Außenansicht:Emissionen verringern? Klingt furchtbar

Nach Kopenhagen ist jetzt auch die Klimakonferenz in Bonn gescheitert. Und wieder aus demselben Grund: Diese Veranstaltungen haben das falsche Ziel.

Eicke R. Weber

Und wieder ist eine Klimakonferenz fast ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Nach Kopenhagen ist jetzt auch Bonn gescheitert - fünf Monate bleiben noch bis Cancún, fünf Monate, um den nächsten Fehlschlag zu vermeiden.

Auf dem Roten Rathaus wird kuenftig Sonnenenergie erzeugt

Auch auf dem Roten Rathaus in Berlin wird kuüftig Sonnenenergie erzeugt.

(Foto: ddp)

Der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, hat vor kurzem eine Studie vorgelegt, die nicht mehr auf nationale Ziele zum Abbau von Kohlendioxid-Emissionen setzt, sondern die Betonung auf Emissionen pro Kopf legt.

Dies ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Für ein Land wie China ist es nicht einzusehen, warum es seine Emissionen reduzieren soll, solange seine Pro-Kopf- Emissionen weit unter denen Europas und der USA liegen. Solche Pro-Kopf- Ziele sind gerecht und für Entwicklungsländer auch finanziell interessant, wenn auf ihnen ein globales Kohlendioxid-Handelssystem gegründet wird.

Andererseits machen sie es jedoch entwickelten Ländern wie den USA umso schwieriger, einem solchen System beizutreten. Und abgesehen von der politischen Akzeptanz muss die Frage diskutiert werden, ob und wie ein solches globales Handelssystem überhaupt verlässlich realisiert werden kann. Für Betrügereien gäbe es viele Möglichkeiten.

Ein positives Ziel setzen

Es gibt einen alternativen Weg zum Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes ist im Prinzip ein negatives Ziel: Die Menschen verbinden damit eine Verringerung der Lebensqualität.

Politisch überzeugender sollte es sein, ein positives Ziel zu setzen: die kontinuierliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Verbrauch, bis zur vollständigen Deckung unseres Bedarfs aus diesen Quellen. Bei einer hundertprozentigen Versorgung aus erneuerbaren Quellen verursacht der Energiesektor auch keine Kohlendioxid-Emissionen mehr. Damit wäre gleichzeitig das Klimaproblem und das Energieversorgungsproblem gelöst.

Das Ziel einer hundertprozentigen Versorgung aus erneuerbarer Energie wird durch eine Erhöhung der Energie-Effizienz - und der damit verbundenen Reduktion des Verbrauchs - leichter erreichbar gemacht. Jedes Land sollte sich sein eigenes Hundert-Prozent-Ziel setzen: Einzelne Dörfer und Städte in Deutschland können dies bereits in wenigen Jahren erreichen, es gibt bereits lokale Projekte dazu. Bis 2020 könnten zunächst kleinere, dann größere Hundert-Prozent-"Inseln" hinzukommen. Europa sollte dieses Ziel bis 2040 schaffen, der Rest der Welt bis 2070, besser wäre 2050.

Oft lassen sich die Kohlendioxid-Emissionen eines Landes nur indirekt durch Regierungen beeinflussen. Sie hängen von Bevölkerungs- wie Wirtschaftswachstum ab: Die große Krise des vergangenen Jahres brachte eine unerwartete Minderung des globalen Ausstoßes von Kohlendioxid. Der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix sowie auch ein deutlich effizienterer Umgang mit Energie - zum Beispiel durch Gebäude mit besserer Wärmedämmung - können dagegen direkt durch staatliche Förderung beeinflusst werden.

Das geplante globale Handelssystem mit Kohlendioxid-Zertifikaten lässt sich kaum aufrechterhalten, wenn wichtige Länder nicht daran teilnehmen. Länder, die nicht mitmachen, haben einen Vorteil, da Waren ohne Kohlendioxid-Aufschläge billiger sind als Waren mit diesem Aufschlag. (Und dies sollte sicher nicht durch ein neues System von Zöllen und Handelsschranken ausgeglichen werden; dies würde nur zu mehr Protektionismus führen - und damit die Wirtschaft belasten.) Hingegen würde Beschleunigung bei der Energiegewinnung aus Sonne, Wind, Wasser, Geothermie, Wellen, und organischen Abfällen Arbeitsplätze schaffen und damit die Wirtschaft unterstützen.

Bald billiger als Kohle und Öl

Einige dieser Energiearten, wie die Solarenergie, sind zurzeit noch teurer als der jetzige Energiemix. Aber die rasche Entwicklung bei der Solarenergie, besonders der Photovoltaik, wird zu fallenden Preisen bei größeren Produktionsmengen führen, während die Preise fossiler Energien steigen werden.

Eicke R. Weber

Eicke R. Weber ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE.

(Foto: Fraunhofer ISE)

In den nächsten zehn bis 20 Jahren wird Energie aus Kohle, Öl und Gas daher teurer sein als die aus erneuerbaren Quellen. Weitere Fortschritte sind absehbar: Energiespeichersysteme werden verstärkt eingesetzt: Wasserspeicher wie Talsperren mit variablem Ausfluss oder Pumpspeicherwerken; thermische Speicher in Solarkraftwerken (wie im Sahara-Projekt Desertec vorgesehen); elektrische Speicher wie die sogenannte Redox-Flow-Batterie oder auch Wasserstoff, der durch Zerlegung von Wasser gewonnen und zu Methangas verarbeitet werden kann.

Die Länder, die sich besonders früh in diesen Techniken engagieren, gewinnen einen wichtigen Vorsprung. Die Messe Intersolar, die diese Woche in München stattfand, ist die weltgrößte Messe der solaren Technologien - und bereits etwa halb so groß wie die Frühjahrsmesse Hannover. Dies zeigt, wie wichtig diese Technologien für Innovationen und Jobs bereits geworden sind.

Vor kurzem fand in Berlin eine Konferenz des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungshilfeministeriums mit Vertretern der lateinamerikanischen Länder statt. Es zeigte sich, dass Länder wie Ecuador, Peru, aber auch der Inselstaat St. Lucia, sehr begierig sind, bei erneuerbaren Energien sowie der Erhöhung der Effizienz zu lernen.

Klimaverträglich, sicher, bezahlbar

Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen hat sein neues Gutachten unter das Thema gestellt: hundert Prozent erneuerbare Stromversorgung bis 2050 - klimaverträglich, sicher, bezahlbar. Er führt die wirtschaftlichen Konsequenzen verstärkter Forschungsförderung im Detail aus und macht deutlich, dass Deutschland langfristig erhebliche Vorteile dadurch haben wird.

Daher sollten wir uns bald zur Neujustierung unserer Klimaziele entschließen. Nicht der Abbau von Emissionen sollte das primäre Ziel der Politik sein, sondern die Umstellung unseres Energiesystems: den Anteil erneuerbarer Energien rasch zu erhöhen, bis hin zu hundert Prozent, Land für Land. Jahrelang haben sich die Regierungen verkämpft in Verhandlungen über den Abbau von Emissionen.

Nun sollte es ein Ziel sein, das in allen Ländern der Erde Anklang findet. Es ist selbst dann attraktiv, wenn ein Land die Details der Ergebnisse der Klimaforschung immer noch in Frage stellen sollte. Es löst das große globale Problem der Energieversorgung, und dass es dieses Problem gibt, hat bisher noch niemand bestritten.

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