Astronomie:Unterschätzte Zwergenschar

US-Astronomen haben mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii einen Versuch gemacht, die Sterne zu zählen. Sie sind zu einem verblüffenden Ergebnis gekommen: Möglicherweise gibt es dreimal so viele Sterne wie bisher angenommen.

Marlene Weiss

Eins, zwei, drei, viele, sehr viele - wer versucht, die Sterne am Nachthimmel zu zählen, gelangt früher oder später an das Ende seiner Möglichkeiten.

Centaurus A Galaxie

Die elliptische Galaxie Centaurus A im Sternbild Zentaur. Die Schlieren in der Mitte sind Sternenstaub.

(Foto: Eso)

Pieter van Dokkum und Charlie Conroy von den Universitäten Yale und Princeton haben dennoch mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii einen Versuch gemacht und sind zu einem verblüffenden Ergebnis gekommen: Die Zahl kleinerer Sterne wurde bislang massiv unterschätzt (Nature, online). Möglicherweise gibt es wegen der Menge bisher übersehener Winzlinge insgesamt dreimal so viel Sterne im gesamten Universum wie bisher angenommen.

Die Zahl der Sterne in dem von der Erde aus sichtbaren Teil des Universums ist selbst mit hochmodernen Teleskopen und geballter Computerleistung nicht leicht abzuschätzen. Das liegt auch daran, dass niemand weiß, wie viele Sterne es innerhalb einer Galaxie gibt.

Unsere Galaxie, die Milchstraße, enthält mindestens 100 Milliarden Sterne. Und insgesamt gibt es möglicherweise einige hundert Milliarden Galaxien - die genaue Zahl ist nicht bekannt. Im Jahr 2003 schätzte eine Gruppe um den britischen Astrophysiker Simon Driver die Zahl der Sterne im sichtbaren Universum auf etwa 70 Trilliarden - eine Sieben mit 22 Nullen.

"Eigentlich haben wir diese Zahl aber vor allem für die Pressemitteilung ausgerechnet", sagt Driver heute. Denn wissenschaftlich sei es nicht sehr sinnvoll, von absoluten Zahlen zu reden: Noch immer ist nicht klar, wie groß das Universum überhaupt ist und welche Struktur es hat. Vor allem ist jedoch offen, wie es in den Galaxien aussieht.

Lange vermutete die Mehrheit der Astrophysiker, dass die Sterne überall gleich verteilt sind und zwar so wie bei uns in der Milchstraße: Sehr wenige extrem große Himmelskörper, mehr mittlere, ziemlich viele kleine, wobei die Häufigkeit der verschiedenen Gewichtsklassen der nach ihrem Erfinder benannten Salpeter-Funktion gehorchen sollte.

Dieses Bild beginnt jedoch zu bröckeln. Immer mehr Messungen weisen darauf hin, dass Galaxien sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden: Junge sind anders als alte, und elliptische Galaxien anders als spiralförmige wie die Milchstraße.

Auch das Ergebnis von Dokkum und Conroy weist in diese Richtung: Aus dem Licht von acht großen, elliptischen Galaxien schlossen sie, dass kleine Sterne - sogenannte Rote Zwerge - in diesen Galaxien weit häufiger sind als in anderen, bisher analysierten Galaxien. Mindestens 80 Prozent der Sterne und 60 Prozent der Sternmasse entfallen demnach auf Sterne von weniger als 0,3 Sonnenmassen.

Weil die Winzlinge so schwach leuchten, kann man sie nicht direkt beobachten - das macht das Zählen so schwer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: