den Gebrauch von Bioenergie aber nicht komplett ab. Wenn vielleicht fünf Prozent der benötigten Energie nachhaltig aus Pflanzenmaterial gedeckt werden könnten, sollte sie vor allem in zwei Anwendungen fließen. Zum einen als Treibstoff für Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge, die nicht vernünftig mit Elektroantrieb funktionieren. Und zum anderen, um Kapazitätsreserven in der Stromerzeugung zu schaffen. Wenn hier Biogaskessel mit Windrädern und Photovoltaikanlagen zusammengeschaltet werden, können sie den fluktuierenden Bedarf unabhängig vom Wetter besser decken.

Außerdem zeigen die Experten, welch großer Anteil der Biomasse in Deutschland für tierische Nahrungsmittel aufgewandt wird. Das Vieh, das später Fleisch, Käse und Milch liefert, vertilgt sechsmal so viel Grünzeug wie bei der Ernte von Gemüse und Obst anfällt. Essen pflanzlicher Herkunft liefert aber zwei Drittel der aufgenommenen Kalorien, die tierischen Produkte nur ein Drittel. Die Ernährungsgewohnheiten zu ändern, "könnte wahrscheinlich stärker zur Milderung des Klimawandels beitragen, als es die meisten Bioenergie-Produktionen leisten können".

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