Atommüll-Endlager:Standortsuche: Reise ins Ungewisse

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Nirgendwo auf der Welt gibt es bislang eine atomare Mülldeponie. Nur die USA haben bereits einen Lagerplatz ausgewählt.

Wolfgang Roth

Nach wie vor existiert weltweit noch kein genehmigtes Endlager für hochradioaktive, starke Wärme entwickelnde Abfälle. Es handelt sich im Wesentlichen um die abgebrannten Brennstäbe aus Atomkraftwerken und die Glaskokillen aus der Wiederaufbereitung. Das stützt die These der Kernkraftgegner, die zivile Nutzung der Atomenergie gleiche einem Flugzeug, das schon gestartet sei, bevor die Landebahn gebaut ist. Dagegen wenden die Befürworter ein, die Endlagerung sei technisch lösbar, sie werde nur aus politischen Gründen verzögert. Außerdem gebe es keinen übermäßigen Zeitdruck, weil die strahlenden Abfälle aus Sicherheitsgründen ohnehin 30 bis 40 Jahre zwischengelagert werden müssten.

Situation in den USA

Am weitesten sind die Vereinigten Staaten. Der US-Kongress hat im Juli den Weg frei gemacht für ein Endlager im Yucca Mountain, einem aus hartem Schmelztuff bestehenden Massiv neben dem Atomwaffentestgelände im Staat Nevada. Das Genehmigungsverfahren wird im nächsten Jahr anlaufen, von 2010 an könnte der Betrieb beginnen. Lange war in den USA, vor allem nach dem Terroranschlag am 11.September, das Transportrisiko beherrschendes Thema. Der Atommüll muss aus 39 Staaten über große Entfernungen nach Nevada gekarrt werden. Die US- Regierung verweist dagegen darauf, dass das Material an einer zentralen Stelle besser zu schützen sei als in den ungefähr 130 Zwischenlagern. Einige Geologen haben die Befürchtung geäußert, es könne in der Umgebung von Yucca Mountain noch zu vulkanischen Aktivitäten kommen.

In Finnland und Schweden

In Europa sind die Vorarbeiten in Finnland und in Schweden am weitesten fortgeschritten. Beide Länder setzen auf ein tiefes Endlager in Granitformationen, beide favorisieren Standorte in der Nähe bestehender Kernkraftwerke, wo die Bevölkerung weniger Vorbehalte gegen atomare Anlagen hat. In Finnland hat sich das Parlament fast einstimmig für den Standort Olkiluoto ausgesprochen, der in der Gemeinde Eurajoki am Bottnischen Meerbusen liegt. 20 der 27 Gemeindevertreter haben zugestimmt. Die Finnen rechnen damit, dass die Untersuchungen bis 2010 abgeschlossen sind, bei positivem Befund könnte der Betrieb etwa im Jahr 2030 beginnen.

In Schweden gibt es zwar noch keine Standortentscheidung. Drei Gemeinden haben aber ihr Einverständnis gegeben, dass auf ihrem Gebiet Bohrungen stattfinden, darunter Oskarshamn und Forsmark, wo schon Reaktoren stehen. In einem Versuchsstollen werden die Bedingungen eines Endlagers simuliert. Der politische Entscheidungsprozess dürfte unproblematisch werden, weil Stichproben ergaben, dass etwa 70 Prozent der Einwohner keine Vorbehalte haben. Die Schweden rechnen mit dem Betrieb spätestens 2040.

In Frankreich

Komplizierter ist die Lage in Frankreich. Laut Gesetz sollten bis zum Jahr 2006 zwei Standorte in unterschiedlichen Gesteinsarten untersucht werden. Die Granitformation in der Umgebung von Poitiers, Département Vienne, hat sich aber schon als ungeeignet erwiesen. Im Rennen ist nur noch ein Standort im lothringischen Tonschiefer, unterhalb des Fleckens Bure im Département Meuse. Ob dort der hochradioaktive Müll aus knapp 60 Kernkraftwerken und aus der Wiederaufbereitung in La Hague landen kann, wird in einem Untertagelabor untersucht. Vor 2030 wird wohl kaum eine politische Entscheidung fallen.

In Belgien und in der Schweiz

Belgien unterhält ein solches Forschungslabor in Mol. Die Schweizer mit ihren fünf Kernkraftwerken konzentrieren sich momentan auf einen Standort im Weinbauerndorf Benken, Kanton Zürich.

In Japan und in Großbritannien

Japan will sowohl Granit als auch Ton untersuchen, beginnt aber jetzt erst mit der Standortsuche; Erdbeben, vulkanische Tätigkeit und Siedlungsdichte bilden hohe Hürden für ein Endlager. Großbritannien fängt praktisch von vorne an, nachdem sich die bisherigen Standortpläne zerschlagen haben.

Ein europäisches Endlager?

Nur inoffiziell wird auf europäischer Ebene über internationale Endlager diskutiert. Kein Politiker macht sich beliebt, der seinem Land derzeit den Import von Atommüll nahe legt. Nicht nur der Clausthaler Professor Klaus Kühn, ein weltweit anerkannter Experte für "Tieflagerung", geht aber davon aus, dass es in einigen Jahrzehnten zu gemeinsamen Standorten in Europa kommen wird. Es hat wenig Sinn, wenn kleine Nationen wie Belgien, die Schweiz und die Niederlande partout ihr eigenes Endlager haben müssen - unabhängig davon, wie sicher die geologischen Barrieren und wie groß die anfallenden Mengen sind.

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