Bibel-Forschung:Ein eiskaltes Wunder

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Für gläubige Christen gilt: Jesus wandelte über das Wasser. US-Forscher bieten dafür nun eine wissenschaftliche Erklärung - die allerdings ebenfalls recht wunderlich anmutet.

Markus C. Schulte von Drach

Es war die Nacht nach der wundersamen Brotvermehrung: Jesus schickte seine Jünger nach Betsaida, auf der anderen Seite des Sees Genezareth, und ging auf einen Berg, um allein zu beten.

So stellte sich Rembrandt die Situation auf dem See Genezareth vor: Jesus reicht dem versinkenden Petrus die Hand. (Foto: British Museum, London)

Am Abend aber sah Jesus, wie sich seine Jünger auf der Mitte des Sees mit dem stürmischen Wind abplagten - und "um die vierte Nachtwache kam er zu ihnen und ging auf dem See, und als sie ihn dort sahen, hielten sie ihn für ein Gespenst. Jesus aber trat zu ihnen ins Boot" (Markus-Evangelium 6, 45 - 61).

Dem Evangelium nach Matthäus zufolge stieg dann Petrus aus dem Boot und wollte ebenfalls über das Wasser zu Jesus laufen - was ihm zuerst sogar gelang. Dann aber sank er ein, wurde von Jesus festgehalten und zurück ins Boot gebracht. (Matthäus-Evangelium 14, 22 - 32).

Aber wandelte Jesus wirklich auf dem Wasser? Für Wissenschaftler ist der Glaube an Wunder so eine Sache. Auch für wunderbare Phänomene suchen sie nach naturwissenschaftlichen Erklärungen.

Deshalb beschäftigte sich der Meereswissenschaftler Doron Nof von der Florida State University mit dem Wasser-Wunder. Und wie die New York Times berichtet, hat er nun eine wunderliche - aber nicht wundersame - Erklärung für den wasserwandelnden Jesus vorgeschlagen.

Der Heiland wäre demnach tatsächlich über Wasser gegangen - über gefrorenes Wasser.

Temperatur-Sturz in der Antike

Wie Nof und seine Kollegen im Journal of Paleolimnology (DOI: 10.1007/s10933-005-1996-1) berichten, kam es in der Region um den See Kinneret - dem biblische See Genezareth bzw. dem Galiläischen Meer - in den letzten 12.000 Jahren wahrscheinlich immer wieder zu überraschenden Eisbildungen.

Zwar, so Nof, ist es in der jüngeren Geschichte dort nicht mehr zu solchen Wetter-Phänomenen gekommen. Vor 1500 bis 2500 Jahren, als die Atmosphären-Temperatur mindestens drei Grad niedriger lag als heute, war das aber sehr wahrscheinlich immer wieder der Fall.

Die Ursache für die immer wieder auftretende Eisbildung hängt mit Besonderheiten des Galiläischen Meeres zusammen.

Der See Kinneret wird durch eine Reihe von Süßwasserquellen gespeist - entlang des Westufers gibt es jedoch auch salzige Quellen. Die Wissenschaftler analysierten die Dynamik des Wassers über diesen Quellen - und stellten fest, dass es normalerweise nicht gefriert.

Bei solchen Kälteeinbrüchen, wie sie in der Antike im Nahen Osten aufgetreten sind, kam es nach Einschätzung der Forscher jedoch alle 160 Jahre dazu, dass sich dort überraschend Eis bildete.

Gerade in Tabgha, einer Region am See Kinnert, wo Jesus sich aufgehalten haben soll, gibt es eine Reihe solcher Salzwasser-Quellen. Es könnte also sein, vermuten Nof und Kollegen, dass die Geschichte vom Wasser-Wandel-Wunder ihren Ursprung in einem der seltenen Wetter-Phänomenen hat.

Der Eindruck, als ginge jemand über das Wasser

"Da das Quellen-Eis relativ dünn ist, könne jemand, der dort steht oder geht, bei Beobachtern aus einiger Entfernung den Eindruck erwecken, er ginge über das Wasser", vermuten die Wissenschaftler. Dies gelte umso mehr, wenn es geregnet, und sich auf dem Eis eine Wasserschicht gebildet hätte.

Zu entscheiden, ob es tatsächlich so war, sei "eine Angelegenheit für Religionswissenschaftler, Archäologen, Anthropologen und Gläubige", schließen die Forscher.

Als Naturwissenschaftler könnten sie lediglich darauf hinweisen, dass diese einmaligen Eisbildungsprozesse in der betreffenden Region wahrscheinlich in den letzten 12.000 Jahren immer wieder aufgetreten sind.

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