Atomkatastrophe in Japan:Plutoniumspuren, Strahlen aus dem Wasser

Wieso gehen die Experten nun davon aus, dass es in einem der Reaktoren von Fukushima-1 zur partiellen Kernschmelze gekommen ist? Was geschieht mit den verstrahlten Arbeitern? Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Atomkatastrophe.

Die Lage im Atomkraftwerk Fukushima-1 bleibt dramatisch - und weiterhin fließen die Informationen aus Japan nur spärlich. Was geschieht in den Reaktorblöcken? Wie geht es den drei verstrahlten Arbeitern? Und welche Auswirkungen haben die radioaktiven Isotope, die Europa bereits erreicht haben?

Japan earthquake and tsunami aftermath

Der stellvertretende Chef der Atomaufsicht, Hidehiko Nishiyama, erklärt, dass im Reaktordruckbehälter von Block 2 in Fukushima-1 vermutlich eine partielle Kernschmelze stattgefunden hat. Die Experten hoffen, dass die Schmelze vorüber ist.

(Foto: dpa)

sueddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie ist die aktuelle Lage in Fukushima-1?

Zwei Beobachtungen belegen, wie dramatisch die Situation in den Reaktorgebäuden 1 bis 4 von Fukushima-1 noch immer ist.

Hochradioaktives Wasser in den Blöcken 1, 2 und 3

In den Turbinenhäusern der Blöcke 1, 2 und 3 sowie in einem Tunnel zur Verlegung von Rohrleitungen außerhalb von Block 2 wurde hochradioaktives Wasser festgestellt. Noch ist nicht klar, wie das Wasser von den benachbarten Reaktorblöcken dorthin gekommen ist. Das Wasser in den Maschinenhäusern der Blöcke 1 und 3 stammt vermutlich aus den Sicherheitsbehältern (Containments) oder ist Teil des Wassers, das auf das Gebäude gesprüht wurde.

In Block 2, wo drei Arbeiter stark verstrahlt wurden, sind im Wasser Isotope wie Jod-134 und Cäsium-137 entdeckt worden, die eigentlich nur aus dem Reaktorkern stammen können. Es wird deshalb befürchtet, dass im Reaktordruckbehälter in Block 2 eine Kernschmelze stattgefunden hat, dass der Behälter nicht mehr dicht ist und dass das Wasser direkten Kontakt zu geschmolzenem Kernbrennstoff hatte. Wie das Wasser allerdings in das Maschinenhaus von Block 2 gekommen ist, ist noch unklar. Zudem wird vermutet, dass der Sicherheitsbehälter, der den Druckbehälter umschließt, ebenfalls ein Leck hat.

Spuren von Plutonium

An mehreren Stellen auf dem Gelände der Anlage wurden Spuren von Plutonium entdeckt. Die Konzentration gilt als unschädlich für den menschlichen Körper. Wichtig ist jedoch, woher dieses extrem gefährliche Element herkommt. Es kann entweder aus einem der Abklingbecken aus den Blöcken 1, 2 und 4 stammen, in denen abgebrannte Uran-Brennelemente gelagert werden, bis diese sich soweit abgekühlt haben, dass sie transportiert werden können. Das Plutonium kann hier als Zerfallsprodukt von Uran auftreten. Die Plutoniumspuren würden dann den desolaten Zustand in diesen Brennelemente-Swimmingpools bestätigen. Der Zustand der Brennelemente in den Blöcken 1 und 2 ist unbekannt, in den Blöcken 3 und 4 gelten sie als vermutlich beschädigt. Eine andere Quelle für das Plutonium könnten allerdings die Brennelemente im Reaktorkern oder im Abklingblecken von Block 3 sein. Es handelt sich hier um sogenannte Mischoxid-Brennstäbe (Mox), die aus Uran und zu einigen Prozent auch aus Plutonium bestehen. Wenn das Plutonium von hier stammt, dann spricht dies dafür, dass auch dieser Reaktordruckbehälter nicht mehr intakt sein.

Das bedeutet:

Demnach ist zu befürchten, dass aus den Reaktordruckbehältern in den Blöcken 2 und 3 radioaktives Material austritt - und weiter austreten wird. Derzeit werden die Reaktorkerne in den Blöcken 1, 2 und 3 weiter mit Wasser gekühlt, die Bemühungen, die Abklingbecken aufzufüllen, gehen weiter. Außerdem stehen die Arbeiter vor dem Problem, was mit dem radioaktiven Wasser passieren soll, das in den Kellern der Turbinenhäuser bis zu einem Meter hoch steht. Die Flüssigkeit muss abgepumpt werden, allerdings fehlt es offenbar an einer ausreichenden Zahl der dazu notwendigen Tanks.

(mcs)

Was passiert mit den drei verstrahlten Arbeitern aus Block 2?

Im Maschinenhaus des Blocks 2 waren drei Arbeiter extrem hoher Strahlung ausgesetzt. Beim Verlegen von Stromkabeln hatten sie in radioaktiv kontaminiertem Wasser gestanden, das zwei von ihnen in die Schuhe gelaufen war. Die Strahlung an der Wasseroberfläche betrug 1000 Millisievert pro Stunde. Aufgrund des direkten Kontakts mit dem Wasser zogen sich diese Arbeiter Verbrennungen zu. Die Ganzkörper-Strahlendosis, der die drei Arbeiter ausgesetzt waren, lag bei etwa 180 Millisievert.

Legt man die aus Japan stammenden spärlichen Daten zugrunde, so ergibt sich laut Bundesamt für Strahlenschutz aber folgendes Bild.

Die zwei Arbeiter mit Verbrennungen haben lokale Dosen von zwei bis sechs Sievert (2000 bis 6000 Millisievert) erhalten. Dies hatte die örtlich begrenzten Hautverbrennungen oder Hautveränderungen zur Folge, wegen der die Männer in eine Klinik eingewiesen wurden. Dabei handelt es sich um akute Strahlenwirkungen. Bei der Bewertung der Wirkung einer Strahlenbelastung auf die Gesundheit muss man jedoch zwischen solchen sofort auftretenden Folgen und den langfristigen Konsequenzen unterscheiden.

Hier spielt die Ganzkörperdosis eine Rolle, die bei den Arbeitern bei etwa 180 Millisievert lag. Diese Dosis liegt unter dem Grenzwert von 250 Millisievert, dem in Japan Kraftwerksarbeiter innerhalb eines Jahres ausgesetzt sein dürfen. 250 Millisievert ist auch der Grenzwert in Deutschland, der für Lebensrettungsmaßnahmen erreicht werden darf - allerdings nur einmal im Leben. Zur Abwehr von Gefahr beträgt der Grenzwert in Deutschland 100 Millisievert pro Einsatz und Jahr.

Akute Auswirkungen auf den Gesamtorganismus sind bei einer Dosis von 180 Millisievert nicht zu erwarten. "Sehr wohl erhöht sich aber bei diesen Arbeitern das strahlenbedingte Krebsrisiko", heißt es beim Bundesamt für Strahlenschutz. Bei einer solchen Strahlenbelastung erwarten Experten, dass bei etwa zwei Prozent der Betroffenen langfristig Krebserkrankungen zusätzlich zur spontanen Krebsrate auftreten. Mit anderen Worten: Unter hundert Personen, die dieser Strahlendosis ausgesetzt waren, würden zwei Fälle von Krebs mehr auftreten als in einer Vergleichsgruppe ohne Strahlenbelastung.

Dass die drei verstrahlten Arbeiter unter einer Plastikplane transportiert wurden, hängt vermutlich damit zusammen, dass man das Infektionsrisiko der Betroffenen minimieren will, deren Immunsystem möglicherweise von der Strahlung beeinträchtigt worden sein könnte. Vielleicht wollte man aber auch nur vermeiden, dass die Identität der drei bekannt wird.

(mcs)

Wie werden die Brennelemente in Fukushima-1 gekühlt?

Atommeiler wie die Siedewasserreaktoren von Fukushima-1 erzeugen Energie, indem die bei der Kernspaltung in den Brennelementen entstehende Wärme das Wasser im Reaktordruckbehälter erhitzt. Der dabei entstehende Dampfdruck treibt eine Turbine an. Das (radioaktiv kontaminierte) Wasser befindet sich in einem geschlossenen Primär-Kreislauf. Bei Lecks kann über Wasserdampf Radioaktivität entweichen. Der primäre Wasserkreislauf wird über einen weiteren (nicht kontaminierten) Wasserkreislauf gekühlt, der in diesem Fall durch Meerwasser gespeist wird.

Fehlt das Wasser im Druckbehälter aufgrund eines Lecks, so können sich die Brennelemente so stark erhitzen, dass es zur Kernschmelze kommt. Auch wenn ein Reaktor heruntergefahren wurde, wie es in Fukushima-1 der Fall war, kann die Nachzerfallswärme in einem solchen Fall zur Kernschmelze führen.

Über Not- und Nachkühlsysteme, die direkt an den Reaktorkühlreislauf angeschlossen sind, lässt sich von außen Wasser einleiten. Dieses dient dazu, das durch das Leck ausströmende Wasser zu ersetzen und die Wärme abzuführen. In Fukushima-1 wurde mit Hilfe von mobilen Generatoren dazu lange Zeit Meerwasser über das Feuerlöschwassersystem eingespeist. Inzwischen sind in den Blöcken 1, 2 und 3 provisorische elektrisch betriebene Pumpen aktiv, die wegen der drohenden Ablagerungen von Meersalz nun Frischwasser einspeisen.

Darüberhinaus wurden über das Feuerlöschsystem auch die Sicherheitsbehälter (Containments), die die Druckbehälter umgeben, mit Meerwasser geflutet. Das radioaktiv kontaminierte Wasser, das zur Kühlung eingesetzt wurde, wird derzeit ins Meer geleitet. In die nach oben offenen Abklingbecken der Reaktorblöcke wurde Meerwasser teilweise mit Hilfe des Beckenkühl- und -Reinigungssystem gepumpt. Außerdem wird versucht, die Becken mit Hilfe von Hubschraubern, Feuerwehrfahrzeugen und Autobetonpumpen (fahrbare Pumpen mit einem Verteilermast) aufzufüllen.

(mcs)

Wieso kehren Menschen in die Evakuierungszone zurück?

Die japanischen Behörden haben alle Menschen, die in einem Umkreis von 20 Kilometern um Fukushima-1 leben, aufgefordert, diese Zone zu meiden. In einer Entfernung von 20 bis 30 Kilometern sollen sie in ihren Häusern bleiben. Da die Versorgung dort schwierig geworden ist, hat die Regierung diese Menschen aufgefordert, das Gebiet ebenfalls zu verlassen.

Stattdessen kehren nun zahlreiche Anwohner in ihre Häuser und Wohungen in der inneren Evakuierungszone zurück, meldet der japanische Nachrichtensender NHK. Dabei hat die Strahlung um das Kernkraftwerk selbst zugenommen. Und die Gefahr einer Kernschmelze in den Reaktorkernen und Abklingbecken der Anlage ist noch nicht gebannt. Doch vor allem ältere Menschen sorgen sich offenbar um ihre Häuser, berichten Medien. Auch seien viele vom Leben in den Notunterkünften erschöpft. Die Präfekturverwaltung von Fukushima will die Zentralregierung in Tokio deshalb bitten, die Lieferung von Hilfsgütern in die Evakuierungszone zu verstärken.

Mit welchen Gesundheitsgefahren die Rückkehrer rechnen müssen, ist unklar. Studien zu den Folgen zu Tschernobyl oder den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki sind widersprüchlich. Die Hauptsorge der Experten gilt einem langfristig erhöhten Krebsrisiko.

(mcs/AFP)

Wie verkraftet der Pazifik die Radioaktivität im Meerwasser?

Seit fast vierzehn Tagen pumpen die Techniker Tausende Tonnen Meerwasser in die zum Teil aufgerissenen Reaktorgebäude, offenbar ohne sich darum zu kümmern, wohin das viele Wasser letztlich fließt. Insofern ist es nicht überraschend, wenn nun im Meer rund um die Reaktoranlage steigende Strahlungswerte gemessen werden, die punktuell fast 2000 Mal so hoch liegen wie der Grenzwert für Meerwasser.

Es ist offenbar viel kontaminiertes Wasser in den Pazifik geflossen. Als Glück im Unglück ist zu werten, dass radioaktive Substanzen im Meerwasser schnell verdünnt werden. Ein großer Teil der Strahlung stammt zudem von Jod-Isotopen, die eine relativ kurze Halbwertszeit haben, sodass ihre Strahlung in Tagen oder Wochen verlorengeht. Auch ist damit zu rechnen, dass zumindest die schwereren der chemischen Elemente aus den Reaktoren in Richtung Meeresboden absinken. Muscheln und andere Weichtiere, die üblicherweise Schadstoffe in ihrem Organismus ansammeln, dürften am ehesten auch radioaktive Stoffe in ihren Organismus einbauen. Von dort könnten sie schließlich auch in Raubfische gelangen. Meeresbiologen rechnen jedoch derzeit nicht mit einer großräumigen Verstrahlung des Meeres und seiner Ökosysteme.

(pai)

Welche Rolle spielt zurzeit das Wetter in Japan?

Die Windrichtung in der Region um Fukushima war an diesem Wochenende tendenziell günstig. Es herrschten Nordwest- und Westwinde vor, die auch am Montag anhalten sollen. Am Dienstag könnten wieder Luftmassen nach Norden strömen und das Gebiet rund um die Millionenstadt Sendai treffen.

(pai)

Was ist noch zu retten?

Im besten Fall gelingt es den japanischen Rettungsarbeitern, die weiterhin überhitzten Atomreaktoren sowie die Abklingbecken auf die notwendigen Temperaturen zu kühlen. Hierbei werden Fortschritte gemeldet; so wurde am Wochenende an mindestens zwei Reaktoren die Kühlung auf Süßwasser umgestellt. Dieses hat gegenüber Meerwasser den Vorteil, dass sich beim Verdampfen keine Salzreste bilden, die sich zwischen den Brennelementen festsetzen und den Kühlfluss behindern können. Es soll auch ein Schiff der amerikanischen Marine mit großen Mengen Kühlwasser zum Unglücksreaktor unterwegs sein.

Zugleich wäre es womöglich sinnvoll, das ablaufende Kühlwasser aufzufangen und beispielsweise in einer Erdgrube versickern zu lassen. Geologisch gesehen steht das Kraftwerk auf einer dicken Tonschicht. Diese könnte Wasser filtern. Das würde zwar das Gebiet um den Reaktor zusätzlich belasten, würde aber eine unkontrollierte Ausbreitung, beispielsweise im Meer, eventuell verhindern.

Bereits jetzt ist sicher, dass das Kraftwerksgelände mitsamt der Sperrzone und höchstwahrscheinlich auch noch weitere Bereiche der Präfektur Fukushima auf lange Zeit hinaus nicht mehr bewohnbar sein werden. Sollten außerdem in einem oder mehreren Blöcken des Kraftwerks die Druckbehälter geborsten sein, so müsste die Anlage, nachdem sie abgekühlt ist, wahrscheinlich mit massivem Materialaufwand zubetoniert werden.

(pai)

Wie stark sind die Region Fukushima und der Rest Japans aktuell belastet?

Die wenigen im Internet direkt ablesbaren Strahlungsmessungen lassen darauf schließen, dass die Strahlung generell abnimmt. Speziell ein in den vergangenen Tagen mit bis zu 150 Mikrosievert pro Stunde verstrahlter Landstrich 30 Kilometer nordwestlich von Fukushima ist derzeit nur noch mit etwa 50 Mikrosievert pro Stunde belastet.

Außerdem hat auch die Strahlung an einem Messpunkt in der Präfektur Ibaraki, etwa 130 Kilometer südlich von Fukushima, in den vergangenen Tagen stetig abgenommen. Seit dem Tsunami-Unglück vom 11. März hat sich jedoch mehrmals gezeigt, dass plötzliche Ereignisse in Fukushima-1 die Strahlung in mehreren Präfekturen Japans schlagartig wieder in die Höhe treiben können.

(pai)

In welchem Maße kann sich die Strahlung über die Erde ausbreiten?

Spuren der radioaktiven Elemente aus der Reaktoranlage von Fukushima haben Europa - auch Deutschland - bereits erreicht. Die Mengen sind jedoch äußerst gering und nur mit höchst sensiblen Messgeräten zu entdecken. Eine der empfindlichsten Anlagen für die Messung von Radionukliden in der Atmosphäre steht auf dem Berg Schauinsland bei Freiburg im Breisgau. Deren Messwerte veröffentlicht das für die Anlage zuständige Bundesamt für Strahlenschutz im Internet unter der folgenden Adresse: www.bfs.de/en/ion/papiere/schauinsland.html

(pai)

Sollte man Lebensmittel aus Japan derzeit meiden?

Mehrere Länder haben den Import von Lebensmitteln aus Japan ganz oder teilweise eingeschränkt, darunter China, Südkorea, Taiwan, Australien und Singapur. Tatsächlich erscheint es derzeit sinnvoll, zumindest auf landwirtschaftliche Produkte aus den betroffenen Provinzen zu verzichten. Vor der Einfuhr in die EU müssen Lebensmittel aus zwölf japanischen Präfekturen derzeit in Japan auf Radioaktivität geprüft werden. In Deutschland gibt es allerdings ohnehin nicht viele frische Lebensmittel aus Japan im Handel.

(pai)

Was ist eine Kernschmelze?

Brennelemente in einem Atomreaktor erzeugen aufgrund der Kettenreaktionen in ihnen extreme Hitze. Fällt der Strom in einem Kernkraftwerk aus, kann das Kühlwasser nicht mehr durch den Reaktorkern gepumpt werden. Das Wasser verkocht zu Dampf, der Druck im Reaktor steigt. Weil das Kühlwasser nun fehlt, beginnen die Brennelemente, sich in eine glühende Masse aus Uran, Plutonium, Stahl und radioaktiven Spaltprodukten des Ausgangsstoffes zu verwandeln. Das kann im normalen Betrieb passieren, oder auch - wie in Fukushima-1 - nachdem ein Atommeiler heruntergefahren wurde. Denn die Brennelemente produzieren noch eine Weile die sogenannte Nachzerfallswärme, die für eine Kernschmelze ausreicht.

Der glühende Brei des geschmolzenen Reaktorkerns, der eine Temperatur von 2000 Grad Celsius errreichen kann, ist in der Lage, den Stahl des Druckbehälters und auch den Sicherheitsbehälter zerstören und sich durch den Betonboden einer Atomanlage bis ins Erdreich hineinfressen.

(mcs)

Kann es zu einer nuklearen Explosion kommen?

Kernbrennstoff wird in einem Reaktorkern sehr sorgfältig angeordnet, damit die Kettenreaktion auf einem kontrollierten Niveau gehalten werden kann. Bei einer kompletten Kernschmelze fließen Urantabletten, Hüllrohre, Abstandshalter und Steuerstäbe als glühender Brei zusammen. Die Techniker in der Leitwarte haben dann keinerlei Kontrolle mehr über die Abstände der einzelnen Bestandteile.

Damit in dieser Situation die zuvor unterbrochene Kettenreaktion nicht wieder in Gang kommt, haben die Helfer in Fukushima reichlich Borsäure zum kühlenden Meerwasser hinzugefügt. Diese fängt Neutronen ab, die Urankerne zur Spaltung anregen. Darum halten es Fachleute für unwahrscheinlich, dass bei einer Kernschmelze Uran-235 eine kritische Dichte bekommt und die Kettenreaktion wieder anspringt.

Und selbst wenn es in einem kleinen Bereich passierte, in den vielleicht nicht genug Bor vorgedrungen ist, würde die entstehende Wärme die Kernbrennstoffe vermutlich auseinandertreiben. Die nukleare Explosion ist daher unwahrscheinlich, aber nicht kategorisch physikalisch ausgeschlossen.

(cris)

Sind Jodtabletten jetzt sinnvoll?

Gegen radioaktive Strahlung schützt grundsätzlich kein Medikament, denn diese schädigt den Körper nicht chemisch - wie etwa bei einer Vergiftung -, sondern physikalisch: Radioaktives Material bombardiert die Moleküle des Körpers und zertrümmert sie. Insofern wirken Jodtabletten nur indirekt. Indem sie die Schilddrüse mit nichtradioaktivem Jod sättigen, soll verhindert werden, dass sich strahlende Jod-Varianten in diesem empfindlichen Organ ansammeln.

Radioaktives Jod gilt als besonders gefährlich für den Organismus, weil es je nach Variante eine verhältnismäßig kurze Halbwertszeit von Stunden bis zu Tagen besitzt. Das bedeutet, die Jod-Atome entladen einen Großteil ihrer zerstörerischen Aktivität in diesen relativ kurzen Zeiträumen.

Die kurze Halbwertszeit von Jod ist aber auch ein Grund, warum die Einnahme von Jod-Tabletten in Deutschland derzeit nicht nötig ist: Bis Jod-Isotope aus Fukushima über die Stratosphäre nach Deutschland gelangen, haben sie ihre Gefährlichkeit praktisch verloren. Außerdem wären bei akuter Strahlenbelastung Jod-Dosierungen nötig, die nicht ohne ärztlichen Rat eingenommen werden sollten.

(pai)

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