Augenheilkunde:Augenärzte wollen Raketen und Böller verbieten lassen

Augenheilkunde: Erfreut die Augen nur aus sicherer Entfernung: Silvesterfeuerwerk.

Erfreut die Augen nur aus sicherer Entfernung: Silvesterfeuerwerk.

(Foto: Toni Heigl)

Ein Verzicht auf die Knallerei könnte weltweit tausende Augenverletzungen pro Jahr verhindern.

Von Werner Bartens

Prima Idee, guter Vorschlag. Und medizinisch absolut sinnvoll. Man braucht keinen - Achtung, Wortwitz - Doppelblindversuch, um zu erkennen, dass Feuerwerkskörper das Sehvermögen empfindlich beeinträchtigen können. Allein in den USA müssen jedes Jahr 10 000 Menschen in die Notfallambulanz, weil sie von Feuerwerk geschädigt werden. 2000 davon erleiden Augenverletzungen, bis zu ein Viertel erblindet dauerhaft.

In Deutschland sind die absoluten Zahlen geringer, aber auch hier sind jährlich Hunderte Augenverletzungen zu beklagen, Dutzende verlieren ihr Sehvermögen, weil eine Rakete oder ein Böller ins Auge gegangen ist. Insofern ist der Appell des internationalen Verbandes der Augenärzte nur zu begrüßen, den Verkauf von Feuerwerkskörpern zu untersagen. Nur bei Großveranstaltungen sollen sie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zugelassen sein.

Es stimmt ja, in Australien, wo keine privaten Feuerwerke mehr abgebrannt werden dürfen, kommt es zu deutlich weniger Augenverletzungen. Um bis zu 87 Prozent geringer fällt der Anteil der entsprechenden Körperschäden und Behinderungen in Ländern und Regionen aus, in denen der Kauf von Raketen und Knallkörpern erschwert oder ganz verboten ist. Und im US-Bundesstaat Minnesota haben sich die Verletzungen durch Feuerwerkskörper verdoppelt, nachdem der Bann von Knallern und Krachern aufgehoben wurde.

Das sind alles gute Argumente für ein Verbot, realistisch ist dieses vermutlich trotzdem nicht. Orthopäden würden es wohl auch nicht hinbekommen, Skifahren, Gartentrampoline und Squash zu untersagen. Neurologen und Psychiater schaffen es nicht, trotz schlagkräftiger Beweise für dauerhafte Schäden das Boxen zu verbieten. Und Hepatologen wie Hirnforschern ist es bisher nicht gelungen, das Komasaufen einzuschränken. Die Prohibition hat nur die Beschaffungskriminalität oder den Suff im Nachbarland befeuert.

Die Augenärzte meinen es gut, aber das reicht - wie so oft - eben noch nicht. Viele Menschen halten es für einen Ausdruck unbändiger Willensfreiheit, sich zu verletzen, zu betäuben und zu betrinken, wann und wie sie es wollen. Dass Feuerwerksverletzungen zu mehr als drei Vierteln junge Männer betreffen, ist nicht überraschend, ihre Willensbildung nimmt manchmal besonders skurrile Formen an. Für die anderen könnte man hingegen schon etwas tun. Etwa die Hälfte aller Augenverletzungen durch Feuerwerk betreffen nämlich die anderen, die Gaffer, Mitläufer, Drumherumsteher. Wenn sie wüssten, wie sehr sie gefährdet sind, würden sie vielleicht nicht länger die Augen vor dem Problem verschließen.

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