Atomare Rüstung:Putins dubiose Wunderwaffe

Neue russische Waffen

Neue Waffen für einen neuen Großmachtsanspruch: Präsident Wladimir Putin präsentierte am Donnerstag Russlands atomares Arsenal der Zukunft. Die Sarmat-Interkontinentalrakete soll mehrere Sprengköpfe tragen können.

(Foto: dpa)

Hat Russland wirklich eine nuklear betriebene Rakete entwickelt? Es wäre eine technische Sensation. Doch Fachleute bezweifeln, dass die marode Industrie des Landes dazu in der Lage ist.

Von Christian Endt und Julian Hans, Moskau

Rasend schnell steigt die Rakete auf, der Antrieb feuerrot glühend, eine dicke Rauchschwade zurücklassend. Dann wechselt das Video der russischen Staatspropaganda auf eine Computeranimation. Dort ist zu sehen, wie der Marschflugkörper vom Nordpolarmeer aus Europa umrundet, den Atlantik Richtung Süden durchquert und nach einem Bogen um Kap Horn über dem Pazifik nach Norden fliegt. Hier ist Schluss, aber die Botschaft ist klar: Russland will einen neuen Waffentyp zeigen, der in der Lage ist, kreuz und quer über den Erdball zu fliegen und die US-Westküste zu treffen.

Möglich sei das, so Staatspräsident Putin in seiner Rede am Donnerstag, dank einer revolutionären Antriebstechnik: Die Rakete fliege nämlich nicht mit konventionellem Brennstoff, sondern mit Nuklearenergie. Damit habe der Marschflugkörper "eine nahezu unbegrenzte Reichweite", sagte Putin. Niemand auf der Welt verfüge über etwas Vergleichbares.

Träfe Putins Behauptung zu, wäre das eine mittlere Sensation

Im Allgemeinen meint der Begriff Atomrakete einen Flugkörper, der eine Atombombe befördert. Anders ist es beim Atom-U-Boot, dort bezieht sich der Name auf die Antriebsart. Putin behauptet nun, über eine Rakete zu verfügen, die beides vereint: sie sei betrieben mit Atomenergie und bestückt mit einer Atomwaffe. Träfe das zu, wäre das eine Sensation. Damit ließe sich einem Grundproblem des Raketenbaus entkommen: Große Reichweite erfordert viel Treibstoff; dieser macht die Rakete schwer, was die Reichweite reduziert. Atomkraft liefert im Vergleich zu anderen Antriebsarten mehr Energie pro Masse.

Aber kann das wirklich sein? "Es ist völlig undenkbar, dass die Russen eine solche Rakete tatsächlich zur Einsatzreife gebracht haben", sagt der Raketentechniker Robert Schmucker, emeritierter Professor an der TU München. "Dafür wären jahrelange, umfangreiche Tests nötig, die auf Grund der Radioaktivität nicht unbemerkt bleiben können." Die technische Herausforderung sei, dass ein Atomreaktor viel Wärme erzeuge und während des Flugs laufend gekühlt werden müsse. Da die Rakete aber mit hoher Geschwindigkeit fliege, sei die vorbeiströmende Luftallein durch die Reibung stark erhitzt. "Man braucht erst einmal Materialen, die diese Geschwindigkeiten und Temperaturen aushalten."

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Die Amerikaner haben ein solches Projekt eines nuklear getriebenen Marschflugkörpers in den Fünfziger- und Sechzigerjahren verfolgt, aber verworfen."

Russian Sarmat strategic missle launsh, Moscow, Russian Federation - 01 Mar 2018

Ein nukleargetriebenes Torpedo soll darüber hinaus neue Optionen unter Wasser bieten.

(Foto: Kremlin-Handout/EPA-EFE/REX/Shutterstock)

Außerdem hat Putin vier weitere neue Waffensysteme angekündigt. Darunter eine Rakete, die mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegen könne und eine unbemannte U-Boot-Drohne. Am fortgeschrittensten ist offenbar eine Interkontinentalrakete, die den Namen Sarmat trägt und angeblich Atomsprengköpfe tragen kann. Die Analysten der US-Denkfabrik CSIS rechnen mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2020. Sie schätzen, dass jede dieser Raketen dann in der Lage sei, zehn große oder sechzehn kleine Atomsprengköpfe zu transportieren. Sie verfüge außerdem über ein System, um gegnerische Abwehrsysteme zu überlisten, in dem sie diese mit Sprengstoff-Attrappen abfängt. Über dieses Projekt war allerdings schon früher berichtet worden. Eine Video-Animation, mit der Sarmat präsentiert wurde, ist sogar mehr als zehn Jahre alt. 2007 zeigte das Staatsfernsehen die Sequenz in einem Film über ein Vorgängermodell.

Obwohl unter Putin die Ausgaben für Militär und Rüstung stetig gesteigert wurden, befindet sich die Industrie in keinem guten Zustand. Der Bau des neuen Weltraumbahnhofs Wostotschnij war von Korruptionsskandalen begleitet, Arbeiter streikten, weil sie keine Löhne bekamen. Zuletzt scheiterten Starts von Trägerraketen. Dazu kommt, dass Zulieferbetriebe in der Ukraine wegen des Konflikts zwischen Kiew und Moskau ausfallen. Dass die Russen Probleme haben, den Routine-Betrieb der Raumfahrt aufrecht zu erhalten, gleichzeitig aber mit einem Zehntel des Verteidigungsbudgets der USA Waffen entwickelt haben sollen, die denen des Gegners um Längen voraus sind, widerspricht jeder Logik.

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