Atomtest:Was hinter der Detonation in Nordkorea stecken könnte

Atomtest: Unter dem Codenamen "Castle Bravo" testeten die USA 1954 die erste Wasserstoffbombe - bislang verfügen nur fünf Nationen über das Wissen zum Bau dieser Waffe.

Unter dem Codenamen "Castle Bravo" testeten die USA 1954 die erste Wasserstoffbombe - bislang verfügen nur fünf Nationen über das Wissen zum Bau dieser Waffe.

(Foto: Quelle: Wikimedia commons)

Wasserstoffbomben sind die mächtigsten Nuklearwaffen der Erde. Experten bezweifeln, dass Pjöngjang sie wirklich bauen kann. Doch es gibt eine alternative Erklärung für die unterirdische Explosion.

Von Robert Gast

Hiroshima und Nagasaki waren wohl noch nicht grausam genug. In den 1950er-Jahren bauten Physiker eine noch tödlichere Bombe. Sie nutzt die kernphysikalische Reaktion aus, die im Inneren der Sonne stattfindet, wo ständig Wasserstoff-Atomkerne zu Helium verschmelzen. Diese Wasserstoffbombe ist die zerstörerischste Waffe des Planeten, sie explodiert mit der dutzend- bis tausendfachen Sprengkraft konventioneller Atombomben.

Hat Nordkorea am Mittwoch diese Superwaffe getestet, wie das Regime behauptet? Bisher haben nur die USA, Russland, Frankreich, England und China das nötige Know-how. Experten zweifeln daran, dass nun auch Nordkorea die Technologie beherrscht. "Ich halte das für sehr unwahrscheinlich", sagt Gerald Kirchner vom Hamburger Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung. Seismologische Messungen deuten zwar darauf hin, dass es in einem gut hundert Meter tiefen Schacht, in dem Nordkorea bereits früher Atombomben testete, ordentlich gerumst hat. Die Explosion löste allerdings nur ein Erdbeben der Magnitude 5,1 aus, wie die Daten von Messstationen in Südkorea, Japan und Russland zeigen.

Ein Beben dieser Stärke entspricht nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe einer Sprengkraft von 14 000 Tonnen TNT. Damit ist Nordkoreas Bombe so stark wie ihre 2013 gezündete Vorgängerin - und könnte so viel Zerstörung anrichten wie die Hiroshima-Bombe. Zum Vergleich: Ein moderner US-Sprengkopf vom Typ W-87 hat mehr als das Zwanzigfache dieser Sprengkraft. Die stärkste je gezündete Wasserstoffbombe explodierte 1961 gar mit 3500-facher Wucht.

Explodierte nur die "Primärbombe"?

Der Bau solch einer Waffe gilt allerdings als enorme technische Herausforderung, das Wissen dazu ist ein gut gehütetes Geheimnis. Wasserstoffbomben bestehen aus zwei Teilen: Zunächst wird eine herkömmliche Nuklearwaffe aus spaltbarem Plutonium oder Uran gezündet. Ihre Explosion setzt unmittelbar darauf eine zweite Bombe in Gang, in deren Innerem wegen der enormen Hitze Atomkerne verschmelzen können. Gelingt das, brennt für den Bruchteil einer Sekunde eine kleine Sonne auf Erden. Sollte Nordkorea eine Bombe nach diesem Prinzip gebaut haben, ist der Test am Mittwoch nicht wie vom Regime in Pjöngjang erhofft verlaufen.

"Es könnte sein, dass nur die Primärbombe explodiert ist", sagt Kirchner. Wahrscheinlicher sei, dass das Regime wie schon 2013 eine konventionelle Atombombe getestet habe. "Die seismischen Messungen zeigen, dass die Explosion am Mittwoch sehr ähnlich ablief." Solch ein Test würde aus Kirchners Sicht Sinn ergeben. Schließlich hat Nordkorea bisher erst wenig Erfahrung mit Atomwaffen. Der erste Test 2006 missglückte, 2009 gelang die Zündung einer schwachen Bombe. Nach dem erfolgreichen dritten Test 2013 will Kim Jong Un womöglich sichergehen, dass er sich auf die Bombe verlassen kann.

Das Gerede von der Wasserstoffbombe wäre dann ein Bluff. Oder aber das Regime hat einfach dick aufgetragen. Atombombenbauer kennen einen recht einfachen Trick, um eine Kernspaltungsbombe zu verstärken: Sie verschließen einige Gramm der Wasserstoff-Varianten Tritium und Deuterium in einer Kapsel im Zentrum einer normalen Atombombe. Explodiert sie, schmilzt die Kapsel und die Atomkerne verschmelzen. "So ließe sich die Sprengkraft einer klassischen Atombombe verdoppeln", sagt Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg.

"Es kann sein, dass man das versucht hat, aber dann hätte es nicht gut funktioniert", sagt Gerald Kirchner. Was genau in Nordkorea explodiert ist, wird man frühestens in einigen Wochen wissen. Dann fangen Messstationen möglicherweise flüchtige radioaktive Gasmoleküle auf. Bei einer unterirdischen Explosion dringen sie mit der Zeit durch das Gestein und gelangen so in die Atmosphäre.

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