Bärtierchen:Dieses Tier überlebt mehr als 30 Jahre bei minus 20 Grad

1983 haben Forscher zwei Bärtierchen aus der Antarktis eingefroren. Jetzt hat man sie aufgetaut - die rätselhaften Organismen bekamen sogar wieder Nachwuchs.

Von Mathias Tertilt

Forscher malträtieren Bärtierchen regelmäßig: Die mikroskopisch kleinen Tiere müssen im Vakuum oder im Weltraum ausharren, werden ausgetrocknet und tiefgekühlt. Ein Experiment hat nun gezeigt, dass die Tierchen eingefroren mehr als drei Jahrzehnte überdauern können.

Die japanische Biologin Megumu Tsujimoto hat dazu Moos aufgetaut, das Forscher 1983 aus der Antarktis mitgebracht hatten. Seitdem waren die Tiere bei minus 20 Grad Celsius eingelagert. Im Moos fanden die Wissenschaftler zwei antarktische Bärtierchen (Acutuncus antarcticus), die etwa 200 Mikrometer lang waren, das entspricht ungefähr dem Durchmesser von zwei menschlichen Haaren. Außerdem überdauerte im tiefgefrorenen Moos ein Bärtierchen-Ei, berichten die Biologen im Fachmagazin Cryobiology.

Schöne Überlebenskünstler

Die Forscher nannten die Tierchen "Sleeping Beauty" eins und zwei. Umgesiedelt in eine Petrischale regte Nummer eins schon am ersten Tag ein Bein, am fünften Tag den ganzen Körper. Nach mehr als einer Woche krabbelte das erste Tierchen dann auf allen acht Beinchen herum und fing an, das Algenfutter um sich herum zu fressen. Nach drei Wochen legte es erstmals drei unbefruchtete Eier. Nummer zwei hingegen war einen Tag zuvor gestorben.

Während Säugetiere wie Braunbären nur einige Monate Winterschlaf halten, können Bärtierchen jahrelang in einem todesähnlichen Zustand, der sogenannten Kryobiose, verharren. Zuckermoleküle verhindern dabei wie ein natürliches Frostschutzmittel, dass Wasser in den Zellen gefriert und schädliche Eiskristalle entstehen. Gleichzeitig schalten die Tiere ihren Stoffwechsel in einen Sparmodus. Sobald die äußeren Bedingungen sich bessern, können die Tiere wieder in den normalen Zustand wechseln.

Die Biologen um Tsujimoto konnten nun auch zeigen, dass die Tiere sich nach so langer Zeit wieder vermehren können. Bärtierchen Nummer eins legte insgesamt 19 Eier, bis es nach 45 Tagen starb. Aus den meisten Eiern schlüpfte Nachwuchs. Parallel dazu schlüpfte an Tag sechs das Tier aus dem einst gefrorenen Ei und vermehrte sich ebenfalls.

Dass die Reproduktion so reibungslos funktioniert, verblüfft die Wissenschaftler. Offensichtlich überstehen nicht nur die Organe der Bärtierchen, sondern auch ihre DNA die lange Kältephase. Als Nächstes wollen die Forscher daher untersuchen, wie das Erbgut so lange intakt bleibt. Dies könnte auch für die Medizin von großem Interesse sein, zum Beispiel bei der Behandlung von Krankheiten des Erbguts.

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