Behandlungsfehler:Das Schweigen der Ärzte

Wer Patienten vor Ärztepfusch schützen will, muss das Klima des Schweigens in Kliniken und Praxen brechen.

Nina von Hardenberg

Ein Arzt soll zum Wohle der Kranken arbeiten, er muss sich davor hüten, ihnen zu schaden - so sagt es schon der Eid des Hippokrates, des Urvaters der Ärzte. Dennoch verlassen immer wieder Menschen das Krankenhaus kränker, als sie hineingekommen sind, manche sterben dort auch.

Behandlungsfehler, ap

Grobe Unachtsamkeit: Im australischen Sydney hatten Ärzte eine 17 Zentimeter lange Schere im Körper eines Patienten vergessen.

(Foto: Foto: AP)

Wie viele von ihnen tatsächlich Opfer von medizinischen Behandlungsfehlern sind, weiß niemand genau. Manchmal ist es im Nachhinein schwer zu beurteilen, ob eine ärztliche Entscheidung schuld daran ist, dass Komplikationen auftreten, oder ob der Patient selbst schon zu schwach in die Operation gegangen ist. So bleiben viele Fehler und Irrtümer unerkannt.

Und auch zu den eindeutigen Behandlungsfehlern gibt es bislang keine umfassende bundesweite Statistik. Zwar veröffentlichen etwa die Schlichtungsstellen der Landesärztekammern jährlich Berichte über Behandlungsfehler, doch sie decken nur ein Viertel der Streitfälle ab.

Es ist darum gut, dass der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU) mehr Transparenz über Behandlungsfehler schaffen möchte. Doch der Einfluss der Politik bleibt begrenzt. Entscheidend ist, wie jeder Arzt und jede Klinik mit Fehlern umgehen. Die Ärzteschaft hat in den vergangenen Jahren selbst viel getan, um die Sicherheit von Patienten zu verbessern. So haben etwa die Schlichtungsstellen der Landesärztekammern ihre Daten über Streitigkeiten ausgewertet und für Fortbildungen zur Verfügung gestellt.

Klima des Schweigens brechen

Das Problem dabei: Bei den Schlichtungsstellen landen nur jene Fälle, in denen sich ein Patient so schwer geschädigt fühlt, dass er Hilfe und Kompensation sucht. Ist es so weit gekommen, ist aber schon das schlimme Ende einer Verkettung von schlechten Umständen erreicht. Arzt und Patient stehen sich in Konfrontation und Schuldzuweisung gegenüber.

Wer die Zahl der Behandlungsfehler wirklich verringern will, muss früher ansetzen. Er muss das Klima des Schweigens in Kliniken und Praxen brechen. Er muss klarmachen, dass Fehler keine Frage von Hierarchien sind, sondern dass zum Wohle der Patienten auch der Assistenzarzt seine Zweifel äußern muss, selbst wenn eine Behandlung vom Chef abgesegnet ist.

Ein Teil der Ärzteschaft hat das längst erkannt. Vor zwei Jahren gaben deshalb 17 prominente Mediziner und Pfleger in einer spektakulären Erklärung ihre schlimmsten Fehler zu. Die Botschaft war so richtig wie unmissverständlich: Irren ist menschlich. Wer aber Fehler verschweigt, der nimmt in Kauf, dass sie vielleicht wieder passieren.

Längst nicht alle Ärzte sind so mutig. Zöller denkt deshalb zu Recht über ein System nach, in dem Ärzte sich anonym und ohne Angst vor Konsequenzen austauschen können. Ein Vorbild hierfür könnte etwa die Plattform "Jeder Fehler zählt" sein, die sich an Hausärzte richtet. Ähnliche Angebote gibt es bereits auch für andere Fachgruppen und Krankenhausärzte.

Existenzbedrohende Fehler

Anonyme Internetforen können auf Probleme aufmerksam machen. Ob Ärzte ihr Verhalten aber ändern, hängt maßgeblich von Vorgesetzten und der speziellen Kultur in einer Klinik oder Arztpraxis ab. Sinnvoller als bundesweit geöffnete Foren sind deshalb klinikinterne Meldesysteme. Leider sind sie noch längst nicht in allen Krankenhäusern Standard.

Eine missglückte Behandlung fügt dem Patienten Leid zu und unterminiert sein Vertrauen in das Gesundheitswesen. Doch auch den Arzt setzt sie unter erheblichen Stress. Ein verlorener Prozess kann ihn sein Ansehen kosten, und die finanzielle Belastung wird ihn möglicherweise in seiner Existenz bedrohen.

Auch das Gesundheitswesen wird durch die Folgekosten falsche Behandlungen belastet. Es sind Kosten, die sich das ohnehin klamme Gesundheitssystem nicht leisten kann und nicht leisten sollte. Darum ist es richtig, dass Zöller sich für mehr Transparenz einsetzt. Doch er kann den Ärzten und Krankenhäusern ihre Verantwortung nicht abnehmen.

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