Bernhard Grzimek:Öko-Pionier und Medienstar

Bernhard Grzimek war mehr als ein tierlieber Fernsehonkel, er setzte sich schon früh für Naturschutz ein - nicht nur in seiner berühmten TV-Sendung. Am Freitag wäre er hundert Jahre alt geworden.

Wolfgang Roth

Gute Parodien brauchen - neben der Könnerschaft des Parodisten - eine gute Basis: Der Parodierte muss bekannt sein, sonst stellt sich kein Aha-Effekt ein.

Bernhard Grzimek, Öko-Pionier und Fernsehstar, ddp

Bernhard Grzimek kämpfte gegen die Vermenschlichung von Tieren, war aber doch eitel genug, um immer wieder mit ihnen zu posieren.

(Foto: Foto: ddp)

Als Loriot seinerzeit die Steinlaus ans Licht brachte, wussten die fernsehenden Deutschen blitzartig, wen er so trefflich imitierte. "Guten Abend, meine lieben Freunde", so begrüßte ein in näselndem, markant-stockendem Ton vortragender Mann von 1956 an die Zuschauer.

Bis in die achtziger Jahre hinein, 175 Folgen lang war in der ARD dienstags "ein Platz für Tiere", so der Titel der Sendereihe und ein Versprechen, das schon bei den ersten Worten eingelöst wurde.

Neben Bernhard Grzimek nämlich war immer Platz für ein Mitbringsel aus dem Frankfurter Zoo, einen Gorilla oder einen Geparden oder einen Gast, der so vorgestellt wurde: "Heute habe ich ihnen einen kleinen Afrikaner mitgebracht. Er heißt Adalbert und ist eine kleine Schleichkatze."

Bernhard Klemens Maria Grzimek, der an diesem Freitag 100 Jahre alt geworden wäre, brachte den Deutschen die Tierwelt so nahe wie kein anderer. Das schmälert das Werk eines Heinz Sielmann nicht, der regelmäßig seine globalen "Expeditionen ins Tierreich" unternahm, aber der Tiermediziner und profunde Verhaltensforscher Grzimek war zwischen den Savannen Afrikas und den deutschen Studios mit einem Bienenfleiß unterwegs, der seinesgleichen sucht.

Am Anfang steht ein Welterfolg, der mit einem Oscar prämierte Dokumentarfilm "Serengeti darf nicht sterben", gedreht in jener Mischung aus Information und Emotion, die damals noch neu ist und später zahllose Epigonen findet, die zur Rettung bedrohter Arten aufrufen.

Grzimek kratzt an der "Krone der Schöpfung". Die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden ziert sich lange damit, dem Film das Prädikat "wertvoll" zu geben. Schwer verständlich aus heutiger Sicht, aber typisch für die damalige Zeit, dass die Qualitätswächter sich an zwei Sätzen stören.

Moderator mit Schulmeister-Attitüde

"Es wäre besser um die Welt bestellt, wenn sich die Menschen wie Löwen benähmen", lautet der eine, der andere endet mit der Aussage, "dass die Erhaltung der letzten Zebraherden für die Menschheit ebenso wichtig sei wie die Erhaltung der Akropolis oder des Petersdoms in Rom". So was passt nicht in ein anthropozentrisches Weltbild.

Der Tschimek, dessen Name bald hurtig über die Lippen der Deutschen kommt, ist aber beileibe kein Misanthrop. Jedoch erweitert er den auf Zoo und Zirkus beschränkten Blick und schafft unermüdlich ein Bewusstsein für die Lebensräume, auf die die Tiere angewiesen sind.

Es ist eine Zeit, in der die Wanderungen der Gnus und Zebras noch nicht auf hundert Kanälen in die Wohnzimmer flimmern und per se einen Schauwert haben, ohne mit ständigen Kampf- und Fress-Szenen aufgepeppt zu werden.

Bernhard Grzimek, der 1987 während einer Zirkusvorstellung starb, hat es nicht mehr erlebt, wie die Reizschwelle eines überfütterten Publikums durch immer spektakulärere Darstellungen erhöht wird - bis hin zur arrangierten Konfrontation von Tieren, die sich in der Natur immer aus dem Weg gehen.

Auch nicht die Fülle von Zoogeschichten, in denen unablässig der zärtliche Umgang des Pflegepersonals mit ihren Schutzbefohlenen im Mittelpunkt steht. Ein Eisbär zum Knuddeln - so weit sind die Deutschen zu Grzimeks Zeiten noch nicht. Dem Zoologen hätte der Rummel um Knut und Flocke missfallen, auch wenn er ihn genutzt hätte.

Die tierischen Gäste in seiner Sendung sind eine dramaturgische Auflockerung, ein Kontrast zum gediegenen Auftritt des durchaus eitlen, die Schulmeister-Attitüde nicht scheuenden Moderators. Und ein Anreiz, die Zuschauer für die gute Sache einzunehmen.

Millionen und Abermillionen Spendengelder kommen im Lauf der Jahre zusammen, die meisten fließen in Projekte einer Stiftung, die sich weltweit für den Artenschutz einsetzt; Grzimek ist außerdem bis zu seinem Tod Präsident der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Damit ihm nicht langweilig wird, leitet er so nebenbei fast 30 Jahre lang den Frankfurter Zoo.

Kampf für die Würde der Tiere

Das aber reicht dem umtriebigen Mann bei weitem nicht, auch nicht der Einsatz für Schutzgebiete in Afrika. "Ein Platz für Tiere", das ist auch ein mediales Forum, um die Batteriekäfige für Legehennen anzuprangern, das massenhafte Abschlachten der Robben, den Verzehr von Froschschenkeln und die Züchtung von Pelztieren.

Mit solchen Sendungen bereitet Grzimek den Boden, auf dem viel von dem gedeiht, was später tierschützerisches Allgemeingut wird. Und je stärker der Lebensraum in den Fokus des Artenschutzes rückt, desto mehr entsteht bei Zoologen seines Schlages die Verknüpfung mit dem Naturschutz, ein Bewusstsein ökologischer Zusammenhänge, auch das, was letztlich zur Gründung einer grünen Partei führt.

Gegen die Vermenschlichung der Tiere

Grzimek wird unter Willy Brandt Beauftragter der Bundesregierung für Naturschutz und gründet 1975 mit zwei Dutzend Mitstreitern den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Mit dabei: Horst Stern. Mit ihm, mit seiner Reportagereihe "Sterns Stunde" steht die Beziehung von Mensch und Tier in einem neuen, für viele Fernsehbetrachter in einem grelleren Licht.

Der ehemalige Journalist wendet sich mit einem aufklärerischen Duktus gegen die Vermenschlichung der Tiere, prangert unfähige Jäger und bestimmte Methoden der Pferdedressur an und informiert auf anschauliche Weise über das natürliche und das deformierte Verhalten vieler Arten.

So sachlich die Folgen auch gehalten sind, so deutlich wird das Bemühen, menschliche Vorurteile in Frage zu stellen und den Tieren damit letztlich ihre Würde zurückzugeben. Für Horst Stern, auch das schwingt in den Beiträgen mit, beraubt sich der Mensch, der nicht angemessen mit Tieren umgeht, seiner eigenen Würde.

Für diesen Geist bedurfte es aber der Vorarbeit und des Brückenbaus von Leuten wie Bernhard Grzimek, der trotz des Traumas, das den Erfolg des Serengeti-Films überschattete, unermüdlich am großen Lebenswerk arbeitete.

Sein Sohn Michael war während der Dreharbeiten bei einem Flugzeugabsturz gestorben; er wurde am Ngorongoro-Krater bestattet, dort, wo später auch die Asche seines Vaters beigesetzt wurde.

Heimlich aufgeklebt

Die Erinnerung an Bernhard Grzimek aber lebt immer wieder auf, wenn die vielbändige Enzyklopädie "Grzimeks Tierleben" in einer neuen Auflage erscheint. Oder auch, wenn Teile aus Loriots Werk gesendet werden.

Die Steinlaus darf dann selten fehlen, obwohl sie sich bei weitem nicht so anmutig bewegt wie die Schleichkatze Adalbert. Den richtigen Grzimek hat die Parodie sicher nicht gestört, er hatte neben seiner Hartnäckigkeit und seinem streitbaren Wesen auch einen skurrilen Humor.

Wegbegleiter berichten, dass er eine diebische Freude an Scherzartikeln aller Art hatte und ganz glücklich war, wenn er die Aufkleber der Zoologischen Gesellschaft heimlich an allen möglichen und unmöglichen Orten anbringen konnte.

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