Man meint ja immer, die Welt sei schon lange bis in den letzten Winkel vermessen und kartografiert, nur stimmt das nicht. Erst zu Beginn des Jahres gelang es einem internationalen Forscherteam im Dschungel von Guatemala etwa 60 000 bis dahin unbekannte Maya-Ruinen aufzustöbern. Sie waren versteckt unter dem Blätterdach des Regenwaldes.
Man darf sich den Fundort allerdings nicht vorstellen wie einen akkurat gepflegten deutschen Nadelwald, sondern mehr wie einen Schneesturm aus Gestrüpp und Ästen, in dem man keine paar Meter weit sehen kann. Auch von oben, mit Blick aus dem Flugzeugfensterchen, war und ist dort nicht viel zu erkennen; der Wald sieht aus der Luft betrachtet aus wie ein stilles, grünes Meer. Und so ruhten die Maya-Ruinen jahrhundertelang im Dschungel. Doch ist der Mensch ist nicht Mensch, wenn ihm nicht etwas einfallen würde, in diesem Fall heißt seine Erfindung: Lidar, "light detection and ranging". Archäologen schicken seit ein paar Jahren aus Flugzeugen harmlose Laserstrahlen zu Boden.
Diese werden von Steinen, Sträuchern oder Gebäuden reflektiert und rasen wieder zurück zur Maschine. Aus der Zeit, die die Lichtstrahlen für ihre Reise brauchen, und der exakten Position des Flugzeugs gelingt es, ein akkurates Computermodell der Oberfläche zu erstellen. Bäume und Sträucher lassen sich aus den Daten bei Bedarf herausrechnen, übrig bleibt ein 3-D-Bild, auf dem Hügel, Häuser und Hindernisse zu erkennen sind. Mit der Technik ist es möglich, durch den Wald hindurchzuschauen, ohne ihn zu zerstören. Was einfach klingt, ist dennoch aufwendig und teuer. Denn das Flugzeug muss das zu untersuchende Gebiet in Streifen abfliegen; das kostet viel Sprit und Zeit, man denke nur an die Weite des schier unendlichen Regenwalds.
Dennoch: Das Verfahren hat die Archäologie revolutioniert. Während früher Abenteurer und Wissenschaftler, oft waren sie beides, über Jahre am Boden nach den Spuren alter Kulturen suchten, und dabei immer wieder an den Hindernissen der Natur scheiterten, ist es mit Lidar nun möglich, riesige versteckte Areale zu untersuchen. Im aktuellen Fall der versunkenen Maya-Stätten überflogen die Forscher allerdings nur eine vergleichsweise winzige Fläche 2100 Quadratkilometern, das entspricht etwa sieben Mal der Fläche Münchens. Will sagen: Der Regenwald ist noch ein kleines bisschen größer, und wer weiß, was er noch versteckt hält.