Wie erst jetzt bekannt wurde, gelten seit Samstag in der EU neue Strahlungsgrenzwerte für Lebensmittel aus Japan. Aber nein, behauptet nun die EU-Kommission, man habe die Grenzwerte nicht erhöht. Dabei versteigt sich die Brüsseler Behörde in verwaltungstechnischen Winkelzügen: Es sei lediglich eine Verordnung in Kraft gesetzt worden, die seit 1987 für Atomunfälle vorgesehen ist. Eine Schubladen-Verordnung also.
Man muss schon sehr in die Behördenwelt abgetaucht sein, um nicht zu merken, welch verheerenden Eindruck das in der Bevölkerung auslöst. Welcher Bürger soll jetzt noch glauben, dass die neuen (Verzeihung, längst in der Schublade vorgesehenen) Grenzwerte nicht dazu dienen, die Einfuhr verstrahlter Lebensmittel zu ermöglichen?
Die Tatsache, dass auch die höheren Grenzwerte medizinisch wohl unbedenklich sind, verblasst neben diesem politisch unfassbar ungeschickten Verwaltungsakt.
Seit Jahren werden in Deutschland Pilze und Wildfleisch weggeworfen, wenn diese mehr als 600 Becquerel Cäsium-137 aufweisen. Milchprodukte aus Japan dürfen nun stärker strahlen. Wieso eigentlich galten je die niedrigeren Grenzwerte?
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz setzt dem PR-Debakel noch die Krone auf, indem es betont, bis jetzt seien gar keine belasteten japanischen Lebensmittel in der EU gefunden worden. Überhaupt werde sehr wenig aus Japan importiert.
Dies ist ein kläglicher Versuch zu beruhigen. Er macht nur noch rätselhafter, warum jetzt Grenzwerte in Kraft sind, wie sie nach dem Tschernobyl-Desaster galten. In einem unseligen Eilverfahren hat Brüssel ein Lehrbeispiel dafür geliefert, wie man Verunsicherung und Misstrauen anheizt.