Atomkraftwerk in der Schweiz:Geologische Problemzone

Die Schweiz will in der Nähe der deutschen Grenze ein neues Kernkraftwerk bauen. Der geplante Atommeiler liegt allerdings im Erdbebengebiet.

Christian Heinrich

Ein neues Atomkraftwerk direkt neben ein altes zu bauen, gäbe Synergieeffekte. Die Bevölkerung im Umland wäre schon daran gewöhnt und würde keinen Widerstand leisten.

Solche Gedanken könnten den Verantwortlichen des Schweizer Energiekonzerns Atel durch den Kopf gegangen sein, als sie ankündigten, ein neues Atomkraftwerk neben den alten Meiler Gösgen setzen zu wollen. Der steht im Norden der Schweiz, im Kanton Solothurn, etwa 20 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Und ist für ein Atomkraftwerk mit nur 40 Kilometern Entfernung ziemlich nah an der Stadt Basel gelegen.

In Basel nämlich kommt es häufiger zu Erdbeben als in den meisten anderen Teilen der Schweiz. Vor etwa 30 Millionen Jahren hat sich hier der Rheingraben leicht geöffnet, seitdem bewegen sich zwei Plattenteile auseinander und führen zum Beben der Erde. Im Jahr 1356 beispielsweise wurde bei einem starken Beben das Baseler Münster beschädigt, zahlreiche Häuser stürzten ein. Die Baseler Erdbebenkatastrophengruppe der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich stellte sogar fest, dass es sich dabei um "das stärkste Erdbeben, das in historischer Zeit in Europa dokumentiert wurde", handele.

40 Kilometer Entfernung zwischen dieser geologischen Problemzone und dem Kraftwerk sind nicht viel, findet Geologe Adrian Pfiffner von der Universität Bern: "Wenn es in Basel stärkere Erdbeben gibt, kann natürlich auch bei Aarau die Erde wackeln."Urs Kradolfer vom Schweizer Erdbebendienst sieht darin keinerlei Gefahr. "Bei wichtigen Gebäuden wie Hospitälern und Atomkraftwerken gelten in Konstruktion und Bau strenge Maßstäbe. Selbst wenn es einmal zu einem größeren Beben käme, wie es in der Schweiz im Durchschnitt etwa alle 500 Jahre vorkommt, würden die Gebäude dem ohne Probleme standhalten."

Auch Pfiffner hält etwas anderes für wichtiger: "Das Problem der Schweizer Atomkraftwerke liegt vielmehr im Alter. Man muss die Gebäude selbst ersetzen, manche sind bereits fast 40 Jahre alt." Heute noch liefert ein Kernkraftwerk Strom, das seinen Betrieb 1969 aufnahm. Der Kernmeiler Gösgen startete bereits 1979. Die älteren Kraftwerke durchlaufen regelmäßige Sanierungen und Modernisierungen.

Bis 2020 aber sollen mindestens zwei der derzeit fünf Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Der Stromkonzern Atel rechnet damit, dass das geplante Atomkraftwerk bei Aarau spätestens im Jahr 2025 Strom liefern wird. Laut Prognosen ist es dann auch höchste Zeit. Obwohl die Schweiz mittlerweile die Hälfte ihres Stroms aus Wasserkraft erzeugt, befürchtet man von 2020 an einen Versorgungsengpass.

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