Bedrohter Gepard:Letzte Zuflucht Iran

Bedrohter Gepard: Mit dem Motorad verfolgen Wildhüter im Iran Wilderer

Mit dem Motorad verfolgen Wildhüter im Iran Wilderer

(Foto: Christof Blumberger; Christof Blumberger)

Einst streiften Asiatische Geparden durch die Steppen von Arabien bis Indien. Heute sind sie fast ausgerottet, nur im Iran leben die letzten Tiere. Dort werden die Geparden beschützt.

Von natur-Autorin Christine Broll

Die aufgehende Sonne taucht die Steppe in ein warmes Licht, als bei den Wildhütern im Miandasht Wildlife Refuge das Telefon läutet. Ein Schafhirte aus dem Nachbardorf ruft an. Er hat im nördlichen Teil des Schutzgebiets einen Wilderer beobachtet. Die beiden Wildhüter Mehdi Talbi und Ahmad Safarzadeh zögern keinen Augenblick. Sie schultern die Gewehre, schwingen sich auf ihr Geländemotorrad und rasen durch die Steppe, gewillt, den Wilderer zu stellen.

Illegale Jäger sind die größte Bedrohung für die Asiatischen Geparden, die im Miandasht Wildlife Refuge im Nordosten des Iran leben. Dabei haben es die Wilderer nicht einmal auf die Geparden selbst abgesehen, sondern auf deren Beutetiere, die Gazellen. Aber mit jeder Gazelle, die stirbt, schwindet ein Stück der Lebensgrundlage der Geparden.

Die Asiatischen Geparden sind quasi die Cousins der Afrikanischen Geparden, genauer gesagt bilden sie die Subspezies Acinonyx jubatus venaticus. Asiatische Geparden sind etwas kleiner als die afrikanischen Vettern und auch nicht ganz so schnell. Charakteristisch für sie ist das dicke Nackenfell, das bei manchen Tieren wie eine Mähne wirkt. Sie sind auch die einzigen Geparden, die ein warmes Winterfell bekommen - als Anpassung an die kalten Winter in den Steppengebieten.

Bedrohter Gepard: Asiatischer Gepard

Asiatischer Gepard

(Foto: Christof Blumberger; Christof Blumberger)

Vor rund 100 Jahren lebten schätzungsweise noch 100 000 der Raubkatzen in ihrem ursprünglichen Habitat, das sich von der arabischen Halbinsel über Syrien und Afghanistan bis in den Osten Indiens erstreckte. Die heutige Restpopulation im Iran wird auf 50 bis 70 Tiere geschätzt.

Schutzgebiete in der Steppe

Dass es sie überhaupt noch gibt, ist ein Erfolg des iranischen Gepardenschutzprojekts, das 1998 ins Leben gerufen wurde und international als "Conservation of the Asiatic Cheetah Project" (CACP) bekannt ist. In Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem United Nations Development Programme (UNDP), der International Union for Conservation of Nature (IUCN) und der Wildlife Conservation Society (WCS) wurde ein umfangreiches Programm verwirklicht. Wichtigste Maßnahme: die Ausweisung von Schutzgebieten in den weiten Steppengebieten im Osten des Iran, dem Rückzugsgebiet der letzten Geparden.

Aus natur 09/2015

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  • natur 09/2015

    Der Text stammt aus der September-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation. Mehr aktuelle Themen aus dem Heft 09/2015 auf natur.de...

Insgesamt gibt es im Iran heute zehn Schutzgebiete, die zusammengenommen so groß sind wie Baden-Württemberg und Hessen zusammen. Das Miandasht Wildlife Refuge gehört mit einer Größe von 840 Quadratkilometern zu den kleineren. "Wir schätzen, dass darin sechs Geparden leben", sagt der Wildtierexperte Shahab Cheraghi, der mehrere Jahre für das CACP arbeitete und jetzt manchmal Besucher nach Miandasht begleitet. Mit einer speziellen Erlaubnis des iranischen Umweltministeriums ist es möglich, hier einen der letzten Asiatischen Geparden zu sehen: das Männchen Kushki, das in der Nähe der Game Guard Station in einem abgegrenzten Bereich lebt.

Bedrohter Gepard: Kushki im Schatten unter einem Busch

Kushki im Schatten unter einem Busch

(Foto: Christof Blumberger; Christof Blumberger)

Shahab Cheraghi fühlt sich Kushki eng verbunden, da er sein Leben schon viele Jahre begleitet. Kushki war zwei Wochen alt, als seine Mutter in der Nähe des Nationalparks Touran von einem Rudel Hirtenhunde angegriffen wurde. Die Mutter konnte mit einem ihrer Jungen fliehen, Kushki aber blieb zurück. "Die Hirten wollten das Junge in Teheran auf dem Schwarzmarkt verkaufen", erzählt Shahab. Doch ein Mann namens Kushki kaufte das Tier vor Ort und übergab es dem iranischen Umweltministerium. "Nach seinem Retter wurde der kleine Gepard benannt", ergänzt Shahab. Nachdem Kushki von Experten in Teheran aufgezogen wurde, kam er ins Schutzgebiet Miandasht.

Hier lebt er in der Obhut der Ranger. In freier Wildbahn hätte er keine Überlebenschance, da er nicht in der Lage ist, größere Beutetiere, wie zum Beispiel Gazellen, zu jagen. "Junge Geparden müssen das Jagen von Gazellen im Laufe des ersten Lebensjahres von ihrer Mutter erst lernen", erläutert Shahab. Kushki hatte dazu aber keine Gelegenheit. "Die Wildhüter haben ihm sogar schon eine Gazelle ins Gehege gebracht, doch er hat sie nicht beachtet", sagt Shahab. Hasen dagegen wecken seinen Jagdinstinkt.

"Ein Meisterwerk der Evolution"

Bedrohter Gepard: Gepard Kushki jagt einen Hasen

Gepard Kushki jagt einen Hasen

(Foto: Christof Blumberger; Christof Blumberger)

Am frühen Abend ist Fütterungszeit. Ahmad Safarzadeh hat in der Nacht zuvor einen Wüstenhasen lebend gefangen und bringt ihn in einer Transportbox zu Kushki. Noch liegt der Gepard entspannt unter einem trockenen Busch und leckt sich die Pfote. Ahmad Safarzadeh stellt die Box auf den Boden und öffnet sie. Wie der Blitz rennt der Hase los. Staub wirbelt auf. Kushki springt auf und jagt mit geschmeidigen Bewegungen dem Hasen hinterher. Das Tier, wesentlich kleiner als eine Gazelle, erkennt er offensichtlich als Beute. Nach wenigen Sekunden hat er den Nager gepackt und trägt ihn zum Fressen unter einen Busch.

Bedrohter Gepard: Die Geparden sind von der Evolution für die Hochgeschwindigkeitsjagd optimiert

Die Geparden sind von der Evolution für die Hochgeschwindigkeitsjagd optimiert

(Foto: Christof Blumberger; Christof Blumberger)

Die kurze Verfolgungsjagd lässt nur ahnen, zu welchen Höchstleistungen Geparden fähig sind. "Sie sind ein Meisterwerk der Evolution und doch so verwundbar", sagt Shahab, als er Kushki beim Fressen zusieht. Der gesamte Organismus der Geparden ist für die Hochgeschwindigkeitsjagd optimiert. Der lange, muskulöse Schwanz hilft ihnen, bei hohen Geschwindigkeiten die Balance zu halten. Ihre kräftigen Krallen haben dieselbe Funktion wie Stollen an Fußballschuhen und sorgen beim Rennen für Halt. Sogar der schwarze Tränenstreifen, der den Tieren einen melancholischen Ausdruck verleiht, hat eine Funktion. Die dunklen Haare schützen die Augen, indem sie das grelle Sonnenlicht absorbieren.

Jagdhelfer der Antike

Die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Geparden nutzen Menschen bereits seit 5000 Jahren. Die ersten Bilder, die gezähmte Geparden zeigen, stammen aus dem alten Ägypten. Asiatische Geparden wurden fast in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet als Jagdhelfer eingesetzt. Besonders im Mittelalter war diese Art von Jagdsport sehr beliebt.

Im 16. Jahrhundert soll der indische Mogul Akbar der Große eine Menagerie von über 1000 Geparden besessen haben. Sämtliche Jagdgeparden waren allerdings Wildfänge, da in Gefangenschaft aufgezogene Tiere kein großes Wild jagen können. Das Zähmen soll drei Monate gedauert haben, in denen die Tiere in Käfigen gehalten wurden. Ging es zur Jagd, wurden die Tiere angeleint und bekamen eine Kapuze über den Kopf. Sobald das Wild in Sicht kam, wurden die Geparden von der Leine gelassen.

Nach der Fütterung von Kushki begleitet Cheraghi die Wildhüter auf ihrer Inspektionsfahrt in das Innere des Schutzgebiets. Mit jedem Kilometer wird die Steppe grüner. Sie kommen vorbei an einer Siedlung mit verlassenen Häusern. Die ursprünglich hier lebenden Hirten wurden in Dörfer außerhalb des Schutzgebiets umgesiedelt. Da seitdem keine Schafe und Ziegen in dem Bereich weiden, hat sich die Vegetation erholt. Neben den niedrigen Büschen wachsen vereinzelt sogar Tamarisken. Hier können Gazellen wieder ausreichend Nahrung finden und sich vermehren.

Eine stabile Gazellenpopulation ist die wichtigste Voraussetzung für das Überleben der Geparden in dem Schutzgebiet. Die Bedeutung der Gazellen verdeutlicht Cheraghi an einer Rechnung: Ein Gepard benötigt pro Woche eine Gazelle. Im Jahr sind das rund 50 Gazellen. Wenn man davon ausgeht, dass sich eine Gazellenpopulation von 500 Tieren pro Jahr um 100 Tiere vermehrt, reicht diese Population gerade aus, um langfristig zwei Geparden als Nahrungsgrundlage zu dienen. "Dies ist nur eine Modellrechnung, da Geparden auch andere Tiere, wie zum Beispiel Wüstenhasen, jagen", räumt Shahab Cheraghi ein. "Aber sie zeigt, dass man in den Schutzgebieten die Gazellenpopulation stärken muss, um Geparden zu schützen."

Dass von dem Schutz des Gebietes auch andere Tierarten profitieren, können Cheraghi und die Wildhüter sogar vom Auto aus beobachten. Sie sehen unterschiedliche Vogelarten, zum Beispiel Bienenfresser, eine Blauracke und sogar einen Steppenadler, der sich vor ihnen in die Lüfte erhebt. Am ausgetrockneten Flusslauf in der Ferne können sie eine kleine Herde Gazellen erspähen.

An einer künstlichen Wasserstelle hält das Team an. Mit Hilfe eines kleinen Windrads wird hier Grundwasser in große Blechwannen gepumpt. In dem Steinhaufen gegenüber der Wanne ist eine Fotofalle, eine Kamera mit Auslösesensor, verborgen. Einer der Wildhüter holt die Kamera zwischen den Steinbrocken hervor, legt den Fotochip in seine Kamera ein und betrachtet die Bilder der letzten Tage: zwei wilde Kamele mit ihren Jungen, ein Fuchs, eine Gazelle, noch ein Kamel und ein Gepard. Es herrschte reger Betrieb an der Wasserstelle.

Ein Ziel hat das Schutzprogramm erreicht: Die Bevölkerung zieht mit

Bedrohter Gepard: Kontrolle der Fotofalle bei einer Wasserstelle. An Tränkstellen zeichnen automatische Kameras bei Bewegung Bilder auf.

Kontrolle der Fotofalle bei einer Wasserstelle. An Tränkstellen zeichnen automatische Kameras bei Bewegung Bilder auf.

(Foto: Christof Blumberger; Christof Blumberger)

Diese Fotofalle dient nur der allgemeinen Information. Um den Bestand der Geparden zu ermitteln, setzen die Wissenschaftler spezielle Fotofallen ein. "Wir stellen zwei Kameras gegenüber auf, um beide Seiten den Tiers fotografieren zu können", erklärt Shahab Cheraghi, der im Naybandan Wildlife Refuge ein ähnliches Fotofallenprojekt managte. Das Punktemuster im Fell ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Dieses Muster wird mit einer speziellen Software erfasst, so dass für jedes Tier eine Identitätskarte angelegt werden kann.

Fotofallen sind die einzige Möglichkeit, die Population der Geparden zu schätzen. Menschen bekommen die Tiere nur äußerst selten zu Gesicht. Selbst Ahmad Safarzadeh, der schon seit mehreren Jahren als Wildhüter arbeitet, hat erst zweimal einen wild lebenden Geparden mit eigenen Augen gesehen. Insofern ist Kushki ein willkommenes Anschauungsobjekt. Immer wieder sind Besucher in Miandasht, um ihn zu sehen - Politiker genauso wie Vertreter von Naturschutzbehörden oder Bewohner der Umgebung. Kushki gibt dem Gepardenschutzprogramm ein Gesicht und fördert damit auch die Identifikation mit der vom Aussterben bedrohten Spezies.

Gegen Mittag knattert ein hellblauer, klappriger Kleinbus den Hügel zur Wildhüterstation hinauf. An Bord sind die Lehrer und Abschlussschüler des technischen Gymnasiums in Jarjarm, der nächsten größeren Stadt. Als Belohnung für ihre guten Prüfungen dürfen sie das Schutzgebiet besuchen und Kushki sehen. Zuerst einmal nehmen sie auf der Betonplattform vor der Station Platz, die Wildhüter servieren den im Iran obligatorischen Tee. Von hier aus hat man einen weiten Blick über die von faltigen, dunklen Bergen umrahmte Steppenlandschaft. Nach dem Tee laufen alle hinunter zu Kushki, um ihn bei der Fütterung zu beobachten.

"Der Kontakt zur lokalen Bevölkerung ist für das Schutzprogramm äußerst wichtig", verdeutlicht Shahab. Zum Beispiel wenn es darum geht, ein umfassendes Weideverbot in allen Schutzgebieten umzusetzen. Denn dazu müssen unter anderem neue Verdienstquellen für die Hirten geschaffen werden.

"Die Wildhüter sind Helden"

Die Zusammenarbeit mit den Anrainern der Schutzgebiete ist daher ein zentraler Punkt im Anhang zur zweiten Phase des CACP, das im November 2013 von der iranischen Umweltministerin und einem Vertreter des UNDP unterzeichnet wurde. Damit wurde das Projekt bis Ende 2016 verlängert.

Einen ganz entscheidenden Erfolg hat das CACP bereits erreicht. Das Projekt hat den Schutz der Geparden im öffentlichen Bewusstsein verankert. Während beim Start des Projekts vor 17 Jahren kaum ein Iraner von der Bedrohung der Asiatischen Geparden wusste, ist das Raubtier mittlerweile zu einem nationalen Symbol avanciert. Vor allem seit sich auch die iranische Fußballföderation für den Gepardenschutz engagiert: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien vergangenes Jahr waren auf den Trikots der iranischen Nationalmannschaft die Umrisse eines Gepardenkopfs im Stil eines Wasserzeichens aufgedruckt.

Seit 2007 feiert der Iran sogar einen "National Asiatic Cheetah Day" mit landesweiten Informationsveranstaltungen über die Asiatischen Geparden. Als Termin wurde der 31. August gewählt, um damit an das tragische Schicksal des Gepardenmädchens Marita zu erinnern. Am 31. August 1994 kam es mit seiner Mutter und einem Geschwisterchen zum Trinken an eine Wasserstelle in einem Vorort der Stadt Bafq. Die Mutter wurde von den Stadtbewohnern angegriffen und ergriff verletzt die Flucht. Das andere Junge starb kurze Zeit später. Marita aber konnte gerettet werden.

Sie lebte bis 2003 im Pardisan-Park in Teheran und wurde dort zum großen Liebling der Besucher, Filmemacher und Naturliebhaber. Sie war damals weltweit der einzige Asiatische Gepard, der in Gefangenschaft lebte.

Am Cheetah Day 2014 veranstaltete das iranische Umweltministerium gemeinsam mit dem UNDP einen offiziellen Festakt, an dem Diplomaten und Wissenschaftler sowie Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen und der UN teilnahmen. Der Repräsentant des UNDP im Iran, Gary Lewis, blickte an diesem Tag optimistisch in die Zukunft. "Wir glauben, dass wir den Rückgang dieser wundervollen, symbolhaften Tierart stoppen konnten", sagte er in Teheran.

Ganz besonders dankte Lewis den Wildhütern in den zehn iranischen Schutzgebieten für ihren tatkräftigen Einsatz: "Ihre Arbeit bringt sie oft persönlich in große Gefahr. In die Gefahr, von Wilderern erschossen zu werden. Die iranischen Wildhüter sind Helden."

Mehdi Talbi und Ahmad Safarzadeh sind zwei dieser mutigen Männer. Das beweisen sie immer wieder. 80 Kilometer sind sie dem Wilderer durch die Steppe hinterhergejagt, durch Staub und Hitze. Dann übernahmen die Kollegen des nächsten Postens die Verfolgung. Das Risiko gehört zu ihrem Leben. Jeden Tag. Aber sie lächeln. Es war ein guter Tag.

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