Atomenergie:Wie sicher ist das AKW, das Putin in Ungarn bauen lässt?

Atomenergie: Russlands Präsident Wladimir Putin (links) trifft den ungarischen Premier Viktor Orbán.

Russlands Präsident Wladimir Putin (links) trifft den ungarischen Premier Viktor Orbán.

(Foto: AFP)
  • Russlands Präsident Putin und Ungarns Staatschef Orbán vereinbaren den Ausbau des Atomkraftwerks Paks.
  • Die Reaktoren, die dort zum Einsatz kommen sollen, entsprechen den aktuellen Sicherheitsstandards.
  • Ob die Reaktorhülle jedoch einer Kernschmelze standhalten würde, lässt sich auch für die neuesten Typen nicht mit Sicherheit sagen.

Bei seinem Besuch in Ungarn will der russische Präsident Wladimir Putin mit seinem Kollegen Viktor Orbán vor allem energiepolitische Themen diskutieren. Neben den EU-Sanktionen gegen Russland und Gaslieferungen an Ungarn sprechen die beiden über den Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks Paks durch die russische Rosatom.

Das AKW, das etwa 100 Kilometer südlich von Budapest entfernt steht, wurde zwischen 1969 und 1987 gebaut und deckt noch immer etwas mehr als 50 Prozent des ungarischen Strombedarfs. Der jüngste Störfall liegt 14 Jahre zurück, damals trat nach unsachgemäßen Reinigungsarbeiten radioaktives Gas aus.

Angesichts der Ausbaupläne von Putin und Orbán wird nun die Frage laut, ob die Sicherheit des AKWs in Zukunft gewährleistet ist. Ähnlich wie bei Autos gibt es auch bei Kernkraftwerken Modelle, die über die Jahren hinweg in neuen Generationen gebaut werden. Wie bei Autos geht meist eine Leistungssteigerung einher - wobei gleichzeitig auch die Sicherheit immer höher werden soll.

Meiler dieses Typs in vielen Teilen der Welt aktiv, früher auch in Deutschland

In Paks sind WWER-Reaktoren verbaut. Von der Sowjetunion bereits in den 1960er Jahren entwickelt, waren und sind Meiler dieses Typs in vielen Teilen der Welt aktiv, auch in Deutschland: Die Blöcke des nach der Wiedervereinigung abgeschalteten Kernkraftwerks Greifwald waren WWER-Reaktoren mit je 440 Megawatt Leistung.

Der mittlerweile in dritter Generation gebaute Reaktortyp ist heute vor allem in Russland und der Ukraine in Betrieb, aber auch in Bulgarien, Tschechien (Temelín), China, Indien sowie Iran. Diese neuen Reaktoren haben aufgrund technischer Neuerungen eine Stromleistung von 1000 Megawatt. Noch leistungsfähiger sollen Reaktorblöcke sein, die Ungarn auf dem Gelände des bestehenden Kernkraftwerks bei Paks hinzubauen will: 1200 Megawatt Strom sollen zwei neue WWER-Meiler liefern, deren Kauf Orbán mit dem russischen Präsidenten Putin verabredet hat. Russland selbst will in den kommenden Jahren ebenfalls 28 Blöcke dieses Typs im eigenen Land bauen, um den Strombedarf zu decken.

Die Abkürzung WWER steht für Wasser-Wasser-Energie-Reaktor. Die Bezeichnung signalisiert, dass Wasser an beiden entscheidenden Stellen des Reaktors zum Einsatz kommt: sowohl für die Kühlung des Druckbehälters als auch zur Bremsung des Neutronenflusses im Reaktorkern. Fachleute sprechen von einem Druckwasserreaktor - ein Prinzip auf dem gut zwei Drittel aller Reaktoren weltweit beruhen.

Den älteren Modellen wurden Sicherheitsmängel bescheinigt

Damit möglichst wenig Radioaktivität nach außen dringt, gibt es drei getrennte Wasserkreisläufe. Den älteren Modellen der ersten Generation wurden Sicherheitsmängel bescheinigt, zum Beispiel das Fehlen eines alles umschließenden Sicherheitsbehälters. Solche Mängel wurden in folgenden Generationen verbessert. Ob die Reaktorhülle jedoch einer Kernschmelze standhalten würde, lässt sich auch für die neuesten Typen nicht mit Sicherheit sagen.

Für die nach Indien und China exportierten Kraftwerke wurden zudem zusätzliche Sicherheitseinrichtungen mitgeliefert, so zum Beispiel westliche Kontrollsysteme. Der für Ungarn vorgesehene Typ mit 1200 Megawatt Leistung soll zudem noch weitere Sicherheitssysteme bekommen, sodass eine Laufzeit von 60 Jahren möglich sein soll.

In Tschernobyl war anderer Reaktor-Typ verbaut

Bei dem 1986 in Tschernobyl explodierten Reaktor handelte es sich um einen anderen Reaktortyp mit der Bezeichnung RBMK, in dem vor allem Graphit den Neutronenflusses im Inneren kontrollierte. Anders als beim WWER, der mit einem großen Druckbehälter versehen ist, findet die Kernreaktion im RBMK in Röhren statt, in welche die Brennstäbe getaucht werden.

Problematisch dabei ist, dass die Brennstäbe im Fall einer Notabschaltung aus den Druckröhren herausgezogen werden müssen. Versagt diese Mechanik, gerät die Kernreaktion außer Kontrolle. Weltweit arbeiten nur noch wenige RBMK-Reaktoren, es ist ein Auslaufmodell.

Die Tatsache, dass WWER-Reaktoren Wasser zur Bändigung der nuklearen Kettenreaktion im Reaktorkessel eingesetzt wird, gilt als Sicherheits-Plus. Im Fall eines Kühlwasser-Lecks würde lediglich zusätzliches Wasser in den Kern eindringen und den Neutronenfluss bremsen. Es müsste danach zwar radioaktiv verstrahltes Wasser entsorgt werden, aber eine unkontrollierte Kernschmelze oder eine Explosion ist weniger wahrscheinlich als im RBMK-Typ.

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