Atomkraft:Weg mit dem Plutonium

Wie sich radioaktive Substanzen per Transmutation in weniger schädliche Stoffe verwandeln.

Inga Ludwig

In den meisten Kernreaktoren werden die Kerne von Uranatomen gespalten. Dabei entstehen zwei Kerne leichterer Elemente, außerdem fliegen zwei oder drei freie Neutronen davon (die im Gegensatz zu Protonen ungeladenen Kernbausteine). Wenn diese freien Neutronen auf einen weiteren Urankern treffen, können sie wieder eine Spaltung auslösen. So kann eine Kettenreaktion entstehen.

Um einen Kernreaktor zu betreiben, muss dafür gesorgt werden, dass genau eines der bei einer Uranspaltung frei werdenden Neutronen wieder einen Kern spaltet (sonst kommt es zu einer anschwellenden Kaskade von Spaltungen bis hin zur Nuklearexplosion). Ingenieure sprechen vom "kritischen" Betrieb. Passen muss zudem das Stoffgemisch in den Brennstäben.

Natürliches Uran besteht zu mehr als 99 Prozent aus dem Isotop Uran-238, der Rest vor allem aus dem leichteren Uran-235. Aber nur Letzteres lässt sich für die Energiegewinnung nutzen. Hierfür wird der U-235-Anteil auf drei bis fünf Prozent angereichert, so ist die Kettenreaktion leichter zu steuern. Die schwerere Variante U-238 neigt dazu, Neutronen zu verschlucken, ohne dass es zu einer Spaltung kommt. Stattdessen bildet sich das Isotop Uran-239.

Und damit beginnt der Ärger: Uran-239 ist nicht stabil, sondern verwandelt sich durch radioaktiven Zerfall oder das Einfangen weiterer Neutronen in andere Elemente, manche davon gibt es in der Natur nicht. Neben Metallen wie Neptunium, Americium und Curium ist es vor allem Plutonium. Diese Stoffe heißen "Transurane", weil sie schwerer sind als Uran. Zwar machen sie am Ende nur ein Prozent des radioaktiven Mülls aus, aber sie sind oft extrem langlebig, ihre Strahlung setzt viel Wärme frei und: Sie eignen sich als Brennstoff für Atomwaffen.

Den größten Anteil bildet Plutonium. Vom restlichen Müll abgetrennt, wird es in manchen Ländern wieder als Brennstoff für spezielle plutoniumbetriebene Kraftwerke eingesetzt. Diese Wiederaufbereitung ist seit 2005 für deutschen Atommüll verboten. Die übrigen Transurane bilden bei der herkömmlichen Wiederaufbereitung zusammen mit den Spaltprodukten des Urans-235 den nicht wiederverwertbaren Müll. In Glas eingegossen wartet dieser in Deutschland bislang auf die Endlagerung.

Die faszinierende Grundidee der Transmutation ist: Die Transurane lassen sich wiederum mit Neutronenbeschuss spalten. So entstünden leichtere Elemente, die nicht oder weniger strahlen. Um den vorhandenen Müll aus Kraftwerken zu entsorgen, könnte ein eigens konstruierter Reaktor den Abfall mit Neutronen bombardieren. Die Anlage soll aber "unterkritisch" laufen, also eine Kettenreaktion vermeiden. Ein Partikel-Beschleuniger soll mit einem Kniff den fehlenden Anteil von Neutronen im Reaktorinneren entstehen lassen. Wird er abgeschaltet, bricht die Reaktion sofort ab.

Zwar braucht ein solcher Beschleuniger Strom, aber da bei der Spaltung der Transurane Energie frei wird, könnte sich die Anlage selbst betreiben. Diese nukleare "Müllverbrennung" könnte somit auch für ausstiegswillige Nationen wie Deutschland interessant sein, um den bereits vorhandenen Nuklearmüll zu entschärfen.

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