Atomphysik:Mit Gold zum Anti-Helium

Mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers haben US-Physiker eine zuvor noch nie experimentell erzeugte Form von Antimaterie entdeckt - das Gegenstück des zweitleichtesten aller chemischen Elemente.

Patrick Illinger

Die Welt der Materie ist um einen Baustein erweitert worden. Forscher am RHIC, einem Beschleuniger für schwere Atomkerne im staatlichen Brookhaven National Laboratory der USA, haben Anti-Helium erzeugt. 18 Exemplare dieser zuvor noch nie experimentell erzeugten Materieform haben die Physiker aus Milliarden von Teilchenkollisionen herausgefiltert, bei denen Goldatome aufeinander geschossen wurden.

Anti-Helium

In Rot zeigt dieses Bild die Spuren des Anti-Heliums nach der Kollision von Goldatomen in einem Beschleuniger für schwere Atomkerne im staatlichen Brookhaven National Laboratory, USA.

(Foto: The STAR Collaboration)

Anti-Helium ist, so wie jedes Antiteilchen, das physikalische Spiegelbild des entsprechenden, "normalen" Teilchens, in diesem Fall des auf der Erde geläufigen Heliums. Nach allem, was bisher bekannt ist, sind Antiteilchen exakt gleich schwer wie die zugehörigen Teilchen. Lediglich die Ladungen sind umgekehrt. So ist das zum Beispiel beim Antiteilchen des Elektrons, dem Positron. Im Fall der Atomkerne sind die "normalen" Kerne positiv geladen und die Antikerne negativ, so auch das nun in Brookhaven gefundene Anti-Helium.

Im aktuellen Theoriegerüst der Physik gibt es zu jedem Teilchen ein entsprechendes Antiteilchen. Begegnen sich die beiden Materieformen, so vernichten sie sich und erzeugen punktuell Energie, die gemäß der berühmten Einstein'schen Formel E=mc2 der Summe ihrer beiden Massen entspricht. Das ist der Grund, warum in der Natur keine Antimaterie zu finden ist: Sie würde sofort mit der üblichen Materie in Kontakt kommen und zerstrahlen.

Dass es aber Antimaterie grundsätzlich geben muss, entdeckte der geniale britische Physiker Paul Dirac 1928, als er Heisenbergs Quantenmechanik mit Einsteins Relativitätstheorie zusammenführte. Seine daraus hervorgegangene Dirac-Gleichung besagt, dass es negative Energie geben muss. Vier Jahre später fand diese mathematisch gewonnene Erkenntnis ihre experimentelle Bestätigung: In der aus dem Weltraum anstürmenden kosmischen Strahlung wurde das Positron entdeckt, das Antiteilchen des Elektrons.

Auch das Antiproton, das Gegenstück des Protons, ist inzwischen entdeckt. Bei Darmstadt wird zurzeit sogar eine Beschleunigeranlage gebaut, die vom Jahr 2018 an massenweise Antiprotonen für Experimente erzeugen soll.

Nachdem die Grundbausteine der Antimaterie experimentell längst gefunden wurden, ist es für Physiker kein Wunder, dass sich diese auch zu Atomen (Atomkern plus Elektronenhülle) zusammenfügen lassen. Mitte der 1990er Jahre wurde Anti-Wasserstoff gefunden und nun eben auch das Gegenstück des zweitleichtesten aller chemischen Elemente: Anti-Helium.

Dennoch umweht das Thema Antimaterie stets ein Hauch von Science Fiction. Grundsätzlich ist denkbar, daraus eine schreckliche Waffe zu bauen. Eine Antimaterie-Bombe hätte bei gleicher Menge Sprengstoff viel mehr Explosionsenergie als jede bekannte Kernwaffe. Aus diesem Grund war die US-Luftwaffe eine Zeit lang an dem Thema interessiert. Dabei lässt sich Antimaterie nicht in waffentauglichen Mengen herstellen, wie man auch jetzt an dem Aufwand sieht, den das Brookhaven-Labor betreiben musste, um 18 Anti-Helium-Kerne zu finden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: